»Dann hat die PDS ein Problem« - Zustimmung zur EU-Verfassung wäre nicht vermittelbar. PDS-Landesvorsitzende im Westen verlangen klares Nein.

Interview in: junge Welt - 11.03.2005 - Wolfgang Pomrehn

* Tobias Pflüger wurde im Sommer 2004 als Parteiloser auf der Liste der PDS ins Europaparlament gewählt. Dort gehört er mit seinen Kollegen der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke an.

F: Offensichtlich spielen einige in der PDS mit dem Gedanken, die beiden von ihr mitregierten Länder könnten im Bundesrat der EU-Verfassung zustimmen. Das könnte man Wahlbetrug nennen – oder?

Ich gehe davon aus, daß die PDS-Vertreter in den Landesregierungen mit Nein stimmen werden, die Länder sich dann bei der Abstimmung im Bundesrat enthalten und daß es keine Absprachen nach dem Motto gibt: Die PDS sagt nein, gibt aber gleichzeitig der SPD augenzwinkernd grünes Licht für ein Ja. Es geht um die Glaubwürdigkeit der PDS. Das betont auch ein Brief der westdeutschen Landesvorsitzenden, der darauf drängt, daß die PDS in Berlin und Mecklemburg/Vorpommern nein sagen muß. Ich hoffe sehr, daß die PDS es nicht zur Zustimmung kommen läßt. Sollte ich mich täuschen, dann hat die PDS ein Problem, insbesondere in bezug auf die Friedensbewegung.

F: Unklar ist noch, wann der Bundesrat abstimmt, aber das Ratifizierungsverfahren läuft bereits. Am 24. Februar fand im Bundestag die erste Lesung statt – klammheimlich sozusagen.

Offensichtlich ist es die Strategie der SPD/Grünen-Regierung, den EU-Verfassungsvertrag heimlich, still und leise durchzubekommen. Zudem war an der Bundestagsdebatte bemerkenswert, daß kaum jemand über den Inhalt des Verfassungsvertrags sprach. Statt dessen führt man gerne Ideologiedebatten der Art: »Europa ist doch gut, und es ist prima, daß es jetzt eine Verfassung gibt.«

F: Die Financial Times Deutschland schrieb unlängst, der Kanzler habe für den Fall des Scheiterns der Verfassung einen Plan B in der Schublade. Demnach soll dann auf ein Kerneuropa-Konzept gesetzt und das deutsche und französische Militär verschmolzen werden.

Im EU-Verfassungsvertrag wird das Kerneuropa-Konzept mit der ständigen strukturierten (militärischen) Zusammenarbeit institutionalisiert. Insofern macht es immanent »Sinn«, daß sich die deutsche Führung überlegt, wie sie dieses Ziel notfalls auch ohne den Verfassungsvertrag erreichen kann.

F: Hätte sie Erfolg, ginge ein alter Traum der hiesigen Eliten in Erfüllung: Deutschland hätte Zugriff auf die Atombombe.

Es gibt ein »European Defense Paper«, entwickelt im Auftrage der EU, in dem unter anderem steht, daß man den Einsatz von Atomwaffen nicht ausschließt. Lothar Rühl, ehemaliger Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Mitautor des Papiers, hat kürzlich in der FAZ betont, wie froh er sei, daß die atomare Option ausdrücklich offengehalten wird. Ein viel zuwenig beachteter Skandal, der zeigt, in welche Richtung diese EU-Militärpolitik unter deutsch-französisch-britischer Führung läuft. Ein ähnlicher Skandal ist es, daß zu den vorgeschlagenen Optionen auch das Präventivkriegskonzept gehört.

F: Und das soll demnächst ebenfalls verabschiedet werden?

Derzeit diskutiert das Europaparlament einen Vorentwurf. Grundsätzlich ist es aber so, daß die Abgeordneten in Fragen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nur gehört werden. Das gilt auch für die Europäische Sicherheitsstrategie (ESS), die der Europäische Rat bereits verabschiedet hat und über die das Parlament demnächst mit dem sogenannten Kuhne-Bericht beraten wird. Der Berichterstatter Helmut Kuhne ist SPD-Abgeordneter. Auch alle Verantwortlichen der anderen Fraktionen sind Deutsche. Ausnahmslos. Ein deutliches Zeichen für die deutsche Dominanz in diesem Bereich. Der Bericht betont pikanterweise die Parallelität der Bedrohungsanalysen von ESS und der US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsstrategie. Er will zudem die in der ESS enthaltene Feststellung, daß die erste Verteidigungslinie künftig oftmals im Ausland verlaufen wird, materiell absichern und geht in vielen Punkten sogar noch über die ESS hinaus. Das kann man natürlich nur ablehnen. Unsere Fraktion hat daher meinen Vorschlag einer Ablehnung und der Erarbeitung eines Minderheitenvotums gegen den Bericht einhellig unterstützt.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2005/03-11/020.php

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