Buntes statt Braunes Wunsiedel
Pressebericht in: Neues Deutschland, 22.08.05
Trotz Neonazi-Verbot demonstrierten 2000 Antifaschisten gegen Rechtsextremismus
Von Martin Kröger
Rund 4000 Bürger der fränkischen Kleinstadt Wunsiedel und angereiste Antifaschisten feierten am Sonnabend das Verbot des Rudolf-Heß-Marsches der Neonazis.
Unterschiedlicher hätten die Eindrücke aus Wunsiedel in diesem und im vergangenen Jahr gar nicht sein können. 2004 marschierten rund 4500 Neonazis aus ganz Europa in martialischer Kluft mit schwarzen Fahnen und zu Wagnermusik durch den Ort, um offen dem hier begrabenen Stellvertreter Hitlers, Rudolf Heß, zu huldigen. Sie errichteten somit in der Festspielstadt eine »national befreite Zone«, die für die wenigen Gegner des Aufmarsches lebensgefährlich war. Im Gegensatz dazu gab es in diesem Jahr eine vielfältige Mischung aus Stadtfest, Informationsveranstaltung sowie Konzerten zu bestaunen, bei der die Bürger der Stadt und die angereisten Antifaschisten gemeinsam das Ausfallen der Neonazi-Demonstration feierten und gleichzeitig ein klares Bekenntnis gegen die Rechtsextremen setzten.
»Es steht 11 zu 7«, sagte der Landrat des Wunsiedelkreises, Peter Seißer. Elfmal konnte der »Gedenkmarsch« wegen Verboten nicht stattfinden, siebenmal gelang es den Neonazis um den rechtsextremen Anwalt Jürgen Rieger, den Aufmarsch in höheren gerichtlichen Instanzen durchzusetzen. In diesem Jahr verbot nun das Bundesverfassungsgericht zum ersten Mal den Heß-Marsch auf der Grundlage des neu gefassten Paragrafen 130 des Strafgesetzbuches, der die Verherrlichung des Nationalsozialismus in der Öffentlichkeit untersagt. Der Beschluss fiel im Eilverfahren: Im Hauptsacheverfahren könnten die Rechtsextremen nachträglich die Unrechtmäßigkeit der Verbotsverfügung feststellen lassen. Und, falls dies gelingen sollte, hätten sie Chancen, im nächsten Jahr wieder für den verurteilten Kriegsverbrecher Heß zu marschieren.
Deshalb hatten die Organisatoren des antifaschistischen Aktionstages an ihrem geplanten Protest festgehalten und weiter im gesamten Bundesgebiet zur Reise nach Wunsiedel mobilisiert. »Ich freue mich, dass so viele junge Antifas nach Wunsiedel gekommen sind«, empfing Martin Löwenberg, Überlebender des Konzentrationslagers Flossenbürg, von der Bühne der antifaschistischen Kundgebung die Angereisten. Wie Löwenberg verwies Tobias Pflüger, Abgeordneter der Linkspartei im Europaparlament, darauf, wie wichtig es sei, in Wunsiedel Präsenz zu zeigen. »Wir demonstrieren hier ganz bewusst gegen die Rechten«, sagte Pflüger, »damit sie nie wiederkommen.«
Es gab viele Reden und Konzerte und die bürgerliche »Meile der Demokratie«, auf der auch CSU-Generalsekretär Markus Söder und die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, auftraten. Höhepunkt des Tages war aber zweifellos die Demonstration. Unter dem Motto: »Gegen deutsche Opfermythen! NS-Verherrlichung stoppen!« zogen über 2000 zumeist junge Menschen durch die Stadt. Begleitet wurde die lautstarke Manifestation von einem Spalier der bayerischen Bereitschaftspolizei, das aufzog, nachdem die Demonstrationsspitze eine Sperre von Verkehrspolizisten durchbrochen hatte – das einzige eskalative Moment an diesem Tag.
Dass das Besetzen des Neonazi-Symbols Wunsiedel durch Antifaschisten auch mit der direkten Aktion gegen Rechtsextremisten verbunden werden kann, zeigten jene der Teilnehmer, die noch am späten Nachmittag nach Nürnberg fuhren, um dort gegen die Ersatzveranstaltung der NPD für Wunsiedel, zu der 350 Neonazis zusammenkamen, zu protestieren.
Trotz Neonazi-Verbot demonstrierten 2000 Antifaschisten gegen Rechtsextremismus
Von Martin Kröger
Rund 4000 Bürger der fränkischen Kleinstadt Wunsiedel und angereiste Antifaschisten feierten am Sonnabend das Verbot des Rudolf-Heß-Marsches der Neonazis.
Unterschiedlicher hätten die Eindrücke aus Wunsiedel in diesem und im vergangenen Jahr gar nicht sein können. 2004 marschierten rund 4500 Neonazis aus ganz Europa in martialischer Kluft mit schwarzen Fahnen und zu Wagnermusik durch den Ort, um offen dem hier begrabenen Stellvertreter Hitlers, Rudolf Heß, zu huldigen. Sie errichteten somit in der Festspielstadt eine »national befreite Zone«, die für die wenigen Gegner des Aufmarsches lebensgefährlich war. Im Gegensatz dazu gab es in diesem Jahr eine vielfältige Mischung aus Stadtfest, Informationsveranstaltung sowie Konzerten zu bestaunen, bei der die Bürger der Stadt und die angereisten Antifaschisten gemeinsam das Ausfallen der Neonazi-Demonstration feierten und gleichzeitig ein klares Bekenntnis gegen die Rechtsextremen setzten.
»Es steht 11 zu 7«, sagte der Landrat des Wunsiedelkreises, Peter Seißer. Elfmal konnte der »Gedenkmarsch« wegen Verboten nicht stattfinden, siebenmal gelang es den Neonazis um den rechtsextremen Anwalt Jürgen Rieger, den Aufmarsch in höheren gerichtlichen Instanzen durchzusetzen. In diesem Jahr verbot nun das Bundesverfassungsgericht zum ersten Mal den Heß-Marsch auf der Grundlage des neu gefassten Paragrafen 130 des Strafgesetzbuches, der die Verherrlichung des Nationalsozialismus in der Öffentlichkeit untersagt. Der Beschluss fiel im Eilverfahren: Im Hauptsacheverfahren könnten die Rechtsextremen nachträglich die Unrechtmäßigkeit der Verbotsverfügung feststellen lassen. Und, falls dies gelingen sollte, hätten sie Chancen, im nächsten Jahr wieder für den verurteilten Kriegsverbrecher Heß zu marschieren.
Deshalb hatten die Organisatoren des antifaschistischen Aktionstages an ihrem geplanten Protest festgehalten und weiter im gesamten Bundesgebiet zur Reise nach Wunsiedel mobilisiert. »Ich freue mich, dass so viele junge Antifas nach Wunsiedel gekommen sind«, empfing Martin Löwenberg, Überlebender des Konzentrationslagers Flossenbürg, von der Bühne der antifaschistischen Kundgebung die Angereisten. Wie Löwenberg verwies Tobias Pflüger, Abgeordneter der Linkspartei im Europaparlament, darauf, wie wichtig es sei, in Wunsiedel Präsenz zu zeigen. »Wir demonstrieren hier ganz bewusst gegen die Rechten«, sagte Pflüger, »damit sie nie wiederkommen.«
Es gab viele Reden und Konzerte und die bürgerliche »Meile der Demokratie«, auf der auch CSU-Generalsekretär Markus Söder und die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, auftraten. Höhepunkt des Tages war aber zweifellos die Demonstration. Unter dem Motto: »Gegen deutsche Opfermythen! NS-Verherrlichung stoppen!« zogen über 2000 zumeist junge Menschen durch die Stadt. Begleitet wurde die lautstarke Manifestation von einem Spalier der bayerischen Bereitschaftspolizei, das aufzog, nachdem die Demonstrationsspitze eine Sperre von Verkehrspolizisten durchbrochen hatte – das einzige eskalative Moment an diesem Tag.
Dass das Besetzen des Neonazi-Symbols Wunsiedel durch Antifaschisten auch mit der direkten Aktion gegen Rechtsextremisten verbunden werden kann, zeigten jene der Teilnehmer, die noch am späten Nachmittag nach Nürnberg fuhren, um dort gegen die Ersatzveranstaltung der NPD für Wunsiedel, zu der 350 Neonazis zusammenkamen, zu protestieren.
Tobias Pflüger - 2005/08/22 16:20
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