Wer wie gewählt hat
Europawahl in Deutschland: Wie Katholiken, Protestanten und Konfessionslose wählten und wie die christlichen Kleinparteien abschnitten.
Artikel erschienen in: Katholischer Nachrichtendienst, 09.06.2009
Berlin/Strassburg (kath.net/idea) Dass die Unionsparteien bei der Europawahl mit Abstand die stärkste politische Kraft in Deutschland geblieben sind, verdanken sie vor allem katholischen Wählern. Allerdings verlor die Union im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren unter Katholiken deutlich an Zustimmung. Das geht aus den Umfragen der Wahlforscher von Infratest Dimap (Berlin) und der Forschungsgruppe Wahlen (Mannheim) hervor, deren Zahlen kaum voneinander abweichen.
Laut Infratest dimap haben 51 Prozent aller Katholiken und 37 Prozent der Protestanten ihre Stimme der CDU/CSU gegeben. Von den Konfessionslosen votierten 22 Prozent für die Union. Bundesweit kam die Union auf 37,9 Prozent.
SPD schneidet bei Protestanten überdurchschnittlich gut ab
Die SPD schnitt bei den Protestanten überdurchschnittlich ab: 26 Prozent machten bei den Sozialdemokraten ihr Kreuz. Insgesamt fuhr die SPD mit 20,8 Prozent ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl in Deutschland ein. Bei den Katholiken kam die SPD auf 16 Prozent, bei den Konfessionslosen auf 20 Prozent.
Konfessionslose bevorzugen Grün und Links
Die Konfessionslosen tendieren stark zu Bündnis 90/Die Grünen und der Partei „Die Linke“. Von den Bürgern ohne Kirchenbindung entschieden sich 15 Prozent für die Öko-Partei (Gesamtergebnis 12,1 Prozent) und 18 Prozent für die Linkspartei (7,5 Prozent). „Grün“ wählten 12 Prozent der Protestanten und 10 Prozent der Katholiken. „Die Linke“ erreicht hier 5 bzw. 3 Prozent.
Die FDP findet dagegen bei konfessionell gebundenen und konfessionslosen Wählern eine in etwa gleich starke Zustimmung. Bundesweit kam die Partei auf 11 Prozent. Denselben Anteil erzielte sie auch unter Katholiken und Konfessionslosen. Von den evangelischen Wählern stimmten 12 Prozent für die Liberalen.
Die größten Veränderungen beim Wahlverhalten gegenüber der letzten Europawahl gab es bei den Katholiken. Die Union verlor in diesem Bereich 8 Prozentpunkte. Die FDP gewann bei den Katholiken 6 Prozentpunkte hinzu. Bei Protestanten und Konfessionslosen lagen die Verluste der CDU/CSU bei 5 Prozent. Im selben Maße legte die FDP bei diesen Gruppen zu.
PBC, Christliche Mitte und AUF-Partei erreichen zusammen 0,6 Prozent
Die drei bei der Europawahl am 7. Juni angetretenen christlichen Kleinparteien in Deutschland haben einen Stimmenanteil von zusammen 0,6 Prozent erreicht. Die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) erhielt 80.789 Stimmen (0,3 Prozent) und verschlechterte sich damit um 0,1 Prozentpunkte gegenüber der Wahl 2004. Die stark katholisch geprägte „Christliche Mitte“ kam auf 39.886 Stimmen und verlor rund 6.000 Stimmen, konnte ihren prozentualen Anteil von 0,2 Prozent aber halten. Die erstmals angetretene AUF-Partei für Arbeit, Umwelt und Familie – Christen für Deutschland erhielt 37.834 Stimmen (0,1 Prozent). Damit scheiterten alle drei Parteien an der 0,5 Prozent-Hürde, um die Wahlkampfkosten erstattet zu bekommen.
Dieses Ziel erreichte die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), in der sich ebenfalls viele Christen engagieren. In Bayern erreichte die ÖDP 2,1 Prozent der Stimmen. Der PBC-Bundesvorsitzende Ole Steffes (Dresden) erklärte die Verluste seiner Partei damit, dass ihr die im Januar 2008 gegründete AUF-Partei Stimmen weggenommen habe. Zwar hätten beide Parteien zusammen mehr Stimmen als die PBC bei der Wahl 2004. „Im Grunde aber haben beide verloren“, so Steffes. Die christlichen Kräfte seien insgesamt geschwächt.
Der Vorsitzende der AUF-Partei, Peter Schneider (Volkenroda/Thüringen), wies den Vorwurf zurück, der PBC Stimmen weggenommen zu haben. Analysen hätten ergeben, dass die AUF-Partei neue christliche Wähler erreiche. Bisher mit der Politik unzufriedene Christen hätten eine neue politische Heimat gefunden. Außerdem hätten nur wenige Christen die PBC verlassen, um sich der AUF-Partei anzuschließen. Schneider räumte ein, dass er ein besseres Ergebnis erhofft habe. Er wertete es jedoch als Erfolg, dass die AUF-Partei bei den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland auf Anhieb ein Kreistagsmandat sowie neun Gemeinderats- und Ortsratsmandate errungen habe.
Pfarrer zieht für „Die Linke“ ins Europaparlament ein
Der evangelische Pfarrer Jürgen Klute (Herne) zieht für die Partei „Die Linke“ ins Europaparlament ein. Der 55-Jährige war in Nordrhein-Westfalen Spitzenkandidat der Linkspartei und stand auf Platz 6 der Bundesliste. „Die Linke“ kam nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis bundesweit auf 7,5 Prozent der Stimmen (2004: 6,1 Prozent) und hat künftig im Europaparlament acht Sitze. In Nordrhein-Westfalen erreichte die Linkspartei 4,6 Prozent (2004: 2,1 Prozent). In Klutes Heimatstadt Herne konnte die Partei ihr Ergebnis mit 7,4 Prozent mehr als verdoppeln.
Der Theologe ist seit 2007 an der Evangelischen Stadtakademie Bochum tätig und seit 2005 parteipolitisch aktiv. Damals trat er in die „Wahlalternative Arbeit Soziale Gerechtigkeit (WASG) ein, für die er im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf Spitzenkandidat war. 2007 vereinigten sich die WASG und die SED-Nachfolgepartei PDS zur Partei „Die Linke“. Seither gehört der Pfarrer zum Bundesvorstand. Der Leiter der Evangelischen Stadtakademie Bochum, Arno Lohmann, sagte gegenüber idea, er freue sich für Klute über den Wahlsieg. Er sei überzeugt, dass sich dieser als Europaabgeordneter und als evangelischer Pfarrer für eine verantwortliche Sozialpolitik einsetzen werde. Allerdings habe er seinem Kollegen „mit einem weinenden Auge“ gratuliert, denn die Akademie verliere einen guten Mitarbeiter. „Die Linke“ wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Wie es im aktuellen Verfassungsschutzbericht heißt, liegen „zahlreiche tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen der Partei vor“.
Theologen unterzeichnen Wahlaufruf in Kommunistenblatt
Einen in der kommunistischen Zeitung „Junge Welt“ (Berlin) veröffentlichten Wahlaufruf für den Europaparlamentarier Tobias Pflüger (Die Linke) haben auch evangelische Theologen unterschrieben. Zu den Unterzeichnern gehörte neben Pfarrer Klute der Theologieprofessor Ulrich Duchrow (Heidelberg). Der Tübinger Politikwissenschaftler Pflüger, der 1965 als Sohn eines Pfarrers und einer Katechetin geboren wurde, stand auf Platz zehn der Bundesliste seiner Partei. Er wird künftig nicht mehr im Europaparlament sitzen. 2004 war er für die PDS in das Parlament eingezogen.
Artikel erschienen in: Katholischer Nachrichtendienst, 09.06.2009
Berlin/Strassburg (kath.net/idea) Dass die Unionsparteien bei der Europawahl mit Abstand die stärkste politische Kraft in Deutschland geblieben sind, verdanken sie vor allem katholischen Wählern. Allerdings verlor die Union im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren unter Katholiken deutlich an Zustimmung. Das geht aus den Umfragen der Wahlforscher von Infratest Dimap (Berlin) und der Forschungsgruppe Wahlen (Mannheim) hervor, deren Zahlen kaum voneinander abweichen.
Laut Infratest dimap haben 51 Prozent aller Katholiken und 37 Prozent der Protestanten ihre Stimme der CDU/CSU gegeben. Von den Konfessionslosen votierten 22 Prozent für die Union. Bundesweit kam die Union auf 37,9 Prozent.
SPD schneidet bei Protestanten überdurchschnittlich gut ab
Die SPD schnitt bei den Protestanten überdurchschnittlich ab: 26 Prozent machten bei den Sozialdemokraten ihr Kreuz. Insgesamt fuhr die SPD mit 20,8 Prozent ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl in Deutschland ein. Bei den Katholiken kam die SPD auf 16 Prozent, bei den Konfessionslosen auf 20 Prozent.
Konfessionslose bevorzugen Grün und Links
Die Konfessionslosen tendieren stark zu Bündnis 90/Die Grünen und der Partei „Die Linke“. Von den Bürgern ohne Kirchenbindung entschieden sich 15 Prozent für die Öko-Partei (Gesamtergebnis 12,1 Prozent) und 18 Prozent für die Linkspartei (7,5 Prozent). „Grün“ wählten 12 Prozent der Protestanten und 10 Prozent der Katholiken. „Die Linke“ erreicht hier 5 bzw. 3 Prozent.
Die FDP findet dagegen bei konfessionell gebundenen und konfessionslosen Wählern eine in etwa gleich starke Zustimmung. Bundesweit kam die Partei auf 11 Prozent. Denselben Anteil erzielte sie auch unter Katholiken und Konfessionslosen. Von den evangelischen Wählern stimmten 12 Prozent für die Liberalen.
Die größten Veränderungen beim Wahlverhalten gegenüber der letzten Europawahl gab es bei den Katholiken. Die Union verlor in diesem Bereich 8 Prozentpunkte. Die FDP gewann bei den Katholiken 6 Prozentpunkte hinzu. Bei Protestanten und Konfessionslosen lagen die Verluste der CDU/CSU bei 5 Prozent. Im selben Maße legte die FDP bei diesen Gruppen zu.
PBC, Christliche Mitte und AUF-Partei erreichen zusammen 0,6 Prozent
Die drei bei der Europawahl am 7. Juni angetretenen christlichen Kleinparteien in Deutschland haben einen Stimmenanteil von zusammen 0,6 Prozent erreicht. Die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) erhielt 80.789 Stimmen (0,3 Prozent) und verschlechterte sich damit um 0,1 Prozentpunkte gegenüber der Wahl 2004. Die stark katholisch geprägte „Christliche Mitte“ kam auf 39.886 Stimmen und verlor rund 6.000 Stimmen, konnte ihren prozentualen Anteil von 0,2 Prozent aber halten. Die erstmals angetretene AUF-Partei für Arbeit, Umwelt und Familie – Christen für Deutschland erhielt 37.834 Stimmen (0,1 Prozent). Damit scheiterten alle drei Parteien an der 0,5 Prozent-Hürde, um die Wahlkampfkosten erstattet zu bekommen.
Dieses Ziel erreichte die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), in der sich ebenfalls viele Christen engagieren. In Bayern erreichte die ÖDP 2,1 Prozent der Stimmen. Der PBC-Bundesvorsitzende Ole Steffes (Dresden) erklärte die Verluste seiner Partei damit, dass ihr die im Januar 2008 gegründete AUF-Partei Stimmen weggenommen habe. Zwar hätten beide Parteien zusammen mehr Stimmen als die PBC bei der Wahl 2004. „Im Grunde aber haben beide verloren“, so Steffes. Die christlichen Kräfte seien insgesamt geschwächt.
Der Vorsitzende der AUF-Partei, Peter Schneider (Volkenroda/Thüringen), wies den Vorwurf zurück, der PBC Stimmen weggenommen zu haben. Analysen hätten ergeben, dass die AUF-Partei neue christliche Wähler erreiche. Bisher mit der Politik unzufriedene Christen hätten eine neue politische Heimat gefunden. Außerdem hätten nur wenige Christen die PBC verlassen, um sich der AUF-Partei anzuschließen. Schneider räumte ein, dass er ein besseres Ergebnis erhofft habe. Er wertete es jedoch als Erfolg, dass die AUF-Partei bei den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland auf Anhieb ein Kreistagsmandat sowie neun Gemeinderats- und Ortsratsmandate errungen habe.
Pfarrer zieht für „Die Linke“ ins Europaparlament ein
Der evangelische Pfarrer Jürgen Klute (Herne) zieht für die Partei „Die Linke“ ins Europaparlament ein. Der 55-Jährige war in Nordrhein-Westfalen Spitzenkandidat der Linkspartei und stand auf Platz 6 der Bundesliste. „Die Linke“ kam nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis bundesweit auf 7,5 Prozent der Stimmen (2004: 6,1 Prozent) und hat künftig im Europaparlament acht Sitze. In Nordrhein-Westfalen erreichte die Linkspartei 4,6 Prozent (2004: 2,1 Prozent). In Klutes Heimatstadt Herne konnte die Partei ihr Ergebnis mit 7,4 Prozent mehr als verdoppeln.
Der Theologe ist seit 2007 an der Evangelischen Stadtakademie Bochum tätig und seit 2005 parteipolitisch aktiv. Damals trat er in die „Wahlalternative Arbeit Soziale Gerechtigkeit (WASG) ein, für die er im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf Spitzenkandidat war. 2007 vereinigten sich die WASG und die SED-Nachfolgepartei PDS zur Partei „Die Linke“. Seither gehört der Pfarrer zum Bundesvorstand. Der Leiter der Evangelischen Stadtakademie Bochum, Arno Lohmann, sagte gegenüber idea, er freue sich für Klute über den Wahlsieg. Er sei überzeugt, dass sich dieser als Europaabgeordneter und als evangelischer Pfarrer für eine verantwortliche Sozialpolitik einsetzen werde. Allerdings habe er seinem Kollegen „mit einem weinenden Auge“ gratuliert, denn die Akademie verliere einen guten Mitarbeiter. „Die Linke“ wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Wie es im aktuellen Verfassungsschutzbericht heißt, liegen „zahlreiche tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen der Partei vor“.
Theologen unterzeichnen Wahlaufruf in Kommunistenblatt
Einen in der kommunistischen Zeitung „Junge Welt“ (Berlin) veröffentlichten Wahlaufruf für den Europaparlamentarier Tobias Pflüger (Die Linke) haben auch evangelische Theologen unterschrieben. Zu den Unterzeichnern gehörte neben Pfarrer Klute der Theologieprofessor Ulrich Duchrow (Heidelberg). Der Tübinger Politikwissenschaftler Pflüger, der 1965 als Sohn eines Pfarrers und einer Katechetin geboren wurde, stand auf Platz zehn der Bundesliste seiner Partei. Er wird künftig nicht mehr im Europaparlament sitzen. 2004 war er für die PDS in das Parlament eingezogen.
Tobias Pflüger - 2009/06/22 14:45
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