Europa braucht gleiche Sozialstandards
Abgeordnetenspalte im Schwäbischen Tagblatt - 27.05.2005 - Tobias Pflüger
Am 6. Mai feierte sich Tübingen als Europastadt. Peinliche Beigabe: Der Ehrenbürger und ehemalige OB Hans Gmelin wurde auf einer Plakatwand im Rathaus mitgeehrt, obwohl doch inzwischen hinlänglich bekannt ist, dass er in Bratislava zu den „Endlösern der Judenfrage“ gehört hatte. Auch im Europaparlament wurde zum 60. Jahrestag der Befreiung Europas vom Faschismus eine geschichtsrevisionistische und den Nationalsozialismus relativierende Resolution verabschiedet. In Reden wurde als Konsequenz aus dem 8. Mai 1945 ausgerechnet der EU-Verfassungsvertrag deklariert.
Die Bundestagsabgeordnete Herta Däubler-Gmelin (SPD) meint, dass meine „berechtigte Kritik an einzelnen Punkten“ dieses Vertrags nach dessen Ratifizierung berücksichtigt werden könne. Leider irrt die Justizministerin a.D. Er lässt sich nicht einfach „ständig verbessern“. Dazu sind laut Artikel IV-443 ein neuer Verfassungskonvent, eine neue Regierungskonferenz und eine erneute Ratifizierung in allen dann wohl 27 und mehr Mitgliedsstaaten nötig. Viel Spaß beim Nachbessern!
Die Abgeordnete Annette Widmann-Mauz (CDU) stimmte im Bundestag zu, weil der Parlamentarismus in Europa gestärkt würde. Da ist sie schlecht informiert: Das Europaparlament hat weder ein Initiativrecht bei EU-Gesetzgebung noch darf es einen Gesamt-EU-Haushalt verabschieden. Das EU-Parlament darf auch den Präsidenten der Kommission nicht wählen, sondern laut Artikel I-27 nur einen vorgeschlagenen Kandidaten bestätigen. Und bei künftigen Militäreinsätzen der EU hat das EU-Parlament nur ein Fragerecht, kein Mitentscheidungsrecht. Dieser Vertrag greift tief ein ins Grundgesetz.
Bundeskanzler Schröder verlangte vorletzte Woche im Bundestag, wörtlich nicht so „kleinlich und detailversessen“ zu sein mit dem Text. Von den Bundestagsabgeordneten kannte kaum einer das insgesamt 856-seitige Werk. Besonders zu Herzen nahm sich des Kanzlers Aufforderung der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann. Er stimmte mit Ja, obwohl er verlauten ließ, dass die Bestimmungen zur Militarisierung der EU „problematisch“ seien. Oha, da ist es wieder, das berüchtigte grüne Bauchweh in Sachen Krieg. Nicht nur problematisch, sondern irreführend ist Hermanns Behauptung, es gäbe keine „zwingende Verpflichtung“ zur Aufrüstung. Dabei steht in Artikel I-41 (3) unmissverständlich: „Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ Es wird eine Rüstungsagentur eingerichtet. Von Abrüstung ist im Vertrag keine Rede. Die EU wird für weltweite Kriegseinsätze fit gemacht.
Heute soll der EU-Verfassungsvertrag im Bundesrat abschließend beschlossen werden. Ich hoffe, das Referendum in Frankreich am Sonntag setzt einen Kontrapunkt. Dort haben Attac, Unabhängige, Gewerkschaften, viele Sozialisten und Kommunisten erkannt, dass der EU-Verfassungsvertrag nichts zu tun hat mit einem zivilen, demokratischen und sozialen Europa. Unabhängig vom Ausgang formiert sich dort auch eine neue Linke. Nach der Ankündigung von Gerhard Schröder ist eine neue Linke auch dringend vonnöten in Deutschland. Notwendig sind nicht Einzeldarsteller, sondern (Menschen mit) deutliche(n) Positionen: klar in Opposition zu Sozialabbau und Krieg(svorbereitung). PDS, WASG und vor allem auch Leute aus den neuen sozialen Bewegungen sollten sich in ein solches Projekt einbringen.
Tobias Pflüger, parteiloser Europa-Abgeordneter der PDS
Am 6. Mai feierte sich Tübingen als Europastadt. Peinliche Beigabe: Der Ehrenbürger und ehemalige OB Hans Gmelin wurde auf einer Plakatwand im Rathaus mitgeehrt, obwohl doch inzwischen hinlänglich bekannt ist, dass er in Bratislava zu den „Endlösern der Judenfrage“ gehört hatte. Auch im Europaparlament wurde zum 60. Jahrestag der Befreiung Europas vom Faschismus eine geschichtsrevisionistische und den Nationalsozialismus relativierende Resolution verabschiedet. In Reden wurde als Konsequenz aus dem 8. Mai 1945 ausgerechnet der EU-Verfassungsvertrag deklariert.
Die Bundestagsabgeordnete Herta Däubler-Gmelin (SPD) meint, dass meine „berechtigte Kritik an einzelnen Punkten“ dieses Vertrags nach dessen Ratifizierung berücksichtigt werden könne. Leider irrt die Justizministerin a.D. Er lässt sich nicht einfach „ständig verbessern“. Dazu sind laut Artikel IV-443 ein neuer Verfassungskonvent, eine neue Regierungskonferenz und eine erneute Ratifizierung in allen dann wohl 27 und mehr Mitgliedsstaaten nötig. Viel Spaß beim Nachbessern!
Die Abgeordnete Annette Widmann-Mauz (CDU) stimmte im Bundestag zu, weil der Parlamentarismus in Europa gestärkt würde. Da ist sie schlecht informiert: Das Europaparlament hat weder ein Initiativrecht bei EU-Gesetzgebung noch darf es einen Gesamt-EU-Haushalt verabschieden. Das EU-Parlament darf auch den Präsidenten der Kommission nicht wählen, sondern laut Artikel I-27 nur einen vorgeschlagenen Kandidaten bestätigen. Und bei künftigen Militäreinsätzen der EU hat das EU-Parlament nur ein Fragerecht, kein Mitentscheidungsrecht. Dieser Vertrag greift tief ein ins Grundgesetz.
Bundeskanzler Schröder verlangte vorletzte Woche im Bundestag, wörtlich nicht so „kleinlich und detailversessen“ zu sein mit dem Text. Von den Bundestagsabgeordneten kannte kaum einer das insgesamt 856-seitige Werk. Besonders zu Herzen nahm sich des Kanzlers Aufforderung der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann. Er stimmte mit Ja, obwohl er verlauten ließ, dass die Bestimmungen zur Militarisierung der EU „problematisch“ seien. Oha, da ist es wieder, das berüchtigte grüne Bauchweh in Sachen Krieg. Nicht nur problematisch, sondern irreführend ist Hermanns Behauptung, es gäbe keine „zwingende Verpflichtung“ zur Aufrüstung. Dabei steht in Artikel I-41 (3) unmissverständlich: „Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ Es wird eine Rüstungsagentur eingerichtet. Von Abrüstung ist im Vertrag keine Rede. Die EU wird für weltweite Kriegseinsätze fit gemacht.
Heute soll der EU-Verfassungsvertrag im Bundesrat abschließend beschlossen werden. Ich hoffe, das Referendum in Frankreich am Sonntag setzt einen Kontrapunkt. Dort haben Attac, Unabhängige, Gewerkschaften, viele Sozialisten und Kommunisten erkannt, dass der EU-Verfassungsvertrag nichts zu tun hat mit einem zivilen, demokratischen und sozialen Europa. Unabhängig vom Ausgang formiert sich dort auch eine neue Linke. Nach der Ankündigung von Gerhard Schröder ist eine neue Linke auch dringend vonnöten in Deutschland. Notwendig sind nicht Einzeldarsteller, sondern (Menschen mit) deutliche(n) Positionen: klar in Opposition zu Sozialabbau und Krieg(svorbereitung). PDS, WASG und vor allem auch Leute aus den neuen sozialen Bewegungen sollten sich in ein solches Projekt einbringen.
Tobias Pflüger, parteiloser Europa-Abgeordneter der PDS
Tobias Pflüger - 2005/05/27 18:08
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