Tag der Arbeit - Studiengebühren, Massenarbeitslosigkeit, Tarifstreit: Protest bei Kundgebung in Tübingen - »Falsche Therapie für die schlimmste Krankheit«
Pressebericht in: Reutlinger Generalanzeiger, 02.05.05
TÜBINGEN. Keine Studiengebühren, entschiedene Maßnahmen zur Verringerung der Arbeitslosigkeit, Widerstand gegen Sozialabbau: Rund 450 Teilnehmer haben am Tag der Arbeit in Tübingen ihren Protest artikuliert und am Demonstrations-Zug und der Kundgebung auf dem Marktplatz teilgenommen.
Die alte Regel gilt nicht mehr, hat Stefan Dreher vom Arbeitskreis der Gewerkschaften festgestellt. »Früher hieß es: »Wenn's dem Chef gut geht, geht's dir auch gut«. Das ist leider nicht mehr so.« Dreher kritisierte die ungleiche Verteilung der Lasten. Die einen machten Profite und erhielten Steuergeschenke, die anderen hätten die Lasten zu tragen.
Zugespitzt hat sich die Lage im Tarif-Konflikt zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft an den Unikliniken. Personalrätin Angela Hauser verwies als Rednerin auf die steigende Belastung für die Beschäftigten. Die geforderte Verlängerung der Wochen-Arbeitszeit bringe Stellen-Abbau und Arbeitsverdichtung und ist in ihren Augen genau »die falsche Therapie für die schlimmste Krankheit, die Massenarbeitslosigkeit«.
»Wir geben nicht klein bei«
Hauser stellte klar: »Wir sind für die Menschen da. Wir sind keine Aktien, die man beliebig am Markt hin und her verschieben kann.« Am 10. Mai wird weiter verhandelt. Hauser versprach: »Wir geben nicht klein bei«, und betonte in ihrer Rede die Solidarität mit dem Hechinger Krankenhaus. »Wir kämpfen für den Erhalt aller drei Standorte - Balingen, Albstadt und Hechingen.«
»Es ist halt so. Sei doch froh, dass du Arbeit hast.« Ali Gharagozlou, Betriebsrat bei der Post, mag solche Sprüche nicht mehr hören. Auf die Beschäftigten werde Druck ausgeübt, viele seien bereit, immer größere Zumutungen zu akzeptieren. Die Angst um Arbeitsplatz habe dazu geführt, dass der Krankenstand niedrig sei wie nie: »Und in den Medien wird das gefeiert.« Wie die anderen Redner plädierte auch Gharagozlou dafür, dass die verschiedenen Gruppen sich gegenseitig bei ihren Aktionen unterstützen.
Das Recht auf Bildung reklamierte Studenten-Vertreter Christian Berg. Studiengebühren würden nach seiner Einschätzung die sozial Schwächeren abschrecken: »Wer nicht zahlen kann, muss einen Kredit aufnehmen - und das heißt dann »sozialverträglich««. Berg kritisierte die Hochschul-Reform und warnte vor Fehl-Entwicklungen: »Bildung ist gleichzeitig der Schlüssel für eine erfolgreiche Volkswirtschaft.«
Der parteilose Europa-Abgeordnete Tobias Pflüger richtete das Augenmerk auf die geplante Dienstleistungs-Richtlinie (»Bolkestein«-Richtlinie) der EU und die Kontroverse um die Verfassung. Pflüger hält entschiedenen Widerstand gegen die Richtlinie in der bisher vorliegenden Form für angebracht und möchte in der Verfassung ein europäisches Streikrecht aufgenommen wissen.
Gegen Ein-Euro-Jobs
Thomas Pfister vom Tübinger Initiativkreis gegen Ein-Euro-Jobs schließlich glaubt, dass diese Beschäftigungs-Verhältnisse einen negativen Effekt auf den Arbeitsmarkt haben. Für manchen Arbeitgeber, der damit unterm Strich sogar noch ein Geschäft mache, sei die Aussicht verlockend. Viele Leistungs-Empfänger meldeten sich aus schierer Not. Außerdem drohen ihnen bei Ablehnung Kürzungen in Höhe von 30 Prozent. Doch: »Die Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt verbessern sich nicht, bestehende Arbeitsplätze werden gefährdet.« (-jk)
TÜBINGEN. Keine Studiengebühren, entschiedene Maßnahmen zur Verringerung der Arbeitslosigkeit, Widerstand gegen Sozialabbau: Rund 450 Teilnehmer haben am Tag der Arbeit in Tübingen ihren Protest artikuliert und am Demonstrations-Zug und der Kundgebung auf dem Marktplatz teilgenommen.
Die alte Regel gilt nicht mehr, hat Stefan Dreher vom Arbeitskreis der Gewerkschaften festgestellt. »Früher hieß es: »Wenn's dem Chef gut geht, geht's dir auch gut«. Das ist leider nicht mehr so.« Dreher kritisierte die ungleiche Verteilung der Lasten. Die einen machten Profite und erhielten Steuergeschenke, die anderen hätten die Lasten zu tragen.
Zugespitzt hat sich die Lage im Tarif-Konflikt zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft an den Unikliniken. Personalrätin Angela Hauser verwies als Rednerin auf die steigende Belastung für die Beschäftigten. Die geforderte Verlängerung der Wochen-Arbeitszeit bringe Stellen-Abbau und Arbeitsverdichtung und ist in ihren Augen genau »die falsche Therapie für die schlimmste Krankheit, die Massenarbeitslosigkeit«.
»Wir geben nicht klein bei«
Hauser stellte klar: »Wir sind für die Menschen da. Wir sind keine Aktien, die man beliebig am Markt hin und her verschieben kann.« Am 10. Mai wird weiter verhandelt. Hauser versprach: »Wir geben nicht klein bei«, und betonte in ihrer Rede die Solidarität mit dem Hechinger Krankenhaus. »Wir kämpfen für den Erhalt aller drei Standorte - Balingen, Albstadt und Hechingen.«
»Es ist halt so. Sei doch froh, dass du Arbeit hast.« Ali Gharagozlou, Betriebsrat bei der Post, mag solche Sprüche nicht mehr hören. Auf die Beschäftigten werde Druck ausgeübt, viele seien bereit, immer größere Zumutungen zu akzeptieren. Die Angst um Arbeitsplatz habe dazu geführt, dass der Krankenstand niedrig sei wie nie: »Und in den Medien wird das gefeiert.« Wie die anderen Redner plädierte auch Gharagozlou dafür, dass die verschiedenen Gruppen sich gegenseitig bei ihren Aktionen unterstützen.
Das Recht auf Bildung reklamierte Studenten-Vertreter Christian Berg. Studiengebühren würden nach seiner Einschätzung die sozial Schwächeren abschrecken: »Wer nicht zahlen kann, muss einen Kredit aufnehmen - und das heißt dann »sozialverträglich««. Berg kritisierte die Hochschul-Reform und warnte vor Fehl-Entwicklungen: »Bildung ist gleichzeitig der Schlüssel für eine erfolgreiche Volkswirtschaft.«
Der parteilose Europa-Abgeordnete Tobias Pflüger richtete das Augenmerk auf die geplante Dienstleistungs-Richtlinie (»Bolkestein«-Richtlinie) der EU und die Kontroverse um die Verfassung. Pflüger hält entschiedenen Widerstand gegen die Richtlinie in der bisher vorliegenden Form für angebracht und möchte in der Verfassung ein europäisches Streikrecht aufgenommen wissen.
Gegen Ein-Euro-Jobs
Thomas Pfister vom Tübinger Initiativkreis gegen Ein-Euro-Jobs schließlich glaubt, dass diese Beschäftigungs-Verhältnisse einen negativen Effekt auf den Arbeitsmarkt haben. Für manchen Arbeitgeber, der damit unterm Strich sogar noch ein Geschäft mache, sei die Aussicht verlockend. Viele Leistungs-Empfänger meldeten sich aus schierer Not. Außerdem drohen ihnen bei Ablehnung Kürzungen in Höhe von 30 Prozent. Doch: »Die Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt verbessern sich nicht, bestehende Arbeitsplätze werden gefährdet.« (-jk)
Tobias Pflüger - 2005/05/03 02:12
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