Von Mosul nach München - Generalbundesanwalt Nehm macht’s möglich: US-Verteidigungsminister Rumsfeld besucht Besatzungstruppen im Nordirak und danach die Sicherheitskonferenz in Bayern

Pressebericht in: junge Welt, 12.02.2005

Rüdiger Göbel

Das Timing von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ist drehbuchreif: Donnerstag abend schöne Worte bei der NATO-Tagung in Nizza, Freitag früh Überraschungsbesuch bei den US-Truppen im nordirakischen Mosul und am Abend dann umjubelter Stargast auf der »Sicherheitskonferenz« im verregneten München. Vom Strategietreffen in Südfrankreich ins arabische Kriegsgebiet und zum Abschluß der »Friedensgipfel an der Isar« – besser könnte es auch die Haarspray-Werbung nicht machen.

Ermöglicht wurde der Dreisprung des Pentagonchefs durch die Entscheidung der Bundesanwaltschaft. Rechtzeitig vor der Tagung in München hatte Generalbundesanwalt Kay Nehm am Donnerstag eine Strafanzeige gegen Donald Rumsfeld und zehn weitere US-Amerikaner wegen Folter an irakischen Gefangenen verworfen. Tobias Pflüger, Koordinator der Linksfraktion im Unterausschuß Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments, erklärte am Freitag zu dieser Koalition der Straflosigkeit denn auch: »Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als habe hier eine Rechtsbeugung stattgefunden, nur damit Herr Rumsfeld ungestört zur Münchener Sicherheitskonferenz anreisen kann.« Der Minister aus Übersee war derart wütend ob des gegen ihn in der BRD angestrebten Verfahrens wegen der Folter im irakischen Gefängnis Abu Ghraib, daß er seine Teilnahme am Strategietreffen ursprünglich abgesagt hatte. Sein Grollen hallte bis Karlsruhe.

Der eintägige Besuch Rumsfeld im besetzten Irak war zuvor nicht angekündigt worden – aus Sicherheitsgründen. Knapp zwei Wochen nach dem von Washington inszenierten Wahltheater sind US-Truppen und einheimische Kollaborateure unter Druck des bewaffneten Widerstands wie lange nicht mehr. Bei einem schweren Gefecht in Salman Pak südöstlich von Bagdad wurden am Freitag 14 irakische Polizisten getötet. In der zweistündigen Schießerei wurden Behördenangaben zufolge weitere 65 Polizisten verwundet. Sie waren auf einer Waffenrazzia, als sie von Widerstandskämpfern mit Maschinengewehren, Granatwerfern und Mörsern unter Beschuß genommen wurden. Vor einer schiitischen Moschee nordöstlich von Bagdad explodierte eine Autobombe. Mindestens 14 Menschen wurden getötet und mehr als 40 weitere verletzt. Die von Washington installierte irakische Übergangsregierung kündigte an, sie werde zum bevorstehenden schiitischen Aschura-Fest für fünf Tage die Grenzen des Landes schließen.

Rumsfeld braucht das nicht zu kümmern. Er konnte mit seiner US-Maschine das Kriegsgebiet unversehrt verlassen und abends nach München fliegen. Im Irak hatte er in einem Feldlazarett verwundete US-Soldaten besucht. Dabei erklärte er, die amerikanischen Soldaten müßten nicht bis zu einem vollständigen Sieg über die Rebellen in dem Land bleiben. »Es sind die Iraker, die mit der Zeit den Aufstand besiegen müssen«, deutete Rumsfeld in Mosul erstmals einen möglichen US-Rückzug aus dem Kriegsgebiet an. Mit seiner Irak-Reise wolle Rumsfeld »den Erfolg der Wahlen vom 30. Januar würdigen«, sagte sein Sprecher Larry di Rita. Sein Lob galt vornehmlich den US-Soldaten. Diese hätten gezeigt, »daß Amerika ein Land von Befreiern ist, nicht ein Land von Besatzern.«

In München schließlich sollte der US-Verteidigungsminister wieder seinen deutschen Amtskollegen treffen. Peter Struck war noch ganz im Schwärmen über den Auftritt Rumsfelds bei der NATO in Nizza. Der »Kollege Rumsfeld« habe sich sehr lobend über die Ausbildung irakischer Militärs und Polizisten durch Deutschland gefreut, schwärmte Struck. Die Vergangenheit sei vergessen. »Wir haben ein normales, gutes Verhältnis mit Amerika und erst recht mit Großbritannien« – den beiden hauptverantwortlichen Ländern für Gewalt und Zerstörung im Irak.

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