Obamas "Lastenteilung"

Artikel in: Neues Deutschland, 21.11.2008

In den USA wurde ein neuer Präsident gewählt. Einerseits bedeutet die Wahl einen grundlegenden Wandel im innenpolitischen Klima in den USA. Freunde vor Ort bestätigen dies. Viele Hoffnungen sind – auch in Europa – mit der Wahl Barack Obamas verbunden. Doch gerade aus friedenspolitischer Sicht besteht wohl eher Anlass zur Besorgnis. Denn für sein Übergangsteam rekrutierte Obama fast ausschließlich Personen aus dem Umfeld des früheren Präsidenten Bill Clinton, dessen Regierung 1999 maßgeblich für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien verantwortlich war. So berief Obama mit dem damaligen NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark einen der Protagonisten dieses Angriffskrieges in seinen engeren Beraterkreis.

Generell ist es ist frappierend, mit welcher Wucht die »Clintonians« gegenwärtig an die Schaltstellen der Macht zurückkehren. Auf dem G 20-Finanzgipfel ließ sich Obama u. a. durch die ehemalige Außenministerin Madeleine Albright vertreten. Mit Rahm Emanuel wurde zudem ein enger Clinton-Vertrauter zum Stabschef ernannt. Emanuel verfügt über engste Kontakte zum »Democratic Leadership Council«, dem 1988 gegründeten Sammelbecken der »War Democrats«, die sich für eine wirtschaftsfreundliche und militaristische demokratische Außenpolitik einsetzen. So fordert Emanuel u. a. eine Aufstockung der US-Armee um 100 000 Soldaten. Von einem grundlegenden »Change« kann in Bezug auf die Außenpolitik keine Rede sein.

Zu Obamas Beratern zählen auch Samantha Power und Michael McFaul, beide glühende Anhänger »humanitärer« Interventionen. Kein Zufall, gab Obama selbst doch an, im Falle von Menschenrechtsverletzungen müssten die USA »dort intervenieren, wo dies möglich ist«. Eine seiner häufigen Formulierungen war: »Ich bin nicht gegen alle Kriege, ich bin nur gegen dumme Kriege.«

Was die amerikanisch-russischen Beziehungen anbelangt, die gegenwärtig in einen »Neuen Kalten Krieg« abzugleiten drohen, ist die Berufung Zbigniew Brzezinskis in den Beraterkreis ein beunruhigendes Zeichen. Zum Georgienkrieg verglich Brzezinski Putins Vorgehen mit dem Hitlers und forderte, Russland müsse »innerhalb der Staatengemeinschaft isoliert werden«. Obama hat auch keineswegs vor, die Besatzung Iraks zu beenden. Vielmehr hat er angedeutet, er beabsichtige, eine Kerntruppe von 30 000 (!) Soldaten in Irak zu belassen.

Ein Begriff wird wieder häufiger zu hören sein, »burden sharing«, Lastenverteilung zwischen den Verbündeten, insbesondere in Bezug auf Afghanistan: Obama hat angekündigt, 10 000 zusätzliche Soldaten dorthin zu entsenden. Gleichzeitig fordert er von den europäischen NATO-Verbündeten, insbesondere von Deutschland, einen deutlich größeren militärischen Beitrag. Und: Obama will den NATO-Krieg in Pakistan noch ausweiten, womit eine weitere Eskalation vorprogrammiert wäre.

Was sich mit Obama abzeichnet, ist eine »Neue Transatlantische Partnerschaft« mit einer wieder stärkeren NATO. Die Folge wäre eine Verschiebung der militärischen Beiträge Richtung Europa und damit eine noch mehr auf Militär orientierte (EU)-Außenpolitik. Auf die Freude über die Wahl Obamas in der EU und Deutschland könnte also bald der große Katzenjammer folgen.

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