Entwicklungshilfe in Chiapas? - Tobias Pflüger über EU-Projekte und soziale Initiativen
Interview in: Neues Deutschland, 31.03.05
In der Osterwoche haben Sie drei südmexikanische Bundesstaaten bereist. Dabei haben Sie auch als erster EU-Parlamentarier die zapatistische autonome Regierung in Chiapas besucht. Was war der Grund für diese Reise?
Im Auftrag meiner Fraktion, der »Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke«, besuchte ich soziale Initiativen in den drei mexikanischen Bundesstaaten Guerrero, Oaxaca und Chiapas. Menschenrechts-, Umwelt-, Gewerkschafts- und Frauengruppen arbeiten dort unter schwierigsten Bedingungen.
Was haben Sie in den Gesprächen erfahren können?
Zwischen der EU und Mexiko wird inzwischen bereits umfangreich Handel betrieben. Vor allem das im Juli 2000 in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mexiko hat dazu beigetragen. Die darin vertraglich vereinbarte Einhaltung von Menschenrechten bleibt hingegen außen vor. Oppositionsgruppen erfahren beispielsweise in Oaxaca und Guerrero harte Repression, wie willkürliche Inhaftierungen und Demonstrationsverbote seitens der Behörden. In Guerrero besuchte ich einen illegal inhaftierten Umweltaktivisten, ich erreichte eine Verbesserung seiner Situation und es deutete sich eine baldige Freilassung an. In Chiapas besuchte ich vier – willkürlich festgenommene – Gewerkschafter im Gefängnis, dort ist generell eine Militarisierung seitens der Regierung zu beobachten.
Ist die EU in Chiapas entwicklungspolitisch tätig?
Ja. In Chiapas finanziert die EU ein »Projekt zur sozialen, integrierten und nachhaltigen Entwicklung« mit 15 Millionen Euro zur »Verringerung der Armut in der Selva Lacandona«, dem lakandonischen Urwald, wie es offiziell heißt.
Was hat es damit auf sich?
Dieses Projekt ist ein weiterer Mosaikstein einer EU-Politik, die ich schon aus meiner Arbeit im Europaparlament kenne. Mit den »schönen« Worten »nachhaltig«, »sozial« und »integriert« auf ihrem blauen Mäntelchen, versucht sich die EU nun im Schatten der USA in einer höchst lukrativen Region zu etablieren und als »die Guten« zu präsentieren. Ziel ist aber auch die wirtschaftliche Ausbeutung der reichlich vorhandenen natürlichen Ressourcen.
Was sind die konkreten Kritikpunkte?
Zuallererst eine fehlende Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung. Dies ist in diesem konfliktreichen Gebiet äußerst fahrlässig. Das Projekt fußt auf dem Plan, die Region zu »entwickeln«, ohne aber die vorhandenen sozialen, politischen und ökonomischen Konflikte zu erfassen. In Chiapas existieren zwei sich diametral entgegenstehende Realitäten: Auf der einen Seite die Behörden, welche mit Militarisierung und sozialer Spaltungspolitik versuchen, ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen, und auf der anderen Seite autonome Indigenen-Gemeinden, die keine Entwicklungshilfe fordern, sondern die Erfüllung der ihnen zustehenden grundlegenden Menschenrechte und ein Recht auf selbstbestimmte Entwicklung.
Wie geht es weiter mit dem EU-Projekt in Chiapas?
Es wäre politisch klug, ein Moratorium für dieses Projekt auszurufen. Dies habe ich auch von der Vertretung der EU-Kommission in Mexiko gefordert, die sich jedoch wenig aufgeschlossen verhielt. Die ersten Schritte, um das Projekt zu stoppen, sind durch diese Reise aber bereits eingeleitet worden.
Johannes Plotzki
In der Osterwoche haben Sie drei südmexikanische Bundesstaaten bereist. Dabei haben Sie auch als erster EU-Parlamentarier die zapatistische autonome Regierung in Chiapas besucht. Was war der Grund für diese Reise?
Im Auftrag meiner Fraktion, der »Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke«, besuchte ich soziale Initiativen in den drei mexikanischen Bundesstaaten Guerrero, Oaxaca und Chiapas. Menschenrechts-, Umwelt-, Gewerkschafts- und Frauengruppen arbeiten dort unter schwierigsten Bedingungen.
Was haben Sie in den Gesprächen erfahren können?
Zwischen der EU und Mexiko wird inzwischen bereits umfangreich Handel betrieben. Vor allem das im Juli 2000 in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mexiko hat dazu beigetragen. Die darin vertraglich vereinbarte Einhaltung von Menschenrechten bleibt hingegen außen vor. Oppositionsgruppen erfahren beispielsweise in Oaxaca und Guerrero harte Repression, wie willkürliche Inhaftierungen und Demonstrationsverbote seitens der Behörden. In Guerrero besuchte ich einen illegal inhaftierten Umweltaktivisten, ich erreichte eine Verbesserung seiner Situation und es deutete sich eine baldige Freilassung an. In Chiapas besuchte ich vier – willkürlich festgenommene – Gewerkschafter im Gefängnis, dort ist generell eine Militarisierung seitens der Regierung zu beobachten.
Ist die EU in Chiapas entwicklungspolitisch tätig?
Ja. In Chiapas finanziert die EU ein »Projekt zur sozialen, integrierten und nachhaltigen Entwicklung« mit 15 Millionen Euro zur »Verringerung der Armut in der Selva Lacandona«, dem lakandonischen Urwald, wie es offiziell heißt.
Was hat es damit auf sich?
Dieses Projekt ist ein weiterer Mosaikstein einer EU-Politik, die ich schon aus meiner Arbeit im Europaparlament kenne. Mit den »schönen« Worten »nachhaltig«, »sozial« und »integriert« auf ihrem blauen Mäntelchen, versucht sich die EU nun im Schatten der USA in einer höchst lukrativen Region zu etablieren und als »die Guten« zu präsentieren. Ziel ist aber auch die wirtschaftliche Ausbeutung der reichlich vorhandenen natürlichen Ressourcen.
Was sind die konkreten Kritikpunkte?
Zuallererst eine fehlende Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung. Dies ist in diesem konfliktreichen Gebiet äußerst fahrlässig. Das Projekt fußt auf dem Plan, die Region zu »entwickeln«, ohne aber die vorhandenen sozialen, politischen und ökonomischen Konflikte zu erfassen. In Chiapas existieren zwei sich diametral entgegenstehende Realitäten: Auf der einen Seite die Behörden, welche mit Militarisierung und sozialer Spaltungspolitik versuchen, ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen, und auf der anderen Seite autonome Indigenen-Gemeinden, die keine Entwicklungshilfe fordern, sondern die Erfüllung der ihnen zustehenden grundlegenden Menschenrechte und ein Recht auf selbstbestimmte Entwicklung.
Wie geht es weiter mit dem EU-Projekt in Chiapas?
Es wäre politisch klug, ein Moratorium für dieses Projekt auszurufen. Dies habe ich auch von der Vertretung der EU-Kommission in Mexiko gefordert, die sich jedoch wenig aufgeschlossen verhielt. Die ersten Schritte, um das Projekt zu stoppen, sind durch diese Reise aber bereits eingeleitet worden.
Johannes Plotzki
Tobias Pflüger - 2005/04/01 12:58
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