Europäische Linksfraktion will erneute irische Nein-Kampagne unterstützen

Artikel auf scharf-links.de, 17.04.2009

Gut besuchte Konferenz der Linksfraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament diskutiert über die Gründe der irischen Ablehnung des Lissabonvertrages und verabredet konkrete Schritte der Solidarität

Am 12. Juni 2008 lehnte eine klare Mehrheit von 53,4% der irischen Bevölkerung im europaweit einzigen Referendum den Lissabonvertrag ab. Nach den eigenen Regeln der EU hätte damit das Vertragskonvulut, das weitgehend deckungsgleich mit dem schon zuvor in Frankreich und den Niederlanden abgelehnten "Verfassungsvertrag" ist, Geschichte sein müssen. Denn der Lissabonvertrag kann nur dann in Kraft treten, wenn alle Mitgliedsstaaten der EU ihn ratifizieren.

Gleichwohl ließen die EU-Eliten den Ratifizierungsprozess fortsetzen, um so die irische Regierung unter Druck zu setzen, erneut abstimmen zu lassen, wenn die Zeit günstig erscheint. Im Dezember sagte die irische Regierung dann die Abhaltung eines erneuten Referendums noch vor dem Beginn der neuen Legislatur der Europäischen Kommission (1. November 2009) zu. Im Oktober 2009 wird die irische Bevölkerung also voraussichtlich noch einmal über den gleichen Vertrag abstimmen.

Unter dem Motto "Lissabonvertrag: die wahren Gründe warum die Bevölkerung Nein sagt" diskutierten am vergangenen Mittwoch in Brüssel Mitglieder der GUE/NGL mit Vertreter aus Irland, die sich dort zur "Campaign against EU Constitution" zusammengeschlossen haben, und zahlreichen Gästen aus Schweden, Finnland, Dänemark, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Spanien und Frankreich.

Die Konferenz wurde von Francis Wurtz (PCF), Fraktionsvorsitzender der GUE/NGL, Tobias Pflüger (DIE LINKE) und Eva Britt-Svensson (Schwedische Linkspartei) moderiert. Francis Wurtz erinnerte an das französische Nein vom Mai 2005, in dessen Kern die "soziale Frage" gestanden hätte. Es hätte in Frankreich ein enorm hohes Niveau der Debatte gegeben, das selbst die Befürworter des damaligen Verfassungsvertrages konstatieren mussten. Dennoch hätten die "europäischen Eliten die gleiche Politik fortgesetzt, wären jedoch durch das Nein erschüttert worden.".

Eric Meijer von der Sozialistischen Partei aus den Niederlanden warnte in seinem Beitrag vor einer gesellschaftlichen Entdemokratisierung durch die Verlagerung immer größerer Bereiche auf einen "Europäischen Superstaat", der kaum noch demokratisch zu kontrollieren sei. Die SP hätte im Juni 2005 eine kurze und beherzte Nein-Kampagne gestartet und die zunächst sehr fatalistische Stimmung ("Die da oben machen doch eh, was sie wollen") noch drehen können.

Pádraig MacLochlainn von Sinn Féin aus Irland sprach von einer "basisdemokratischen Revolution", die sich in Frankreich, den Niederlanden und Irland vollzogen habe: Obwohl sich eine überwältigende Mehrheit in den Parlamenten für die EU-Verträge aussprachen, verweigerte hingegen die Mehrheit der Bevölkerung die Gefolgschaft.

Jonas Sjöstedt (schwedische Linkspartei) nannte die Ratifizierung des Lissabonvertrages durch das schwedische Parlament nur wenige Tage nach dem irischen Referendum "eine Katastrophe". "Wenn die politische Klasse nicht bereit ist, den Menschen zuzuhören, wenn sie "nein" sagen, wenden sich die Menschen von der Politik ab."

Tobias Pflüger, der im Vorfeld des Referendums mehrfach auf irischen Nein-Veranstaltungen geredet hatte, betonte, dass es sich ganz im Gegenteil zur medialen Darstellung um eine bewusste "klare, sachliche Entscheidung der irischen Bevölkerung" gehandelt habe. Gerade die Kenntnis über die Militarisierung der EU, die "das Rückgrat des Lissabon-Vertrages darstellt", wäre in Irland weit verbreitet gewesen. Die irische Bevölkerung würde stellvertretend für die Menschen in Europa abstimmen, denen eine Volksabstimmung verwehrt wird.

Verschiedene Redner/innen aus Irland, darunter Roger Cole (Peace & Neutrality Alliance) und Ailbhe Smyth (People Before Profit), betonten die Notwendigkeit und Bedeutung internationaler Unterstützung für die irische Nein-Kampagne, angesichts des europaweiten Versuchs der Medien, die Irinnen und Iren zu isolieren.

Die "Campaign against EU Constitution" hat die Unterstützung der Linksfraktion GUE/NGL. Die verschiedenen Parteien der Europäischen Linken werden die undemokratische Durchsetzung des Lissabonvertrages im Wahlkampf ebenso thematisieren, wie seine neoliberalen und militaristischen Festlegungen. Auch vor dem erwarteten erneuten Referendum im Oktober soll es konkrete Unterstützung für die irischen Vertragsgegner/innen geben.

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