Atomstreit: Tonfall wird wieder schärfer
Die Stimmung im IAEA-Rat kippt - Deutschland spielt doppeltes Spiel
Artikel in: Die Linkszeitung, 12.09.2005
Im Moment scheint es so, als würde der Tonfall zwischen den USA und Teheran wieder um einige Nuancen schärfer werden. Eine Woche vor der Sitzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), in der es um Irans Atomprogramm gehen soll, deutet zugleich vieles darauf hin, dass die Europäische Union ihre vermittelnde Position allmählich aufgibt und sich - statt neue ökonomische und politische Angebote an die Adresse Teherans zu richten - auf die Seite der Amerikaner schlägt. Jedenfalls äußerten sich einige EU-Diplomaten dahingehend, dass angeblich Großbritannien, Frankreich und Deutschland inzwischen den „Paris-Prozess“ für gescheitert ansehen. Auch die Stimmung im IAEA-Rat soll bereits im Vorfeld der Sitzung gekippt sein, bestätigte ein ranghoher EU-Beamter. Am 19. September könnte nun durchaus beschlossen werden, den UN-Sicherheitsrat anzurufen.
Bislang hielt sich die russische Politik noch mit offiziellen Stellungnahmen zur derzeitigen Lage zurück, aber in der Öffentlichkeit wird der Atomstreit durchaus sehr heftig diskutiert. Einige Experten vermuteten in den vergangenen Tagen, dass ein Militärschlag der USA unvermeidlich sei und unmittelbar bevorstehe. Darauf deute ihrer Auffassung nach die Öffnung einer US-Militärbase in Turkmenien hin. Mit der könnten die Amerikaner den Ring um den Iran endgültig schließen, der gesprengt worden war, nach dem die US-Truppen aus Usbekistan abziehen mussten. Es entstand eine strategische Lücke in dieser Region, die durch das US-Militär nun wieder geschlossen werden kann.
Die Russen sehen den Vorgang mit zunehmender Sorge. Der US-Stützpunkt in Turkmenien beeinträchtigt tatsächlich die Interessen Russlands, begründete der Vorsitzende des Islamischen Komitees Russlands, Gejdar Dschemal, in einem Gespräch mit der Zeitung „Nowyje Iswestija“. Einerseits würde Washington dadurch so gut wie alle Republiken Zentralasiens unter seine Kontrolle bekommen, andererseits verliert Russland mit dem Iran einen wichtigen Verbündeten in der Region. Die wirtschaftlichen Folgen eines Angriff der Amerikaner auf Teheran wären für Russland immens. Zudem gerate die Infrastruktur der Region aus allen Fugen und man müsse einen Flüchtlingsstrom einkalkulieren. Und nicht zuletzt: Sollte eine Invasion gelingen, dann bekämen die USA alle wichtigsten Ölreserven, aus denen heute Europa beliefert wird, in ihre Hände. Eine Horrorvision.
Es sei schon bemerkenswert, dass die EU die Politik der USA flankiert, wohl wissend, dass dies die Eskalation weiter voranbringt, kritisiert der Koordinator der Linksfraktion (GUE/NGL) im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung des EU-Parlaments, Tobias Pflüger. „Mit dieser Entscheidung ist der Countdown für einen Krieg begonnen worden.“ Auch das seinerzeit von der EU vorgelegte Abkommen mit dem Iran sei faul gewesen sei und könne „nur als Eskalationsschritt gewertet“ werden. „Der Iran sollte vertraglich auf das Recht verzichten, den Atomwaffensperrvertrag zu kündigen“, begründete er. Aber noch nie habe ein Staat eine solche Verpflichtung „zum einseitigen Souveränitätsverzicht unterschreiben“ müssen. Im Gegenzug wollte die EU dem Iran garantieren, „dass er nicht mit Atomwaffen von EU-Mitgliedstaaten angegriffen würde“. Von den USA war aber nicht die Rede.
Pflüger vermutet, dass die EU aus dem Irak-Krieg nichts gelernt habe, sonst würde sie den USA nicht zur Seite springen. Außerdem sei die Europäische Union ein denkbar schlechter Makler, auch weil sie selbst Atomenergie fördere. Zudem wollen weder Frankreich noch Großbritannien auf ihre Atomwaffen verzichten und Deutschland halte Urananreicherung vor. Insofern sei die deutsche Rolle kritisch zu bewerten, meint der Politiker: „Auf der eine Seite gebärden sich Kanzler Schröder und Außenminister Fischer in punkto Iran im Wahlkampf als Friedensengel. Nun geben sie aber ihr OK für einen entscheidenden Schritt in Richtung eines möglichen Krieges. Rot-Grün verhält sich ähnlich wie im Irak-Krieg, wo man zwar keine eigenen Soldaten schickte, aber alles tat, damit der Krieg auch von Deutschland aus ungestört geführt werden konnte.“
Von Holger Elias
Artikel in: Die Linkszeitung, 12.09.2005
Im Moment scheint es so, als würde der Tonfall zwischen den USA und Teheran wieder um einige Nuancen schärfer werden. Eine Woche vor der Sitzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), in der es um Irans Atomprogramm gehen soll, deutet zugleich vieles darauf hin, dass die Europäische Union ihre vermittelnde Position allmählich aufgibt und sich - statt neue ökonomische und politische Angebote an die Adresse Teherans zu richten - auf die Seite der Amerikaner schlägt. Jedenfalls äußerten sich einige EU-Diplomaten dahingehend, dass angeblich Großbritannien, Frankreich und Deutschland inzwischen den „Paris-Prozess“ für gescheitert ansehen. Auch die Stimmung im IAEA-Rat soll bereits im Vorfeld der Sitzung gekippt sein, bestätigte ein ranghoher EU-Beamter. Am 19. September könnte nun durchaus beschlossen werden, den UN-Sicherheitsrat anzurufen.
Bislang hielt sich die russische Politik noch mit offiziellen Stellungnahmen zur derzeitigen Lage zurück, aber in der Öffentlichkeit wird der Atomstreit durchaus sehr heftig diskutiert. Einige Experten vermuteten in den vergangenen Tagen, dass ein Militärschlag der USA unvermeidlich sei und unmittelbar bevorstehe. Darauf deute ihrer Auffassung nach die Öffnung einer US-Militärbase in Turkmenien hin. Mit der könnten die Amerikaner den Ring um den Iran endgültig schließen, der gesprengt worden war, nach dem die US-Truppen aus Usbekistan abziehen mussten. Es entstand eine strategische Lücke in dieser Region, die durch das US-Militär nun wieder geschlossen werden kann.
Die Russen sehen den Vorgang mit zunehmender Sorge. Der US-Stützpunkt in Turkmenien beeinträchtigt tatsächlich die Interessen Russlands, begründete der Vorsitzende des Islamischen Komitees Russlands, Gejdar Dschemal, in einem Gespräch mit der Zeitung „Nowyje Iswestija“. Einerseits würde Washington dadurch so gut wie alle Republiken Zentralasiens unter seine Kontrolle bekommen, andererseits verliert Russland mit dem Iran einen wichtigen Verbündeten in der Region. Die wirtschaftlichen Folgen eines Angriff der Amerikaner auf Teheran wären für Russland immens. Zudem gerate die Infrastruktur der Region aus allen Fugen und man müsse einen Flüchtlingsstrom einkalkulieren. Und nicht zuletzt: Sollte eine Invasion gelingen, dann bekämen die USA alle wichtigsten Ölreserven, aus denen heute Europa beliefert wird, in ihre Hände. Eine Horrorvision.
Es sei schon bemerkenswert, dass die EU die Politik der USA flankiert, wohl wissend, dass dies die Eskalation weiter voranbringt, kritisiert der Koordinator der Linksfraktion (GUE/NGL) im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung des EU-Parlaments, Tobias Pflüger. „Mit dieser Entscheidung ist der Countdown für einen Krieg begonnen worden.“ Auch das seinerzeit von der EU vorgelegte Abkommen mit dem Iran sei faul gewesen sei und könne „nur als Eskalationsschritt gewertet“ werden. „Der Iran sollte vertraglich auf das Recht verzichten, den Atomwaffensperrvertrag zu kündigen“, begründete er. Aber noch nie habe ein Staat eine solche Verpflichtung „zum einseitigen Souveränitätsverzicht unterschreiben“ müssen. Im Gegenzug wollte die EU dem Iran garantieren, „dass er nicht mit Atomwaffen von EU-Mitgliedstaaten angegriffen würde“. Von den USA war aber nicht die Rede.
Pflüger vermutet, dass die EU aus dem Irak-Krieg nichts gelernt habe, sonst würde sie den USA nicht zur Seite springen. Außerdem sei die Europäische Union ein denkbar schlechter Makler, auch weil sie selbst Atomenergie fördere. Zudem wollen weder Frankreich noch Großbritannien auf ihre Atomwaffen verzichten und Deutschland halte Urananreicherung vor. Insofern sei die deutsche Rolle kritisch zu bewerten, meint der Politiker: „Auf der eine Seite gebärden sich Kanzler Schröder und Außenminister Fischer in punkto Iran im Wahlkampf als Friedensengel. Nun geben sie aber ihr OK für einen entscheidenden Schritt in Richtung eines möglichen Krieges. Rot-Grün verhält sich ähnlich wie im Irak-Krieg, wo man zwar keine eigenen Soldaten schickte, aber alles tat, damit der Krieg auch von Deutschland aus ungestört geführt werden konnte.“
Von Holger Elias
Tobias Pflüger - 2005/09/13 09:43
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