CW Constitution Watch Nr. 6
CONSTITUTION WATCH: EU-Verfassungsvertrag - Nr. 6 - 06.05.2005
Die Behauptung: Die EU-Verfassung ist eine Alternative zu einem entfesselten Kapitalismus
Wolf Biermann, Günter Grass, Jürgen Habermas, Alexander Kluge, Michael Naumann, Gesine Schwan u. A. erklären in der Tageszeitung Le Monde vom 3. Mai 2005: "Die Verfassung erfüllt nicht alle unsere Ideale. Sie ist ein ehrlicher Kompromiss. ... Sie ist die Garantie der Produktivität des Marktes und zur gleichen Zeit die Garantie für den Schutz unserer sozialen Rechte, dadurch ist sie die einzig verlässliche und wettbewerbsfähige Alternative gegenüber dem Alptraum eines entfesselten 'ultraliberalen' Kapitalismus."
Der Verfassungsvertrag
Wichtige soziale Grundrechte sind im EU-Verfassungsvertrag nur schwach ausgeprägt. Statt eines Rechts auf Arbeit wird nur "das Recht zu arbeiten" (Art. II-75) proklamiert. Das ursprünglich einmal vorgesehene europäische Streikrecht wird von nationalem Recht abhängig gemacht (Art. II-88), wodurch legale grenzüberschreitende Streiks in der EU weiterhin praktisch unmöglich sind. Vergeblich sucht man in der Charta auch ein dem Grundgesetz entsprechendes Sozialstaatsgebot oder gar einen Sozialisierungsartikel. Stattdessen wurde ein Grundrecht der "unternehmerischen Freiheit" (Art. II-76) aufgenommen.
Welche Wirkung die Charta als Teil des Verfassungsvertrages tatsächlich entfalten kann, ergibt sich zudem aber nicht allein aus dem Wortlaut der einzelnen Grundrechte. Mit verschiedenen Bestimmungen, Erläuterungen (Erklärung Nr. 12) und Protokollen ist die Bedeutung der Grundrechte der Charta eingeschränkt und verwässert worden. In Artikel II-111 Abs. 2, heißt es: "Diese Charta dehnt den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union". Was nichts anderes bedeutet, als das so manche Grundrechte – etwa das Recht auf Bildung (Art. II-74), die Rechte älterer Bürger (Art. II-85) oder die Bestimmungen zum Familien- und Berufsleben (Art. II-93) – in der Luft hängen, da entsprechende Zuständigkeiten der Union hier eben nicht vorhanden sind.
Und in Artikel II-113 werden der Charta die Grundfreiheiten als Schranke gesetzt, wonach "keine Bestimmung dieser Charta als eine Einschränkung oder Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen" ist. Die Grundfreiheiten sind aber nichts die wirtschaftsliberalen Rechte des freien Personen-, Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalverkehrs. (I-4) Hierin die Alternative zu einem "entfesselten 'ultraliberalen' Kapitalismus" zu sehen, ist abwegig.
Die Behauptung: Die EU-Verfassung ist eine Alternative zu einem entfesselten Kapitalismus
Wolf Biermann, Günter Grass, Jürgen Habermas, Alexander Kluge, Michael Naumann, Gesine Schwan u. A. erklären in der Tageszeitung Le Monde vom 3. Mai 2005: "Die Verfassung erfüllt nicht alle unsere Ideale. Sie ist ein ehrlicher Kompromiss. ... Sie ist die Garantie der Produktivität des Marktes und zur gleichen Zeit die Garantie für den Schutz unserer sozialen Rechte, dadurch ist sie die einzig verlässliche und wettbewerbsfähige Alternative gegenüber dem Alptraum eines entfesselten 'ultraliberalen' Kapitalismus."
Der Verfassungsvertrag
Wichtige soziale Grundrechte sind im EU-Verfassungsvertrag nur schwach ausgeprägt. Statt eines Rechts auf Arbeit wird nur "das Recht zu arbeiten" (Art. II-75) proklamiert. Das ursprünglich einmal vorgesehene europäische Streikrecht wird von nationalem Recht abhängig gemacht (Art. II-88), wodurch legale grenzüberschreitende Streiks in der EU weiterhin praktisch unmöglich sind. Vergeblich sucht man in der Charta auch ein dem Grundgesetz entsprechendes Sozialstaatsgebot oder gar einen Sozialisierungsartikel. Stattdessen wurde ein Grundrecht der "unternehmerischen Freiheit" (Art. II-76) aufgenommen.
Welche Wirkung die Charta als Teil des Verfassungsvertrages tatsächlich entfalten kann, ergibt sich zudem aber nicht allein aus dem Wortlaut der einzelnen Grundrechte. Mit verschiedenen Bestimmungen, Erläuterungen (Erklärung Nr. 12) und Protokollen ist die Bedeutung der Grundrechte der Charta eingeschränkt und verwässert worden. In Artikel II-111 Abs. 2, heißt es: "Diese Charta dehnt den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union". Was nichts anderes bedeutet, als das so manche Grundrechte – etwa das Recht auf Bildung (Art. II-74), die Rechte älterer Bürger (Art. II-85) oder die Bestimmungen zum Familien- und Berufsleben (Art. II-93) – in der Luft hängen, da entsprechende Zuständigkeiten der Union hier eben nicht vorhanden sind.
Und in Artikel II-113 werden der Charta die Grundfreiheiten als Schranke gesetzt, wonach "keine Bestimmung dieser Charta als eine Einschränkung oder Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen" ist. Die Grundfreiheiten sind aber nichts die wirtschaftsliberalen Rechte des freien Personen-, Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalverkehrs. (I-4) Hierin die Alternative zu einem "entfesselten 'ultraliberalen' Kapitalismus" zu sehen, ist abwegig.
Tobias Pflüger - 2005/05/11 01:51
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