Panzer neben Eselskarren
Pressebericht, in: Schwäbisches Tagblatt, 26.09.2009
Bei einem Podium der Linken forderten die Teilnehmer, die deutschen Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Das Militär könne dort keine zivilen Strukturen aufbauen.
Christina Kyriasoglou
Tübingen. Selbst der amerikanische General James Jones, mittlerweile nationaler Sicherheitsberater unter Präsident Obama, habe nicht an den Sieg geglaubt. „Er begrüßte uns mit den Worten: Meine Herren, die Nato wird diesen Krieg verlieren“, sagte Andreas Zumach, freier Journalist, beim Podium der Linkspartei am Donnerstagabend. Laut Jones sei der Drogenhandel Schuld. Von dem Geld kauften die Taliban und Warlords Waffen. Der General hatte Zumach zu einem Gespräch in Afghanistan eingeladen, bei dem er Journalisten informierte.
Zu der Diskussion hatte die Bundestagsabgeordnete der Linken Heike Hänsel zwei weitere Redner im Schlatterhaus begrüßt: den früheren Europa-Abgeordneten Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung und Karl Weiß, der seit über 40 Jahren in der Entwicklungshilfe arbeitet.
94 Prozent des Heroins auf dem Weltmarkt kämen aus Afghanistan, 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes würden mit Drogenhandel erwirtschaftet, sagte Zumach. Das Problem könne man nur so in den Griff bekommen: „Ich weiß, dass es ein Tabu-Thema ist. Der Heroinhandel muss aber legalisiert werden. Es wird nur so viel Geld damit gemacht, weil er verboten ist.“
Den Kleinbauern, die Opium anbauen, müsse eine Perspektive gegeben werden. „Wir können helfen, in dem wir mit Entwicklungshilfegeldern den Anbau anderer Produkte unterstützen“, so Zumach. Dann seien die Bauern nicht mehr von den Warlords und Milizen abhängig.
Zu wenig Geld fließe außerdem in zivile Arbeit. Die USA gäben beispielsweise nur ein Zehntel des Geldes, das sie für Militär investierten, für zivile Zwecke aus.
Es sei utopisch gewesen zu glauben, man könne von Kabul aus eine zentrale Regierung aufbauen. „Afghanistan hatte noch nie eine zentral funktionierende Regierung, sondern war immer in Regionen organisiert“, sagte Zumach.
Tobias Pflüger las aus der sogenannten Taschenkarte vor, welche die deutschen Soldaten als Leitlinie für ihr Verhalten bekommen. Sie wurde im Juli 2008 geändert. Vorher habe drin gestanden, dass tödliche Gewalt nur erlaubt sei, wenn man direkt angegriffen werde. „Jetzt darf Waffengewalt angewandt werden, wenn ein Angriff nur geplant wird oder sonstiges feindliches Verhalten gezeigt wird“, zitierte er.
Die Nato provoziere viel Gewalt selbst, sagte Pflüger. So berichte ein Gutachten der Bundeswehr über folgenden Vorfall: Obstbäume am Rande einer unübersichtlichen Straße hätten Soldaten bei ihrer Patrouille gestört. Daraufhin hätten sie die Bäume abgeholzt. „Damit haben sie, das schreiben sie selbst im Gutachten, den Menschen ihre Lebensgrundlage weggenommen. Und sie wundern sich, dass bei der nächsten größeren Patrouille Sprengfallen auf der Straße liegen.“
Karl Weiß bemängelte, dass die deutschen Soldaten in ihren Camps vollkommen abgeschnitten seien, da sie keinen Kontakt zur zivilen Bevölkerung haben dürften. Nur zehn oder 15 Prozent machten überhaupt Patrouillen. „Es ist absurd, wie die bewaffneten Panzerwagen neben den Eselskarren fahren. Und mit dem martialischen Verhalten will man dann Herzen gewinnen.“ Militär könne keine zivilen Strukturen schaffen. Das sei schizophren, sagte Weiß. Ein Zuhörer stimmte ihm zu: „Militär zieht Terroristen an, wie die Scheiße Fliegen.“
Ein anderer Gast wollte wissen, wie man sich am besten aus diesem Chaos wieder heraus manövriere. Zumach: „Wir haben in Afghanistan nicht die Wahl zwischen Paradies und Hölle.“ Das Argument, dass bei Abzug das Chaos ausbreche, findet er haltlos. Denn: „Ist das Chaos etwa noch nicht da? Die Afghanen sind auch ein Stück weit für sich selbst verantwortlich.“
Heike Hänsel plädierte am Ende der Diskussion noch einmal für den Abzug: „Die Strategie muss gewechselt werden. Mit unserem Geld sollten wir lieber politische Kräfte in Afghanistan fördern, die ein ganz anderes Land schaffen wollen.“
26.09.2009 - 06:30 Uhr | geändert: 27.09.2009 - 16:58 Uhr
Bei einem Podium der Linken forderten die Teilnehmer, die deutschen Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Das Militär könne dort keine zivilen Strukturen aufbauen.
Christina Kyriasoglou
Tübingen. Selbst der amerikanische General James Jones, mittlerweile nationaler Sicherheitsberater unter Präsident Obama, habe nicht an den Sieg geglaubt. „Er begrüßte uns mit den Worten: Meine Herren, die Nato wird diesen Krieg verlieren“, sagte Andreas Zumach, freier Journalist, beim Podium der Linkspartei am Donnerstagabend. Laut Jones sei der Drogenhandel Schuld. Von dem Geld kauften die Taliban und Warlords Waffen. Der General hatte Zumach zu einem Gespräch in Afghanistan eingeladen, bei dem er Journalisten informierte.
Zu der Diskussion hatte die Bundestagsabgeordnete der Linken Heike Hänsel zwei weitere Redner im Schlatterhaus begrüßt: den früheren Europa-Abgeordneten Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung und Karl Weiß, der seit über 40 Jahren in der Entwicklungshilfe arbeitet.
94 Prozent des Heroins auf dem Weltmarkt kämen aus Afghanistan, 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes würden mit Drogenhandel erwirtschaftet, sagte Zumach. Das Problem könne man nur so in den Griff bekommen: „Ich weiß, dass es ein Tabu-Thema ist. Der Heroinhandel muss aber legalisiert werden. Es wird nur so viel Geld damit gemacht, weil er verboten ist.“
Den Kleinbauern, die Opium anbauen, müsse eine Perspektive gegeben werden. „Wir können helfen, in dem wir mit Entwicklungshilfegeldern den Anbau anderer Produkte unterstützen“, so Zumach. Dann seien die Bauern nicht mehr von den Warlords und Milizen abhängig.
Zu wenig Geld fließe außerdem in zivile Arbeit. Die USA gäben beispielsweise nur ein Zehntel des Geldes, das sie für Militär investierten, für zivile Zwecke aus.
Es sei utopisch gewesen zu glauben, man könne von Kabul aus eine zentrale Regierung aufbauen. „Afghanistan hatte noch nie eine zentral funktionierende Regierung, sondern war immer in Regionen organisiert“, sagte Zumach.
Tobias Pflüger las aus der sogenannten Taschenkarte vor, welche die deutschen Soldaten als Leitlinie für ihr Verhalten bekommen. Sie wurde im Juli 2008 geändert. Vorher habe drin gestanden, dass tödliche Gewalt nur erlaubt sei, wenn man direkt angegriffen werde. „Jetzt darf Waffengewalt angewandt werden, wenn ein Angriff nur geplant wird oder sonstiges feindliches Verhalten gezeigt wird“, zitierte er.
Die Nato provoziere viel Gewalt selbst, sagte Pflüger. So berichte ein Gutachten der Bundeswehr über folgenden Vorfall: Obstbäume am Rande einer unübersichtlichen Straße hätten Soldaten bei ihrer Patrouille gestört. Daraufhin hätten sie die Bäume abgeholzt. „Damit haben sie, das schreiben sie selbst im Gutachten, den Menschen ihre Lebensgrundlage weggenommen. Und sie wundern sich, dass bei der nächsten größeren Patrouille Sprengfallen auf der Straße liegen.“
Karl Weiß bemängelte, dass die deutschen Soldaten in ihren Camps vollkommen abgeschnitten seien, da sie keinen Kontakt zur zivilen Bevölkerung haben dürften. Nur zehn oder 15 Prozent machten überhaupt Patrouillen. „Es ist absurd, wie die bewaffneten Panzerwagen neben den Eselskarren fahren. Und mit dem martialischen Verhalten will man dann Herzen gewinnen.“ Militär könne keine zivilen Strukturen schaffen. Das sei schizophren, sagte Weiß. Ein Zuhörer stimmte ihm zu: „Militär zieht Terroristen an, wie die Scheiße Fliegen.“
Ein anderer Gast wollte wissen, wie man sich am besten aus diesem Chaos wieder heraus manövriere. Zumach: „Wir haben in Afghanistan nicht die Wahl zwischen Paradies und Hölle.“ Das Argument, dass bei Abzug das Chaos ausbreche, findet er haltlos. Denn: „Ist das Chaos etwa noch nicht da? Die Afghanen sind auch ein Stück weit für sich selbst verantwortlich.“
Heike Hänsel plädierte am Ende der Diskussion noch einmal für den Abzug: „Die Strategie muss gewechselt werden. Mit unserem Geld sollten wir lieber politische Kräfte in Afghanistan fördern, die ein ganz anderes Land schaffen wollen.“
26.09.2009 - 06:30 Uhr | geändert: 27.09.2009 - 16:58 Uhr
Tobias Pflüger - 2009/10/27 15:13
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