Ex-EU-Abgeordneter Pflüger hat seine Büros geräumt: Abschied mit Wehmut
Pressebericht in: Schwäbisches Tagblatt, 29.08.2009
Den Wiedereinzug ins Europäische Parlament hat der Tübinger Tobias Pflüger am 7. Juni knapp verpasst. Der Schock ist verdaut, der 44-Jährige tourt jetzt erst einmal in Sachen zweites EU-Referendum durch Irland.
Manfred Hantke
Die Aufhebung der Immunität des einstigen EU-Abgeordneten Tobias Pflüger wegen der angeblichen Polizistenbeleidigung bei der Münchener Sicherheitskonferenz im Jahr 2005 wird am 2. September in der ersten Sitzung des EU-Rechtsausschusses thematisiert. Pflüger geht davon aus, dass sie nicht hätte aufgehoben werden dürfen. Bild: Faden
Tübingen. Fünf Jahre lang saß Tobias Pflüger für die Linke im Europäischen Parlament. Bei der EU-Wahl am 7. Juni scheiterte er als Zehnter auf dem Listenplatz, nur acht Kandidaten schafften für die Linke den Sprung nach Brüssel. Den Schock über den verpassten Wiedereinzug hat der Ex-Abgeordnete überstanden. Er wirkte aufgeräumt, als er am Dienstag in die TAGBLATT-Redaktion kam. Zwei Wochen Urlaub auf den Azoren lagen hinter ihm.
Die Auflösung der Büros in Brüssel, Straßburg und Tübingen ging dem 44-Jährigen nahe. „Das war alles nicht ohne“, sagte er. „Ich war froh, als ich einen politischen Termin hatte.“ Viele Kollegen wollten ihn „unbedingt halten“, sogar in der einflussreichen Verwaltung hatte er am Ende einen „großen Rückhalt“.
Dass er einen „taktischen Fehler“ gemacht hatte, als er im Februar über das TAGBLATT seine Präferenz für den Deutschen Bundestag verlautbarte, ohne zuvor mit der friedensbewegten Basis zu reden, räumte Pflüger ein. Zwar hätte er „relativ schnell“ einen Wahlkreis gefunden, doch der Druck von außen, in der EU weiterzumachen, sei groß gewesen. „An der Basis ging eine Welle los“, so Pflüger. Aber für diejenigen, die ihn nicht wollten, sei es die Gelegenheit gewesen, ihn „abzuschießen“. Pflüger: „Das würde ich heute nicht mehr so machen“. Parteifreundin Sahra Wagenknecht machte es umgekehrt und sprach zuerst mit der Basis: Nun tritt sie zur Wahl am 27. September in Düsseldorf-Süd als Direktkandidatin an und hat gute Chancen, nach Berlin zu kommen.
Auch sechs Mitarbeiter mussten gehen
Ganz von Brüssel weg ist Pflüger immer noch nicht. Er hat seine Nachfolger eingeführt und vorgestellt, kümmert sich immer noch um die E-Mails. Rund 200 pro Tag laufen ein, die für ihn bestimmten würden jedoch immer weniger. Mitte September wird die Technik umgestellt, dann ist er auch aus dem digitalen EU-Postfach gestrichen. Blickt der Initiator der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) auf die fünf EU-Jahre zurück, in denen er insbesondere friedenspolitische Themen bearbeitet hat, gerät er nahezu ins Schwärmen. Die „sehr spannende Auseinandersetzung“ auf internationaler Ebene sei „sehr viel intensiver“ gewesen, als er es bislang in der IMI kennengelernt hatte. „Ein harter Job“ war das. Nicht nur, weil das Europäische Parlament ihm zufolge das einzige voll professionalisierte Parlament sei und keine Sitzungsferien kenne.
Seine Arbeit im Auswärtigen Ausschuss sowie im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung brachte ihn auch in Krisenregionen. Nach Zypern etwa, das ihm ein „Schlüsselerlebnis“ bescherte. Dort unterhalten die Briten immer noch Militärbasen. Pflügers dortige Partner würden die Soldaten gerne nach Hause schicken. Aber wie? „Sehr eindrücklich“ sei der Besuch im Kongo gewesen, wo „ein paar Soldaten“ in dem riesigen Land für Frieden sorgen sollten.
Für eine Illusion hält der Ex-Abgeordnete zwar gewöhnlich den hehren Wunsch, politische Gegner im EU-Parlament zu überzeugen. Doch selbst das sei ihm gelungen. Etwa, als er sich beim Verhaltenskodex für die Waffenausfuhr in den Kosovo nicht für eine Kontrolle, sondern für ein Verbot stark machte. Da habe er auch auf andere einwirken können. Pflüger: „Nur die Waffenlobby stand noch auf.“
Die ist jetzt einen Unbequemen los. Mit ihm mussten sechs Mitarbeiter die Büros in Brüssel und Tübingen räumen. Fast alle sind untergebracht, einer bei einem Bundestagsabgeordneten, ein anderer an der Uni Marburg. Nur für den bisherigen Geschäftsführer der IMI ist noch keine Lösung gefunden. Den auch durch Pflügers finanzieller Unterstützung professionalisierten Verein „gibt’s jetzt so nicht mehr“. So werden Sponsoren und Unterstützer gesucht, um die friedenspolitische Arbeit des seit 1996 existierenden Vereins wie gewohnt fortzusetzen. Pflüger selbst spürt „noch keinen konkreten Druck“ nach einem neuen Job. Bis Ende des Jahres erhält er Übergangsgeld. Vorstellen könnte er sich eine politische Beratertätigkeit für Parteien und für die Antikriegs- und Friedensbewegung. Zunächst aber mischt er sich in Irland ein, wo am 2. Oktober noch einmal über den Lissaboner Vertrag abgestimmt wird. Pflüger bleibt bei seinem Nein.
Den Wiedereinzug ins Europäische Parlament hat der Tübinger Tobias Pflüger am 7. Juni knapp verpasst. Der Schock ist verdaut, der 44-Jährige tourt jetzt erst einmal in Sachen zweites EU-Referendum durch Irland.
Manfred Hantke
Die Aufhebung der Immunität des einstigen EU-Abgeordneten Tobias Pflüger wegen der angeblichen Polizistenbeleidigung bei der Münchener Sicherheitskonferenz im Jahr 2005 wird am 2. September in der ersten Sitzung des EU-Rechtsausschusses thematisiert. Pflüger geht davon aus, dass sie nicht hätte aufgehoben werden dürfen. Bild: Faden
Tübingen. Fünf Jahre lang saß Tobias Pflüger für die Linke im Europäischen Parlament. Bei der EU-Wahl am 7. Juni scheiterte er als Zehnter auf dem Listenplatz, nur acht Kandidaten schafften für die Linke den Sprung nach Brüssel. Den Schock über den verpassten Wiedereinzug hat der Ex-Abgeordnete überstanden. Er wirkte aufgeräumt, als er am Dienstag in die TAGBLATT-Redaktion kam. Zwei Wochen Urlaub auf den Azoren lagen hinter ihm.
Die Auflösung der Büros in Brüssel, Straßburg und Tübingen ging dem 44-Jährigen nahe. „Das war alles nicht ohne“, sagte er. „Ich war froh, als ich einen politischen Termin hatte.“ Viele Kollegen wollten ihn „unbedingt halten“, sogar in der einflussreichen Verwaltung hatte er am Ende einen „großen Rückhalt“.
Dass er einen „taktischen Fehler“ gemacht hatte, als er im Februar über das TAGBLATT seine Präferenz für den Deutschen Bundestag verlautbarte, ohne zuvor mit der friedensbewegten Basis zu reden, räumte Pflüger ein. Zwar hätte er „relativ schnell“ einen Wahlkreis gefunden, doch der Druck von außen, in der EU weiterzumachen, sei groß gewesen. „An der Basis ging eine Welle los“, so Pflüger. Aber für diejenigen, die ihn nicht wollten, sei es die Gelegenheit gewesen, ihn „abzuschießen“. Pflüger: „Das würde ich heute nicht mehr so machen“. Parteifreundin Sahra Wagenknecht machte es umgekehrt und sprach zuerst mit der Basis: Nun tritt sie zur Wahl am 27. September in Düsseldorf-Süd als Direktkandidatin an und hat gute Chancen, nach Berlin zu kommen.
Auch sechs Mitarbeiter mussten gehen
Ganz von Brüssel weg ist Pflüger immer noch nicht. Er hat seine Nachfolger eingeführt und vorgestellt, kümmert sich immer noch um die E-Mails. Rund 200 pro Tag laufen ein, die für ihn bestimmten würden jedoch immer weniger. Mitte September wird die Technik umgestellt, dann ist er auch aus dem digitalen EU-Postfach gestrichen. Blickt der Initiator der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) auf die fünf EU-Jahre zurück, in denen er insbesondere friedenspolitische Themen bearbeitet hat, gerät er nahezu ins Schwärmen. Die „sehr spannende Auseinandersetzung“ auf internationaler Ebene sei „sehr viel intensiver“ gewesen, als er es bislang in der IMI kennengelernt hatte. „Ein harter Job“ war das. Nicht nur, weil das Europäische Parlament ihm zufolge das einzige voll professionalisierte Parlament sei und keine Sitzungsferien kenne.
Seine Arbeit im Auswärtigen Ausschuss sowie im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung brachte ihn auch in Krisenregionen. Nach Zypern etwa, das ihm ein „Schlüsselerlebnis“ bescherte. Dort unterhalten die Briten immer noch Militärbasen. Pflügers dortige Partner würden die Soldaten gerne nach Hause schicken. Aber wie? „Sehr eindrücklich“ sei der Besuch im Kongo gewesen, wo „ein paar Soldaten“ in dem riesigen Land für Frieden sorgen sollten.
Für eine Illusion hält der Ex-Abgeordnete zwar gewöhnlich den hehren Wunsch, politische Gegner im EU-Parlament zu überzeugen. Doch selbst das sei ihm gelungen. Etwa, als er sich beim Verhaltenskodex für die Waffenausfuhr in den Kosovo nicht für eine Kontrolle, sondern für ein Verbot stark machte. Da habe er auch auf andere einwirken können. Pflüger: „Nur die Waffenlobby stand noch auf.“
Die ist jetzt einen Unbequemen los. Mit ihm mussten sechs Mitarbeiter die Büros in Brüssel und Tübingen räumen. Fast alle sind untergebracht, einer bei einem Bundestagsabgeordneten, ein anderer an der Uni Marburg. Nur für den bisherigen Geschäftsführer der IMI ist noch keine Lösung gefunden. Den auch durch Pflügers finanzieller Unterstützung professionalisierten Verein „gibt’s jetzt so nicht mehr“. So werden Sponsoren und Unterstützer gesucht, um die friedenspolitische Arbeit des seit 1996 existierenden Vereins wie gewohnt fortzusetzen. Pflüger selbst spürt „noch keinen konkreten Druck“ nach einem neuen Job. Bis Ende des Jahres erhält er Übergangsgeld. Vorstellen könnte er sich eine politische Beratertätigkeit für Parteien und für die Antikriegs- und Friedensbewegung. Zunächst aber mischt er sich in Irland ein, wo am 2. Oktober noch einmal über den Lissaboner Vertrag abgestimmt wird. Pflüger bleibt bei seinem Nein.
Tobias Pflüger - 2009/10/27 15:24
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