Inszenierung gestört
Pressebericht in junge Welt, 22.07.2009
Rekrutengelöbnis der Bundeswehr vorm Berliner Reichstag fand im »Ausnahmezustand« statt. Antimilitaristen kritisieren »simulierte Demokratie«
»No War« steht, nachdem die Gelöbnistruppen der Bundeswehr längst abgezogen sind, in Großbuchstaben auf dem Reichstagsrasen. Wahrscheinlich mit Hilfe von Unkrautvernichtungsmittel hatten Antimilitaristen die Parole schon vor Tagen auf dem Grün aufgebracht. Am Montag, dem 20. Juli selbst, herrschte Ausnahmezustand vor dem Parlamentsgebäude: 1500 Polizisten und Feldjäger schirmten das Gelöbnis der 400 Rekruten des Wachbataillons vor der Öffentlichkeit ab. Zutritt fanden nur knapp 2400 geladene »Ehrengäste«. Verteidigungssminister Franz Josef Jung und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) stimmten die Rekruten auf Auslandseinsätze in Krisen- und Kriegsgebieten ein: Sicherheit und Stabilität müßten, »wenn es sein muß, auch weit entfernt von Deutschland« geschützt werden, so Merkel. Auf die jüngsten zivilen Opfer des Afghanistan-Einsatzes gingen die Politiker mit keinem Wort ein.
Zum Opfer der Bundeswehr gerät aber auch die Demokratie im Inland: Erstmals seit 1996, als das erste »öffentliche« Gelöbnis in Berlin stattfand, waren Demonstrationen dagegen verboten. Nur eine Kundgebung am Potsdamer Platz durfte stattfinden, einen Kilometer vom Reichstag entfernt. Der Repressalie ging eine Medienhetze voraus, die den Veranstalter, das »Gelöbnix«-Bündnis, für jede tatsächliche oder vermeintliche Straftat zu Lasten der Bundeswehr in den letzten Monaten verantwortlich machte. Auch anonyme Flugblätter mußten als Begründung dafür herhalten, daß die geplante Demo als »Gefahr für die öffentliche Sicherheit« galt. Das Oberverwaltungsgericht hatte am Montag nachmittag die Beschwerde von »Gelöbnix« zurückgewiesen.
Aus Empörung über diesen Demokratieabbau hatten mehre Personen spontane Kundgebungen unter dem Motto »Versammlungsrecht verteidigen« angemeldet, die ebenfalls verboten oder mit massiven Auflagen bedacht worden waren. »Polizei und Gerichte wollten, daß Demokratie nur noch simuliert werden kann«, kommentierte das Bündnis in einer Presseerklärung.
Die Stimmung auf der Protestkundgebung, an der rund 400 Menschen teilnahmen, war kämpferisch: Das Gelöbnis wurde in Redebeiträgen als »Parade der Ehrlosen, Verbrecher und Totschläger« kritisiert. Unter anderem sprachen Heinrich Fink (VVN-BdA), der Politikwissenschaftler und Aktivist Peter Grottian und der soeben aus dem Europaparlament ausgeschiedene Politiker Tobias Pflüger (Die Linke). Nach einer Stunde wurde die Kundgebung schon beendet. Die Teilnehmer setzten um, was die Polizei vor Gericht als größtes Risiko beschrieben hatte: das »Diffundieren« kleiner Gruppen in den Tiergarten, sprich: das Einsickern in den Hochsicherheitsbereich. Einige hundert Antimilitaristen mischten sich zu Fuß und per Fahrrad unter Touristen und Spaziergänger. Auch die Polizei war mit Fahrradeinheiten unterwegs. Gegen 20 Uhr, als die Rekruten die Gelöbnisformel sprachen, erschollen »Mörder«-Rufe aus dem Tiergarten, die, wie spiegel-online berichtete, bis zum Reichstag zu hören waren. Die Polizei ging sofort auf die Demonstranten los, entriß ihnen ein Transparent und erteilte Platzverweise. Zwei Personen wurden wegen »Beleidigung« festgenommen.
In einer Abschlußerklärung zeigte sich das »Gelöbnix«-Bündnis, trotz der vergleichsweise geringen Zahl von Demonstranten, zufrieden damit, daß der Anspruch der Bundeswehr, »sich mit einem öffentlichen Gelöbnis in Szene zu setzen«, fehlgeschlagen sei.
Rekrutengelöbnis der Bundeswehr vorm Berliner Reichstag fand im »Ausnahmezustand« statt. Antimilitaristen kritisieren »simulierte Demokratie«
»No War« steht, nachdem die Gelöbnistruppen der Bundeswehr längst abgezogen sind, in Großbuchstaben auf dem Reichstagsrasen. Wahrscheinlich mit Hilfe von Unkrautvernichtungsmittel hatten Antimilitaristen die Parole schon vor Tagen auf dem Grün aufgebracht. Am Montag, dem 20. Juli selbst, herrschte Ausnahmezustand vor dem Parlamentsgebäude: 1500 Polizisten und Feldjäger schirmten das Gelöbnis der 400 Rekruten des Wachbataillons vor der Öffentlichkeit ab. Zutritt fanden nur knapp 2400 geladene »Ehrengäste«. Verteidigungssminister Franz Josef Jung und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) stimmten die Rekruten auf Auslandseinsätze in Krisen- und Kriegsgebieten ein: Sicherheit und Stabilität müßten, »wenn es sein muß, auch weit entfernt von Deutschland« geschützt werden, so Merkel. Auf die jüngsten zivilen Opfer des Afghanistan-Einsatzes gingen die Politiker mit keinem Wort ein.
Zum Opfer der Bundeswehr gerät aber auch die Demokratie im Inland: Erstmals seit 1996, als das erste »öffentliche« Gelöbnis in Berlin stattfand, waren Demonstrationen dagegen verboten. Nur eine Kundgebung am Potsdamer Platz durfte stattfinden, einen Kilometer vom Reichstag entfernt. Der Repressalie ging eine Medienhetze voraus, die den Veranstalter, das »Gelöbnix«-Bündnis, für jede tatsächliche oder vermeintliche Straftat zu Lasten der Bundeswehr in den letzten Monaten verantwortlich machte. Auch anonyme Flugblätter mußten als Begründung dafür herhalten, daß die geplante Demo als »Gefahr für die öffentliche Sicherheit« galt. Das Oberverwaltungsgericht hatte am Montag nachmittag die Beschwerde von »Gelöbnix« zurückgewiesen.
Aus Empörung über diesen Demokratieabbau hatten mehre Personen spontane Kundgebungen unter dem Motto »Versammlungsrecht verteidigen« angemeldet, die ebenfalls verboten oder mit massiven Auflagen bedacht worden waren. »Polizei und Gerichte wollten, daß Demokratie nur noch simuliert werden kann«, kommentierte das Bündnis in einer Presseerklärung.
Die Stimmung auf der Protestkundgebung, an der rund 400 Menschen teilnahmen, war kämpferisch: Das Gelöbnis wurde in Redebeiträgen als »Parade der Ehrlosen, Verbrecher und Totschläger« kritisiert. Unter anderem sprachen Heinrich Fink (VVN-BdA), der Politikwissenschaftler und Aktivist Peter Grottian und der soeben aus dem Europaparlament ausgeschiedene Politiker Tobias Pflüger (Die Linke). Nach einer Stunde wurde die Kundgebung schon beendet. Die Teilnehmer setzten um, was die Polizei vor Gericht als größtes Risiko beschrieben hatte: das »Diffundieren« kleiner Gruppen in den Tiergarten, sprich: das Einsickern in den Hochsicherheitsbereich. Einige hundert Antimilitaristen mischten sich zu Fuß und per Fahrrad unter Touristen und Spaziergänger. Auch die Polizei war mit Fahrradeinheiten unterwegs. Gegen 20 Uhr, als die Rekruten die Gelöbnisformel sprachen, erschollen »Mörder«-Rufe aus dem Tiergarten, die, wie spiegel-online berichtete, bis zum Reichstag zu hören waren. Die Polizei ging sofort auf die Demonstranten los, entriß ihnen ein Transparent und erteilte Platzverweise. Zwei Personen wurden wegen »Beleidigung« festgenommen.
In einer Abschlußerklärung zeigte sich das »Gelöbnix«-Bündnis, trotz der vergleichsweise geringen Zahl von Demonstranten, zufrieden damit, daß der Anspruch der Bundeswehr, »sich mit einem öffentlichen Gelöbnis in Szene zu setzen«, fehlgeschlagen sei.
Tobias Pflüger - 2009/07/22 14:48
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