Frattinis Asyl-Plan - Kritik an Lagerpolitik

Pressebericht in: Neues Deutschland, 02.09.05

Von Olaf Standke
Auf ihrer ersten Sitzung nach der Sommerpause hat sich die Europäische Kommission gestern in Brüssel mit der Asylpolitik beschäftigt.

Auf einen menschenwürdigeren Umgang mit Asylbewerbern in der EU hofft nicht nur der Europaabgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler. Bisher würden abgelehnte Asylbewerber häufig auf unzumutbare Weise inhaftiert, sagte der Experte der sozialdemokratischen Fraktion am Donnerstag in Brüssel. Er halte es für inakzeptabel, wenn manche wie im Gefängnis München-Stadelheim monatelang viele Stunden täglich in ihre Zellen eingeschlossen seien und nicht einmal Zugang zu Münztelefonen hätten. Für jeden kriminellen Untersuchungshäftling gälten bessere Bedingungen.

Der gestern von Justizkommissar Franco Frattini vorgelegte Richtlinienentwurf sieht nun vor, dass die Abschiebehaft in der Union die Ausnahme bleiben und auf höchstens sechs Monate begrenzt werden soll. Vorrang habe die freiwillige Rückkehr. Wer sich illegal in den 25 EU-Staaten aufhalte, dürfe nur noch unter bestimmten Voraussetzungen inhaftiert werden, etwa wenn Fluchtgefahr bestehe. Hier allerdings tut sich weiter eine große Grauzone auf. Frattini will auch mit anderen Maßnahmen die Asyl- und Einwanderungspolitik der EU-Staaten auf eine Linie bringen. So möchte er ehr Daten zu Migrationsfragen erfassen und ein gemeinsames Programm zur Eingliederung legaler Einwanderer entwickeln. Was nicht zuletzt in Deutschland wenig Beifall findet. Zugleich sind Hilfen für die Herkunftsländer und deren Nachbarstaaten geplant. Ein erstes regionales Schutzprogramm soll im Raum Ukraine-Moldova-Belarus entstehen. Weitere Projekte sind in Afrika vorgesehen.

Kreissl-Dörfler lehnt dabei das Konzept der so genannten supersicheren Drittstaaten ab. Beschlüsse des EU-Innenministerrats zielten darauf ab, eine Einzelfallprüfung bei Asylbewerbern aus bestimmten Ländern zu vermeiden. Das verstoße aber gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Scharf wenden sich Kritiker zugleich gegen die vor allem von Bundesinnenminister Otto Schily verankerte EU-Politik der Flüchtlingslager wie auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa. Wie Amnesty International oder UNHCR hat auch die Linksfraktion im Europaparlament (GUE/NGL) die menschenunwürdigen Bedingungen dort angeprangert. Tobias Pflüger (GUE/NGL) befürchtet, dass Lampedusa als Modell für extraterritoriale Abschiebelager der EU in Nordafrika dienen könnte.

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