Europaparteitag - Die Linke will den Kapitalismus abschaffen
Pressebericht auf www.welt.de vom 01.März 2009
Die Linke meint es ernst mit dem Vorhaben, den Kapitalismus überwinden zu wollen. Dieses Ziel bestimmten die Delegierten beim Europaparteitag zum Teil ihres Wahlprogramms. Mit großer Mehrheit nominierten sie den Linken-Vorsitzenden Lothar Bisky zum Spitzenkandidaten für die Europawahl im Juni.
Fundamentale Kapitalismuskritik beherrschte die Debatte am ersten Tag des Europaparteitags der Linken in Essen. Mit 203 zu 201 Stimmen sprachen sich die Delegierten für die Übernahme des Satzes: "Der Kapitalismus muss überwunden werden", in das Wahlprogramm aus. Damit hat die Linke schriftlich das Ziel niedergelegt, das sie in den kommenden Jahren erreichen will.
"Das ist mit Sicherheit das linkeste Wahlprogramm, das wir jemals hatten", sagte ein Mitglied des Parteivorstandes am Rande der Veranstaltung WELT ONLINE. Den stärksten Applaus erntete während der Debatte über das Programm der Bundestagsabgeordnete und EU-Kritiker Wolfgang Gehrke, der resümierte: "Die Linke ist eine antikapitalistische Partei, dem haben wir nicht abgeschworen, nicht in Deutschland und nicht in der EU."
Oskar Lafontaine, dem die Delegierten am Abend zujubelten, stellte ebenfalls die Systemfrage. Der Vertrag von Lissabon werde von der Mehrheit der Linken auch deshalb abgelehnt, weil er ein Wirtschaftssystem festsetze, das kläglich gescheitert sei, so Lafontaine. "Wir werden als Linke deutlich machen, dass die Finanzmarktkrise entstanden ist, weil es eine falsche Einkommens- und Vermögensverteilung gibt", so der Vorsitzende.
Lafontaine forderte Unternehmensbeteiligungen der Arbeitnehmer, eine europäische Wirtschaftsregierung sowie die Verstaatlichung von Banken. "Die Verstaatlichung ist keine Enteignung, sondern ein Sicherheitsgewahrsam, damit die Ausbeutung der Gesellschaft nicht weitergeht", sagte er. Schuld an der Wirtschaftkrise hätten die übrigen im Bundestag vertretenen Parteien: "Rot, Grün, Schwarz, Gelb haben die Probleme herbeigeführt."
Auch der Spitzenkandidat der Linken für die Europawahl, Lothar Bisky, adressierte seine Kritik klar an die Bundesregierung, nutzte wie Lafontaine die Gunst der Stunde, um Wahlkampf zu machen. "Die deutsche Politik hat sich mit der Agenda 2010 und der Lissabon-Strategie in die Knechtschaft des Schmalspur-Liberalismus begeben", schimpfte er.
Er monierte, Deutschland sei auf dem Weg in die "Bananenrepublik", wenn die „Hohepriester des Neoliberalismus“ sich heute als die "großen Krisenmanager jener Krisen feiern lassen, die sie selbst hervorgerufen haben". Der Linke-Chef forderte die Einführung einer Börsenumsatzsteuer, ein Verbot der Hedgefonds und eine Millionärsabgabe. Zudem sei ein "Rettungsschirm für die Menschen" notwendig.
Bisky dankte in seiner Ansprache auch den sieben bisherigen Europaabgeordneten der Linken. Besonders Sylvia-Yvonne Kaufmann konnte sich über explizites Lob freuen. Die Pragmatikerin Kaufmann kämpft wie der Reformer André Brie um einen aussichtsreichen vorderen Listenplatz. Auf der 16 Personen umfassenden Europa-Liste des Bundesausschusses wurden die beiden trotz ihrer Reputation und jahrelangen Arbeit in Brüssel nicht mehr nominiert. Kaufmann kandidierte am späten Abend auf Platz 7 gegen die vom Bundesausschuss nominierte Sabine Lösing.
In einer kurzen Rede verwies sie auf ihre bisherige EU-Arbeit und auf ihre linken Ideale. In der anschließenden Fragerunde warf ihr die Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag, Christina Flauger, unter großem Applaus vor, diese Ideale zu verraten, indem Kaufmann für den Vertrag von Lissabon gestimmt habe.
Aus Sachsen und Sachsen-Anhalt kamen hingegen entschiedene Fürsprachen. Auch die auf Platz fünf gewählte Cornelia Ernst bat die Delegierten, Kaufmann zu wählen. Schließlich setzte sich Sabine Lösing jedoch mit ca. 60 Prozent der Stimmen durch.
Kaufmann trat danach als aussichtsreiche Kandidatin auf dem 9. Listenplatz an. Doch mit Martina Michels setzte sich erneut die Kandidatin des Bundesausschusses durch. Erfolg war dagegen ihrem EU-Abgeordneten-Kollegen Tobias Pflüger beschieden.
Er stellte sich gegen den Listenkandidaten Wilfried Tellkämper und gewann mit zwanzig Stimmen Vorsprung die Kampfkandidatur. Pflüger, er den Lissabon-Vertrag vehement ablehnt, konnte auf die Unterstützung vieler westdeutscher Delegierter zählen.
Geschickt setzte er sich auf dem Parteitag in Szene, trat wieder und wieder in programmatischen Fragen ans Mikrophon. Nachdem er zweimal eine von unterschiedlichen Delegierten vorgeschlagene Nominierung abgelehnt hatte, löste seine Kandidatur um den gerade noch aussichtsreichen zehnten Listenplatz schließlich Begeisterung aus.
Bisky wurde mit 94,3 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten seiner Partei gewählt. "Wenn wir einen guten Wahlkampf liefern, werden wir im Ergebnis zweistellig", sagte er nach seiner Wahl.
Die Einigkeit, mit der die Redner während der Debatte über das Wahlprogramm den EU-Vertrag von Lissabon als neoliberales und militaristisches Machwerk ablehnten, verhinderte den befürchteten Eklat um die Haltung der Linken zur EU. Das "Nein" zu Lissabon war eindeutig.
Es waren vor allem ostdeutsche Teilnehmer, die vorsichtig betonten, dass die Kritik an Lissabon nicht das grundsätzliche "Ja" der Linken zu Europa überschatten dürfe. Kritisch merkte die EU-Abgeordnete und ehemalige PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer an: "Es reicht nicht aus, allein nur auf Widerstand zu setzen. Wir wollen Vorschläge auf den Tisch legen."
Die Linke meint es ernst mit dem Vorhaben, den Kapitalismus überwinden zu wollen. Dieses Ziel bestimmten die Delegierten beim Europaparteitag zum Teil ihres Wahlprogramms. Mit großer Mehrheit nominierten sie den Linken-Vorsitzenden Lothar Bisky zum Spitzenkandidaten für die Europawahl im Juni.
Fundamentale Kapitalismuskritik beherrschte die Debatte am ersten Tag des Europaparteitags der Linken in Essen. Mit 203 zu 201 Stimmen sprachen sich die Delegierten für die Übernahme des Satzes: "Der Kapitalismus muss überwunden werden", in das Wahlprogramm aus. Damit hat die Linke schriftlich das Ziel niedergelegt, das sie in den kommenden Jahren erreichen will.
"Das ist mit Sicherheit das linkeste Wahlprogramm, das wir jemals hatten", sagte ein Mitglied des Parteivorstandes am Rande der Veranstaltung WELT ONLINE. Den stärksten Applaus erntete während der Debatte über das Programm der Bundestagsabgeordnete und EU-Kritiker Wolfgang Gehrke, der resümierte: "Die Linke ist eine antikapitalistische Partei, dem haben wir nicht abgeschworen, nicht in Deutschland und nicht in der EU."
Oskar Lafontaine, dem die Delegierten am Abend zujubelten, stellte ebenfalls die Systemfrage. Der Vertrag von Lissabon werde von der Mehrheit der Linken auch deshalb abgelehnt, weil er ein Wirtschaftssystem festsetze, das kläglich gescheitert sei, so Lafontaine. "Wir werden als Linke deutlich machen, dass die Finanzmarktkrise entstanden ist, weil es eine falsche Einkommens- und Vermögensverteilung gibt", so der Vorsitzende.
Lafontaine forderte Unternehmensbeteiligungen der Arbeitnehmer, eine europäische Wirtschaftsregierung sowie die Verstaatlichung von Banken. "Die Verstaatlichung ist keine Enteignung, sondern ein Sicherheitsgewahrsam, damit die Ausbeutung der Gesellschaft nicht weitergeht", sagte er. Schuld an der Wirtschaftkrise hätten die übrigen im Bundestag vertretenen Parteien: "Rot, Grün, Schwarz, Gelb haben die Probleme herbeigeführt."
Auch der Spitzenkandidat der Linken für die Europawahl, Lothar Bisky, adressierte seine Kritik klar an die Bundesregierung, nutzte wie Lafontaine die Gunst der Stunde, um Wahlkampf zu machen. "Die deutsche Politik hat sich mit der Agenda 2010 und der Lissabon-Strategie in die Knechtschaft des Schmalspur-Liberalismus begeben", schimpfte er.
Er monierte, Deutschland sei auf dem Weg in die "Bananenrepublik", wenn die „Hohepriester des Neoliberalismus“ sich heute als die "großen Krisenmanager jener Krisen feiern lassen, die sie selbst hervorgerufen haben". Der Linke-Chef forderte die Einführung einer Börsenumsatzsteuer, ein Verbot der Hedgefonds und eine Millionärsabgabe. Zudem sei ein "Rettungsschirm für die Menschen" notwendig.
Bisky dankte in seiner Ansprache auch den sieben bisherigen Europaabgeordneten der Linken. Besonders Sylvia-Yvonne Kaufmann konnte sich über explizites Lob freuen. Die Pragmatikerin Kaufmann kämpft wie der Reformer André Brie um einen aussichtsreichen vorderen Listenplatz. Auf der 16 Personen umfassenden Europa-Liste des Bundesausschusses wurden die beiden trotz ihrer Reputation und jahrelangen Arbeit in Brüssel nicht mehr nominiert. Kaufmann kandidierte am späten Abend auf Platz 7 gegen die vom Bundesausschuss nominierte Sabine Lösing.
In einer kurzen Rede verwies sie auf ihre bisherige EU-Arbeit und auf ihre linken Ideale. In der anschließenden Fragerunde warf ihr die Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag, Christina Flauger, unter großem Applaus vor, diese Ideale zu verraten, indem Kaufmann für den Vertrag von Lissabon gestimmt habe.
Aus Sachsen und Sachsen-Anhalt kamen hingegen entschiedene Fürsprachen. Auch die auf Platz fünf gewählte Cornelia Ernst bat die Delegierten, Kaufmann zu wählen. Schließlich setzte sich Sabine Lösing jedoch mit ca. 60 Prozent der Stimmen durch.
Kaufmann trat danach als aussichtsreiche Kandidatin auf dem 9. Listenplatz an. Doch mit Martina Michels setzte sich erneut die Kandidatin des Bundesausschusses durch. Erfolg war dagegen ihrem EU-Abgeordneten-Kollegen Tobias Pflüger beschieden.
Er stellte sich gegen den Listenkandidaten Wilfried Tellkämper und gewann mit zwanzig Stimmen Vorsprung die Kampfkandidatur. Pflüger, er den Lissabon-Vertrag vehement ablehnt, konnte auf die Unterstützung vieler westdeutscher Delegierter zählen.
Geschickt setzte er sich auf dem Parteitag in Szene, trat wieder und wieder in programmatischen Fragen ans Mikrophon. Nachdem er zweimal eine von unterschiedlichen Delegierten vorgeschlagene Nominierung abgelehnt hatte, löste seine Kandidatur um den gerade noch aussichtsreichen zehnten Listenplatz schließlich Begeisterung aus.
Bisky wurde mit 94,3 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten seiner Partei gewählt. "Wenn wir einen guten Wahlkampf liefern, werden wir im Ergebnis zweistellig", sagte er nach seiner Wahl.
Die Einigkeit, mit der die Redner während der Debatte über das Wahlprogramm den EU-Vertrag von Lissabon als neoliberales und militaristisches Machwerk ablehnten, verhinderte den befürchteten Eklat um die Haltung der Linken zur EU. Das "Nein" zu Lissabon war eindeutig.
Es waren vor allem ostdeutsche Teilnehmer, die vorsichtig betonten, dass die Kritik an Lissabon nicht das grundsätzliche "Ja" der Linken zu Europa überschatten dürfe. Kritisch merkte die EU-Abgeordnete und ehemalige PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer an: "Es reicht nicht aus, allein nur auf Widerstand zu setzen. Wir wollen Vorschläge auf den Tisch legen."
Tobias Pflüger - 2009/03/04 15:23
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