Minen gegen atomare Abrüstung der USA

Artikel in Neues Deutschland, 02.05.3009

Deutschland und EU-Europa verweigern Obama die Gefolgschaft
Von René Heilig

Es ist schon seltsam: Jahrelang hieß es in Berlin und Brüssel, dass man die US-Atomwaffen in Europa zwar gerne abschaffen würde, doch dass diese Bemühungen an Washingtons Unwillen scheitern. Jetzt erklärt Obama, dass eine Welt ohne Atomwaffen möglich ist, und »Europa« verweigert sich dieser Vernunft.
Angelika Beer, die ehemalige Grüne mit Sitz im Europäischen Parlament, ist politisch erfahren genug, um sich ihren Frust nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Als außen- und sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen/EFA und Berichterstatterin zum Thema nukleare Abrüstung hätte sie den Erfolg »gern mitgenommen«, wenn sie demnächst aus dem Parlament ausscheidet.
Doch das Parlament folgte ihren Vorschlägen nicht, die sie vor Wochenfrist in ihrem Bericht zur Zukunft des 1970 in Kraft getretenen Atomwaffensperrvertrags unterbereitete. Was nun herausgekommen und ins Protokoll eingegangen ist, sei »blamabel«, erregt sich die Abgeordnete zwischen zwei Zigaretten und spricht von »parlamentarischer Ladehemmung«. »Die« sähen nicht, dass es nach Obamas Rede in Prag, in der er für eine weltweite nukleare Abrüstung warb, »nur ein schmales Fenster gibt«, um dem Ziel entscheidend näher zu kommen.
»Die«, das sind die Konservativen und Liberalen im Europaparlament. Sie sperren sich allen Argumenten, Obama beim Wort zu nehmen und die festgefahrenen Verhandlungen zur Nichtweiterverbreitung von Nuklearwaffen und deren Abschaffung mal wieder anzuschieben.
Sie werfen »eine Riesenchance« weg, beklagt auch Tobias Pflüger, der für die deutsche Linkspartei im Europa-Parlament sitzt und sich in der atomaren Frage mit Beer und sogar mit den meisten Sozialdemokraten auf einer Seite weiß. Doch so viele Gespräche man auch auf den Gängen und den Cafés des Straßburger Parlaments geführt hat, Disziplin auf der Gegenseite verhinderte, dass die EU wirklich als »Global Player« friedlicher Entwicklungen auftreten kann.
Dass der Deutsche Bundestag am selben Tag mit dem Problem der atomaren Abrüstung beschäftigt hat, ist sicher ein Zufall. Dass jedoch auch hier die konservativen Kräfte von Union und SPD Obama faktisch in den Rücken fielen, ist mit Sicherheit gewollt. Auch sie legen bereits jetzt Minen aus, um die für das kommende Jahr geplante Überprüfungskonferenz zum Nichtweiterverbreitungsvertrag zu blockieren. So wird nukleare Abrüstung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben, ärgert sich Inge Höger, die für die Bundestags-Linksfraktion Abrüstungsfragen bearbeitet. Jetzt, so meint Höger, wäre genau die Zeit, um auf die nukleare Teilhabe innerhalb des NATO-Bündnisses zu verzichten, mit der Deutschland im Grund permanent gegen den Vertrag verstößt.
Doch offenbar reicht es der SPD, dass man mit Hilfe vieler Medien so tun kann, als würde ihr Genosse und Bundestagsspitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier als Deutschlands Außenminister mit Obama in einem Boot sitzen.
Wer ergründen will, warum EU-Konservative sich hartnäckig der Vernunft verweigern, kommt unter anderem auf die im Nichtweiterverbreitungsvertrag festgeschriebene friedliche Nutzung der Atomenergie zu sprechen. In der Tat: Militärische und zivile Nutzung der Atomkraft bedingen einander. Nordkorea und Iran sind aktuelle Belege dafür. Doch genau die Furcht, dass aus Energieerzeugung militärische Gefahr entsteht, spräche dafür, Obama und Russlands Präsidenten Medwedjew den Rücken zu stärken, wenn die sich am 18. Mai in Moskau zu neuen Verhandlungen treffen.

Die Abgeordneten des Europaparlaments in Straßburg (Foto: Heilig) sollten sich erinnern, was der Internationale Gerichtshof 1996 zum Atomwaffensperrvertrag geurteilt hat: »Es besteht eine völkerrechtliche Verpflichtung, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen und zum Abschluss zu bringen, die zu nuklearer Abrüstung in allen ihren Aspekten unter strikter und wirksamer internationaler Kontrolle führt.«

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