Wahlkampf für oder gegen Europa? Die Linke in Kassel
In: Nordhessische.de, 06.06.09
Kassel (jd) - In Kassel plakatierte "Die Linke" bisher die wenig ambitioniert wirkenden Plakate, die etwa eine Millionärssteuer fordern und Lothar Bisky als Kandidaten anpreisen. So wie die Plakate Ausdruck eines allgemeinen Desinteresses an Europa auszudrücken scheinen, so konnte man das bisherige Stillhalten dieser Partei im müden Wahlkampf ebenso interpretieren. Dann gab es aber doch noch eine Wahlkampfveranstaltung.
"Die Linke" lud gestern Abend – quasi auf den letzten Drücker - die zwei Kandidaten Tobias Pflüger und Sidar Aydinlik-Demirdögen zu einer Wahlkampfveranstaltung im Philipp-Scheidemann-Haus ein. Die beiden stehen auf den eher unsicheren Plätzen der Liste, repräsentieren aber aufgrund ihrer politischen Herkunft ein politisches Potential, das in Kassel mobilisierungsfähig ist.
Kasseler Heimspiel
Tatsächlich war der Saal bis zum letzten Platz besetzt. Die Moderatorin, die hessische Landtagsabgeordnete Marjana Schott, unterstrich kumpelhaft den engen Schulterschluss der nordhessischen Linken mit den beiden geladenen Politiker/innen sowie mit der Friedensbewegung und der VVN. Die mit Pflüger politisch verbundenen führenden Kasseler Protagonisten der beiden Organisationen waren beide unter den Besuchern.
Angesichts der bei aller Gelegenheit in den Medien behaupteten europafeindlichen Haltung der Linken sollte dieser Abend wohl dazu beitragen, sich der richtigen Interpretation europäischer Politik zu versichern. Der mit viel Eingangsapplaus bedachte Abgeordnete Pflüger legte seine Vorbehalte gegen die aktuelle Ausrichtung der europäischen Politik dar, die in eine grundsätzliche Kritik am Lissabonner Vertag mündete.
Gegen Militarisierung und Neoliberalimus
Pflüger lehnt den Vertrag ab. Er weiß, von was er spricht, und betonte mehrmals, dass er sich im Gegensatz zu vielen anderen in Details des Vertrags auskenne. Die einzelnen Artikel benennend, legte er seine Vorbehalte gegen das Vertragswerk dar. Diese liegen vor allem in der rechtlichen Kodifizierung Europas als Binnenmarkt und der Festschreibung militärischer Rahmenbedingungen.
Erstes stehe für Neoliberalismus, Zweites für Militarisierung der Politik. Die Linke findet das nicht gut. Die Verpflichtung zur Verbesserung der militärischen Fähigkeiten, die Einrichtung einer Verteidigungsagentur und die so genannte Solidaritätsklausel, die den Militäreinsatz auch im Inneren ermögliche, waren die Hauptkritikpunkte Pflügers.
Pflüger beklagte eine de facto bestehende große Koalition auf der europäischen Ebene, musste dann aber eingestehen, dass im Parlament doch auch andere Mehrheiten möglich sind, wie das Beispiel der Zurückweisung der Arbeitsrichtlinien durch das europäische Parlament zeige.
Sozialer Schutz für Flüchtlinge
Die Kandidatin Aydinlik-Demirdögen legte den Schwerpunkt ihrer Kritik auf die ihrer Meinung nach unmenschliche Ausgestaltung der europäischen Einwanderungs- und Abgrenzungspolitik und auf die rechtlich fragwürdige und jeder parlamentarischen Kontrolle entzogenen Flüchtlingsbekämpfungsagentur Frontex.
Durch das Grenzregime Europas seien seit 1987 rund 12.000 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Statt soziale Sicherheit zu erfahren würden die Flüchtlinge aus den Elends- und Kriegsgebieten in aller Welt bekämpft und in einem Status der Rechtlosigkeit gehalten. Diese Rechtlosigkeit führe etwa in Spanien zur massiven Ausbeutung auf den dortigen Obst- und Gemüseplantagen.
Bei soviel Kritik an der europäischen Politik blieb zwar auch die Frage nach positiven Bezügen nicht aus, jedoch bleiben die beiden Politiker im Wesentlichen bei ihren kritischen Einschätzungen. Bei der förmlich zu spürenden Europaskepsis im Publikum konnten sich die Podiumsteilnehmer mit dem Publikum eins wissen. In diesem Sinne eine gelungene Veranstaltung.
Kassel (jd) - In Kassel plakatierte "Die Linke" bisher die wenig ambitioniert wirkenden Plakate, die etwa eine Millionärssteuer fordern und Lothar Bisky als Kandidaten anpreisen. So wie die Plakate Ausdruck eines allgemeinen Desinteresses an Europa auszudrücken scheinen, so konnte man das bisherige Stillhalten dieser Partei im müden Wahlkampf ebenso interpretieren. Dann gab es aber doch noch eine Wahlkampfveranstaltung.
"Die Linke" lud gestern Abend – quasi auf den letzten Drücker - die zwei Kandidaten Tobias Pflüger und Sidar Aydinlik-Demirdögen zu einer Wahlkampfveranstaltung im Philipp-Scheidemann-Haus ein. Die beiden stehen auf den eher unsicheren Plätzen der Liste, repräsentieren aber aufgrund ihrer politischen Herkunft ein politisches Potential, das in Kassel mobilisierungsfähig ist.
Kasseler Heimspiel
Tatsächlich war der Saal bis zum letzten Platz besetzt. Die Moderatorin, die hessische Landtagsabgeordnete Marjana Schott, unterstrich kumpelhaft den engen Schulterschluss der nordhessischen Linken mit den beiden geladenen Politiker/innen sowie mit der Friedensbewegung und der VVN. Die mit Pflüger politisch verbundenen führenden Kasseler Protagonisten der beiden Organisationen waren beide unter den Besuchern.
Angesichts der bei aller Gelegenheit in den Medien behaupteten europafeindlichen Haltung der Linken sollte dieser Abend wohl dazu beitragen, sich der richtigen Interpretation europäischer Politik zu versichern. Der mit viel Eingangsapplaus bedachte Abgeordnete Pflüger legte seine Vorbehalte gegen die aktuelle Ausrichtung der europäischen Politik dar, die in eine grundsätzliche Kritik am Lissabonner Vertag mündete.
Gegen Militarisierung und Neoliberalimus
Pflüger lehnt den Vertrag ab. Er weiß, von was er spricht, und betonte mehrmals, dass er sich im Gegensatz zu vielen anderen in Details des Vertrags auskenne. Die einzelnen Artikel benennend, legte er seine Vorbehalte gegen das Vertragswerk dar. Diese liegen vor allem in der rechtlichen Kodifizierung Europas als Binnenmarkt und der Festschreibung militärischer Rahmenbedingungen.
Erstes stehe für Neoliberalismus, Zweites für Militarisierung der Politik. Die Linke findet das nicht gut. Die Verpflichtung zur Verbesserung der militärischen Fähigkeiten, die Einrichtung einer Verteidigungsagentur und die so genannte Solidaritätsklausel, die den Militäreinsatz auch im Inneren ermögliche, waren die Hauptkritikpunkte Pflügers.
Pflüger beklagte eine de facto bestehende große Koalition auf der europäischen Ebene, musste dann aber eingestehen, dass im Parlament doch auch andere Mehrheiten möglich sind, wie das Beispiel der Zurückweisung der Arbeitsrichtlinien durch das europäische Parlament zeige.
Sozialer Schutz für Flüchtlinge
Die Kandidatin Aydinlik-Demirdögen legte den Schwerpunkt ihrer Kritik auf die ihrer Meinung nach unmenschliche Ausgestaltung der europäischen Einwanderungs- und Abgrenzungspolitik und auf die rechtlich fragwürdige und jeder parlamentarischen Kontrolle entzogenen Flüchtlingsbekämpfungsagentur Frontex.
Durch das Grenzregime Europas seien seit 1987 rund 12.000 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Statt soziale Sicherheit zu erfahren würden die Flüchtlinge aus den Elends- und Kriegsgebieten in aller Welt bekämpft und in einem Status der Rechtlosigkeit gehalten. Diese Rechtlosigkeit führe etwa in Spanien zur massiven Ausbeutung auf den dortigen Obst- und Gemüseplantagen.
Bei soviel Kritik an der europäischen Politik blieb zwar auch die Frage nach positiven Bezügen nicht aus, jedoch bleiben die beiden Politiker im Wesentlichen bei ihren kritischen Einschätzungen. Bei der förmlich zu spürenden Europaskepsis im Publikum konnten sich die Podiumsteilnehmer mit dem Publikum eins wissen. In diesem Sinne eine gelungene Veranstaltung.
Tobias Pflüger - 2009/06/10 10:55
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