EU-Kandidaten stellen sich Ulmer Schülern
Artikel in Südwest Presse Online, 14.05.2009
Von Elisabeth Zoll
Europa ganz nah: Bei einem Forum mit Spitzenkandidaten von fünf Parteien konnten Schüler Bewerber für das Europaparlament unter die Lupe nehmen.
Lars Hansmeier, ein 18-jähriger Schüler des Anna-Essinger-Gymnasiums, sprach vielen seiner Altersgenossen aus der Seele: „Ich schwanke noch.“ Natürlich sei Europa wichtig, wegen des grenzüberschreitenden Austauschs und der mit der Europa gewonnenen außenpolitischen Sicherheit. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass damit für ihn schon entschieden ist, wer bei der Wahl zum Europaparlament am 7. Juni seine Stimme bekommt.
Der Wahlkampf ist lau, Plakate sind eher selten. So sind nicht nur den Erstwählern selbst aussichtsreiche Kandidaten weitgehend fremd. Zumindest von Spitzenleuten der CDU, der SPD, den Grünen, der FDP und der Links-Partei konnten sich rund 200 Gymnasiasten beim Europa-Forum der SÜDWEST-PRESSE ein eigenes Bild machen. Evelyne Gebhardt (SPD), Inge Grässle (CDU), Reinhard Bütikofer (Die Grünen), Tobias Pflüger (Die Linke) und Michael Theurer (FDP) stellten sich unter der Moderation von Chefredakteur Hans-Jörg Wiedenhaus und Politikchef Wilhelm Hölkemeier den Fragen der Schüler.
Und diese gab es reichlich. Was sie denn vom doppelten Standort des EU-Parlaments – Brüssel und Straßburg – und dem damit verbundenen Wanderzirkus für die vielen Mitarbeiter hielten?, wollte Annalena Lipp von den EU-Kandidaten wissen. Auch Positionen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise, der Forderung nach Mindestlöhnen, der Gentechnik und der möglichen Erweiterung der Union durch den Beitrittskandidaten Türkei interessierten. Ebenso das Thema Bildung.
Das lag auch Alina Eisele aus Salach am Herzen. „Wir wissen, dass Europa für uns eine große Chance ist im Bereich Studium und Beruf“ – vorausgesetzt die Abschlüsse werden auch EU-weit anerkannt.
Dass es hier noch Regelungsbedarf gibt, räumte die langjährige SPD-Europapolitikerin Gebhardt freimütig ein. „Wir können uns nicht für ein freies Europa aussprechen und dann bei den Abschlüssen Hürden in den Weg legen“, sagte sie. Inge Grässle sprach sich deshalb für eine Vergleichbarkeit von Abschlüssen aus. Ein Binnenmarkt, auf dem ein Handwerker mit einer dreijährigen Ausbildung in direkter Konkurrenz zu einem Kollegen stehe, der gerade einmal eine dreimonatige Unterweisung habe, könne nicht funktionieren.
Das sah Michael Theurer, bisher Oberbürgermeister in Horb und nun auf Platz acht der FDP-Liste, anders. „Ich will keine Gleichmacherei“, sagte er – schon deshalb nicht, weil er an dem in Deutschland bewährten System der dualen Ausbildung festhalten wolle.
Unterschiede zwischen den Parteien zeigten sich auch an anderer Stelle: Während der bisherige Parteichef der Grünen, Reinhard Bütikofer, beispielsweise klar gegen genmanipulierte Nahrungsmittel votierte, sprach sich die CDU-Haushaltsexpertin im Europäischen Parlament, Inge Grässle, gegen ein Verbot und für eine klare Kennzeichnungspflicht aus. „Wir können es uns nicht leisten, auf solch eine Zukunftstechnologie zu verzichten,“ sagte sie – wissend, dass die überwiegende Mehrheit der Bundesbürger anderer Meinung ist.
Unterschiedliche Blickwinkel wurden auch beim Thema Erweiterung der EU durch die Türkei deutlich. Europa dürfe kein „exklusiver Club, schon gar kein exklusiver Christenclub“ werden, sagte Bütikofer und bezog damit Position gegen die CDU-Politikerin Grässle, die sich gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei aussprach. Einen „Beitritt light“, wie bei Bulgarien und Rumänien, dürfe es mit einem so großen Land wie der Türkei nicht geben. Dass die jüngsten EU-Staaten die strengen Beitrittskriterien nicht erfüllten, merke sie als Haushaltsexpertin fast jeden Tag.
Für die Unions-Politikerin ist das Thema Türkei deshalb eine „Schlüsselfrage der EU“. Tobias Pflüger von der Links-Partei nennt die Äußerung der Union dagegen „reinen Populismus“. Ein Beitritt der Türkei stehe nicht auf der Tagesordnung, auch nicht in der kommenden Legislaturperiode. Zu groß seien die im EU-Fortschrittsbericht beschriebenen Defizite. Doch Pflüger warnt, eine Erweiterung nur unter wirtschaftlichen und geostrategischen Gesichtspunkten zu betrachten. Die mit der Aufnahme eines Staates in die EU verbundene Demokratisierung eines Landes – und im Fall der Türkei auch einer Armee – ist für ihn von zentraler Bedeutung.
Die Unterschiede wurden von den Gymnasiasten durchaus registriert, nicht nur in den Sachfragen. „Man merkt, wer schon länger im EU-Geschäft ist“, hält Max, ein Schüler des Scholl-Gymnasiums fest. Auch wie schwierig es ist, mit 27 Staaten Politik zu machen, ist Adrian, einem Schüler des Albert-Einsteins-Gymnasium, nicht entgangen: „Am Thema Mindestlohn wird deutlich, wie schwer es ist, in allen Ländern der EU alles gleich zu regeln. Gleichzeitig wird klar, dass auch nicht immer alles in allen Ländern gleich sein kann.“
Von Elisabeth Zoll
Europa ganz nah: Bei einem Forum mit Spitzenkandidaten von fünf Parteien konnten Schüler Bewerber für das Europaparlament unter die Lupe nehmen.
Lars Hansmeier, ein 18-jähriger Schüler des Anna-Essinger-Gymnasiums, sprach vielen seiner Altersgenossen aus der Seele: „Ich schwanke noch.“ Natürlich sei Europa wichtig, wegen des grenzüberschreitenden Austauschs und der mit der Europa gewonnenen außenpolitischen Sicherheit. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass damit für ihn schon entschieden ist, wer bei der Wahl zum Europaparlament am 7. Juni seine Stimme bekommt.
Der Wahlkampf ist lau, Plakate sind eher selten. So sind nicht nur den Erstwählern selbst aussichtsreiche Kandidaten weitgehend fremd. Zumindest von Spitzenleuten der CDU, der SPD, den Grünen, der FDP und der Links-Partei konnten sich rund 200 Gymnasiasten beim Europa-Forum der SÜDWEST-PRESSE ein eigenes Bild machen. Evelyne Gebhardt (SPD), Inge Grässle (CDU), Reinhard Bütikofer (Die Grünen), Tobias Pflüger (Die Linke) und Michael Theurer (FDP) stellten sich unter der Moderation von Chefredakteur Hans-Jörg Wiedenhaus und Politikchef Wilhelm Hölkemeier den Fragen der Schüler.
Und diese gab es reichlich. Was sie denn vom doppelten Standort des EU-Parlaments – Brüssel und Straßburg – und dem damit verbundenen Wanderzirkus für die vielen Mitarbeiter hielten?, wollte Annalena Lipp von den EU-Kandidaten wissen. Auch Positionen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise, der Forderung nach Mindestlöhnen, der Gentechnik und der möglichen Erweiterung der Union durch den Beitrittskandidaten Türkei interessierten. Ebenso das Thema Bildung.
Das lag auch Alina Eisele aus Salach am Herzen. „Wir wissen, dass Europa für uns eine große Chance ist im Bereich Studium und Beruf“ – vorausgesetzt die Abschlüsse werden auch EU-weit anerkannt.
Dass es hier noch Regelungsbedarf gibt, räumte die langjährige SPD-Europapolitikerin Gebhardt freimütig ein. „Wir können uns nicht für ein freies Europa aussprechen und dann bei den Abschlüssen Hürden in den Weg legen“, sagte sie. Inge Grässle sprach sich deshalb für eine Vergleichbarkeit von Abschlüssen aus. Ein Binnenmarkt, auf dem ein Handwerker mit einer dreijährigen Ausbildung in direkter Konkurrenz zu einem Kollegen stehe, der gerade einmal eine dreimonatige Unterweisung habe, könne nicht funktionieren.
Das sah Michael Theurer, bisher Oberbürgermeister in Horb und nun auf Platz acht der FDP-Liste, anders. „Ich will keine Gleichmacherei“, sagte er – schon deshalb nicht, weil er an dem in Deutschland bewährten System der dualen Ausbildung festhalten wolle.
Unterschiede zwischen den Parteien zeigten sich auch an anderer Stelle: Während der bisherige Parteichef der Grünen, Reinhard Bütikofer, beispielsweise klar gegen genmanipulierte Nahrungsmittel votierte, sprach sich die CDU-Haushaltsexpertin im Europäischen Parlament, Inge Grässle, gegen ein Verbot und für eine klare Kennzeichnungspflicht aus. „Wir können es uns nicht leisten, auf solch eine Zukunftstechnologie zu verzichten,“ sagte sie – wissend, dass die überwiegende Mehrheit der Bundesbürger anderer Meinung ist.
Unterschiedliche Blickwinkel wurden auch beim Thema Erweiterung der EU durch die Türkei deutlich. Europa dürfe kein „exklusiver Club, schon gar kein exklusiver Christenclub“ werden, sagte Bütikofer und bezog damit Position gegen die CDU-Politikerin Grässle, die sich gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei aussprach. Einen „Beitritt light“, wie bei Bulgarien und Rumänien, dürfe es mit einem so großen Land wie der Türkei nicht geben. Dass die jüngsten EU-Staaten die strengen Beitrittskriterien nicht erfüllten, merke sie als Haushaltsexpertin fast jeden Tag.
Für die Unions-Politikerin ist das Thema Türkei deshalb eine „Schlüsselfrage der EU“. Tobias Pflüger von der Links-Partei nennt die Äußerung der Union dagegen „reinen Populismus“. Ein Beitritt der Türkei stehe nicht auf der Tagesordnung, auch nicht in der kommenden Legislaturperiode. Zu groß seien die im EU-Fortschrittsbericht beschriebenen Defizite. Doch Pflüger warnt, eine Erweiterung nur unter wirtschaftlichen und geostrategischen Gesichtspunkten zu betrachten. Die mit der Aufnahme eines Staates in die EU verbundene Demokratisierung eines Landes – und im Fall der Türkei auch einer Armee – ist für ihn von zentraler Bedeutung.
Die Unterschiede wurden von den Gymnasiasten durchaus registriert, nicht nur in den Sachfragen. „Man merkt, wer schon länger im EU-Geschäft ist“, hält Max, ein Schüler des Scholl-Gymnasiums fest. Auch wie schwierig es ist, mit 27 Staaten Politik zu machen, ist Adrian, einem Schüler des Albert-Einsteins-Gymnasium, nicht entgangen: „Am Thema Mindestlohn wird deutlich, wie schwer es ist, in allen Ländern der EU alles gleich zu regeln. Gleichzeitig wird klar, dass auch nicht immer alles in allen Ländern gleich sein kann.“
Tobias Pflüger - 2009/05/14 14:38
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