Entspannung im EU-Parlament

Pressebericht in: Telepolis, 03.09.2008

Deutlich verhaltener ist im Europäischen Parlament am Montag eine Debatte zu den Beziehungen mit Russland verlaufen. Unmittelbar nach dem gut dreistündigen Sondergipfel der EU hatte am späten Abend der französische Außenminister Bernard Kouchner die Parlamentarier über das Treffen informiert. Frankreichs Chefdiplomat mahnte dabei an, "nicht in den Kalten Krieg zurückzufallen". Zuvor hatten die Staats- und Regierungschefs der 27 Unionsstaaten das Verhalten Russlands als "unverhältnismäßig" kritisiert und sich für die territoriale Integrität Georgiens ausgesprochen. Wenn Moskau die Truppen aus Georgien nicht umgehend zurückziehe, könnten die Gespräche über ein Partnerschaftsabkommen ausgesetzt werden.

Anders als bei der letzten Parlamentsdebatte am 20. August war in den folgenden Beiträgen der Parlamentarier jedoch auch Kritik an Georgien zu hören. So verwies der österreichische Sozialdemokrat Hannes Swoboda darauf, dass auch auf georgischer Seite Nationalismus herrsche. Der britische Abgeordnete Graham Watson sprach sich für den Dialog mit Moskau aus. Es sei eine Lehre des Kalten Krieges, dass dadurch Spannungen besser entschärft werden könnten, sagte der Liberale. Auch der französische Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit verurteilte den Nationalismus. Diese bedeute Krieg - "ob russischer, georgischer oder abchasischer Nationalismus". Der französische Sozialist Francis Wurtz mahnte seine Kollegen und die EU-Führung, im Umgang mit dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili "nicht politisch unverantwortlich zu sein".

Anders als bei vergangenen Debatten sprachen sich erstmals auch zwei polnische Abgeordnete gegen eine Isolation Russlands aus. Bernard Wojciechowski von der Fraktion "Unabhängigkeit/Demokratie" erklärte, dass die EU auf Russland angewiesen sei. Der fraktionslose polnische EU-Parlamentarier Sylwester Chruszcz verwies auf die Vorgeschichte im Kosovo. Die Abspaltung dieser südserbischen Provinz hänge direkt mit der Krise im Kaukasus zusammen. Ähnlich äußerte sich der deutsche Linkspartei-Abgeordnete Tobias Pflüger.

Die Regierung in Moskau reagierte mit Bedauern auf die Androhung, die Gespräche über ein Partnerschaftsabkommen auszusetzen. Gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Interfax sagte ein Sprecher des Außenministeriums: "Falls die Gespräche über ein so grundlegendes Dokument tatsächlich verschoben werden sollten, würden wir dies bedauern." Die russische Staatsführung habe weiterhin ein großen Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Europäischen Union.

Konservative Abgeordnete waren mit dem Ergebnis des Gipfels und der Debatte sichtlich unzufrieden. Der deutsche Parlamentarier Elmar Brok plädierte erneut dafür, die Zusammenarbeit mit Russland auszusetzen. Wenige Tage zuvor hatte der CDU-Politiker mit anderen rechtsgerichteten Kollegen den Entwurf für eine Resolution des EU-Parlaments vorgelegt. Darin wird Russland der Versuch vorgeworfen, "den demokratische gewählten Präsidenten Georgiens, Michail Saakaschwili, zu stürzen, um ihn durch einen Präsidenten zu ersetzen, der Russland nahe steht". Zudem wird Moskau in dem noch nicht öffentlichen Entwurf vom 27. August, der Telepolis vorliegt, vorgeworfen, das Waffenstillstandsabkommen nicht einzuhalten. Von dem Angriff Georgiens auf die südossetische Hauptstadt Zchinwali am 8. August ist in dem Dokument keine Rede. Änderungsvorschläge gab es auch nicht, als die Führung in Tiflis zwei Tage später die Anfang der 1990er Jahre unterzeichneten Waffenstillstandsabkommen mit Abchasien und Südossetien einseitig aufkündigte.

Nach einem Treffen mit dem georgischen Premierminister Lado Gurgenidse bekräftigte der Beauftragte der Europäischen Union für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, ebenfalls am Montag in Brüssel drei Ziele: "die politische Unterstützung für Georgien, die wirtschaftliche Unterstützung und unsere Präsenz in der Region".

Harald Neuber

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