Grußbotschaft Hiroshima 2005
Grußbotschaft - 12.07.05 - Tobias Pflüger
Eigentlich würde man glauben, dass es einfach ist, politisch klar gegen Atomwaffen Stellung zu beziehen. Nicht so im Europäischen Parlament. Dort gibt es enorme Rücksichtnahme gegenüber den Staaten innerhalb der EU, die Atomwaffen ihr Eigen nennen. Kritik an den Atomwaffen von Großbritannien oder Frankreich wird entweder nicht oder ganz, ganz vorsichtig geäußert. Ähnliches gilt für die Atomwaffen, die die USA in EU-Staaten stationiert haben, Kritik daran ist nahezu ein Tabu. Diese Grundpositionen aller anderer Fraktionen (einschließlich der Sozialdemokraten und Grünen) mit Ausnahme der Linksfraktion zeigten sich bei der Resolution des Europäischen Parlaments anlässlich der bevorstehenden Revisionskonferenz zur Nichtverbreitung von Atomwaffen (NPT) in New York.
Die Forderung im Antrag der Linksfraktion an "die Mitgliedstaaten, die über Atomwaffen verfügen", sich gemeinsam darauf zu einigen, "Atomwaffen nicht als erste einzusetzen oder gegenüber Staaten, die keine Atomwaffen besitzen, nicht mit ihrem Einsatz zu drohen", wurde von Konservativen und Sozialdemokraten zurückgewiesen. Jan Marinus Wiersma, der Verhandlungsführer der Sozialdemokraten sagte klipp und klar: "Wir sind gegen ein atomwaffenfreies Europa."
Nur 80 von 732 EU-Abgeordneten unterzeichneten bisher eine schriftliche Erklärung, die ich zusammen mit vier Kolleg/inn/en anlässlich des 60. Jahrestages der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki initiierte. In ihr bekräftigen die unterzeichnenden EU-Parlamentarier ihre Entschlossenheit, sich für die nukleare Abrüstung einzusetzen und rufen die Europäische Union auf, "alles in ihren Kräften Stehende zu tun, damit Atomwaffen nie wieder eingesetzt werden". Auch nicht von ihr selbst. Denn es ist zu befürchten, dass viele Staaten dieser Erde nicht nur mit dem Verweis auf die USA, sondern auch auf die unnachgiebige Haltung der EU und ihrer Mitgliedsstaaten sich weigern werden, auf Atomwaffen zu verzichten bzw. atomar abzurüsten. Der nukleare Kurs der immer stärker militarisierten EU wird deutlich in ihren verteidigungspolitischen Strategiepapieren. Das Atomwaffenarsenal der beiden Nuklearstreitkräfte Großbritannien und Frankreich ist Teil dieser Strategie. Im "European Defence Paper", dem Weißbuch für die zukünftigen Kriege der EU, heißt es: "Wir haben es nicht vermieden, Szenarien zu präsentieren, in welchen die nationalen Nuklearstreitkräfte europäischer Mitgliedstaaten in die Planung mit einfließen könnten." Im Klartext bedeutet dies: Britische und französische Atomwaffen sind Teil der EU-Militärpolitik.
Die andere Seite der militärischen Nutzung stellt die so genannte "zivile" Variante der Atomkraft dar. Die Hochrisikotechnologie Atomkraft hinterlässt ein unlösbares Atommüllproblem - statt weiter Atommüll zu produzieren ist ein sofortiger Ausstieg aus der Atomenergie dringend erforderlich. Deshalb ist es auch notwendig gegen die europäischen Endlagerprojekte im lothringischen Bure, im schweizerischen Benken und im wendländischen Gorleben zu protestieren und sich mit den Anti-Atom-Initiativen vor Ort zu solidarisieren. Darüber hinaus gilt es sich mit allen Kräften der angestrebten Renaissance der Atomkraft entgegenzustellen. Auch wenn diese innerhalb der EU nur in Frankreich und Finnland Reaktorneubauten bedeutet, steckt die EU immer größere Summen in die Atomforschung. So sollen in das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm mit 3,1 Milliarden Euro der Atomforschung doppelt so viel zufließen, wie ihr noch im 6. Forschungsrahmenprogramm zugute kam. Solange die "zivile" Nutzung der Atomkraft weiter betrieben wird, behalten sich mit ihr die Atom-Staaten auch die Möglichkeit der militärischen Nutzung waffenfähigen Plutoniums offen. Ein ziviles Europa aber muss sich endgültig vom Atomzeitalter verabschieden, und anstatt Präventivkriegsoptionen den Boden für zivile Konfliktlösungen bereiten. Keinen Schritt weiter bringt es, eine atomwaffenfreie Welt zu fordern, und dabei ein atomwaffenfreies Europa abzulehnen. In diesem Sinne: Atomwaffen abschaffen, bei uns anfangen!
Tobias Pflüger
Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. und Mitglied des Europäischen Parlaments (parteilos, gewählt auf der Liste der PDS, Mitglied der Linksfraktion GUE/NGL, des Auswärtigen Ausschusses und des Unterausschusses Sicherheit und Verteidigung)
Eigentlich würde man glauben, dass es einfach ist, politisch klar gegen Atomwaffen Stellung zu beziehen. Nicht so im Europäischen Parlament. Dort gibt es enorme Rücksichtnahme gegenüber den Staaten innerhalb der EU, die Atomwaffen ihr Eigen nennen. Kritik an den Atomwaffen von Großbritannien oder Frankreich wird entweder nicht oder ganz, ganz vorsichtig geäußert. Ähnliches gilt für die Atomwaffen, die die USA in EU-Staaten stationiert haben, Kritik daran ist nahezu ein Tabu. Diese Grundpositionen aller anderer Fraktionen (einschließlich der Sozialdemokraten und Grünen) mit Ausnahme der Linksfraktion zeigten sich bei der Resolution des Europäischen Parlaments anlässlich der bevorstehenden Revisionskonferenz zur Nichtverbreitung von Atomwaffen (NPT) in New York.
Die Forderung im Antrag der Linksfraktion an "die Mitgliedstaaten, die über Atomwaffen verfügen", sich gemeinsam darauf zu einigen, "Atomwaffen nicht als erste einzusetzen oder gegenüber Staaten, die keine Atomwaffen besitzen, nicht mit ihrem Einsatz zu drohen", wurde von Konservativen und Sozialdemokraten zurückgewiesen. Jan Marinus Wiersma, der Verhandlungsführer der Sozialdemokraten sagte klipp und klar: "Wir sind gegen ein atomwaffenfreies Europa."
Nur 80 von 732 EU-Abgeordneten unterzeichneten bisher eine schriftliche Erklärung, die ich zusammen mit vier Kolleg/inn/en anlässlich des 60. Jahrestages der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki initiierte. In ihr bekräftigen die unterzeichnenden EU-Parlamentarier ihre Entschlossenheit, sich für die nukleare Abrüstung einzusetzen und rufen die Europäische Union auf, "alles in ihren Kräften Stehende zu tun, damit Atomwaffen nie wieder eingesetzt werden". Auch nicht von ihr selbst. Denn es ist zu befürchten, dass viele Staaten dieser Erde nicht nur mit dem Verweis auf die USA, sondern auch auf die unnachgiebige Haltung der EU und ihrer Mitgliedsstaaten sich weigern werden, auf Atomwaffen zu verzichten bzw. atomar abzurüsten. Der nukleare Kurs der immer stärker militarisierten EU wird deutlich in ihren verteidigungspolitischen Strategiepapieren. Das Atomwaffenarsenal der beiden Nuklearstreitkräfte Großbritannien und Frankreich ist Teil dieser Strategie. Im "European Defence Paper", dem Weißbuch für die zukünftigen Kriege der EU, heißt es: "Wir haben es nicht vermieden, Szenarien zu präsentieren, in welchen die nationalen Nuklearstreitkräfte europäischer Mitgliedstaaten in die Planung mit einfließen könnten." Im Klartext bedeutet dies: Britische und französische Atomwaffen sind Teil der EU-Militärpolitik.
Die andere Seite der militärischen Nutzung stellt die so genannte "zivile" Variante der Atomkraft dar. Die Hochrisikotechnologie Atomkraft hinterlässt ein unlösbares Atommüllproblem - statt weiter Atommüll zu produzieren ist ein sofortiger Ausstieg aus der Atomenergie dringend erforderlich. Deshalb ist es auch notwendig gegen die europäischen Endlagerprojekte im lothringischen Bure, im schweizerischen Benken und im wendländischen Gorleben zu protestieren und sich mit den Anti-Atom-Initiativen vor Ort zu solidarisieren. Darüber hinaus gilt es sich mit allen Kräften der angestrebten Renaissance der Atomkraft entgegenzustellen. Auch wenn diese innerhalb der EU nur in Frankreich und Finnland Reaktorneubauten bedeutet, steckt die EU immer größere Summen in die Atomforschung. So sollen in das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm mit 3,1 Milliarden Euro der Atomforschung doppelt so viel zufließen, wie ihr noch im 6. Forschungsrahmenprogramm zugute kam. Solange die "zivile" Nutzung der Atomkraft weiter betrieben wird, behalten sich mit ihr die Atom-Staaten auch die Möglichkeit der militärischen Nutzung waffenfähigen Plutoniums offen. Ein ziviles Europa aber muss sich endgültig vom Atomzeitalter verabschieden, und anstatt Präventivkriegsoptionen den Boden für zivile Konfliktlösungen bereiten. Keinen Schritt weiter bringt es, eine atomwaffenfreie Welt zu fordern, und dabei ein atomwaffenfreies Europa abzulehnen. In diesem Sinne: Atomwaffen abschaffen, bei uns anfangen!
Tobias Pflüger
Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. und Mitglied des Europäischen Parlaments (parteilos, gewählt auf der Liste der PDS, Mitglied der Linksfraktion GUE/NGL, des Auswärtigen Ausschusses und des Unterausschusses Sicherheit und Verteidigung)
Tobias Pflüger - 2005/08/05 18:43
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