»Wir werden von vielen Prominenten unterstützt«
Pressebericht in: junge Welt vom 16.09.2005
Interview
Antifaschistische Gala in Berlin. Ein Gratiscocktail pro mitgebrachtem NPD-Plakat. Polizei wird herausgefordert. Ein Gespräch mit Michael Kronewetter
* Dr. Michael Kronewetter ist Pressesprecher der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB). Informationen: www.antifa.de
F: Ende August ist die Berliner Polizei gegen eine Veranstaltung der Antifa vorgegangen, weil dort gegen Abgabe eines abgerissenen NPD-Plakates ein Gratiscocktail ausgeschenkt wurde. Heute abend wollen Sie die Polizei erneut herausfordern – und zwar mit einem antifaschistischen Gala-Abend. Mit wieviel Leuten rechnen Sie? Bekommen Sie Unterstützung?
Wir rechnen mit einem vollen Saal. Das Statthaus Böcklerpark in Berlin-Kreuzberg faßt 800 Menschen, und ich denke, wir werden den Laden voll bekommen. Inzwischen laden mehr als 200 Gruppen und Einzelpersonen zu dieser Veranstaltung ein. Darunter sind Persönlichkeiten wie der Europa-Abgeordnete Tobias Pflüger, die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, oder der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordetenhaus, Volker Ratzmann. Auch der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Hans-Christian Ströbele, hat sein Kommen angekündigt. Angesichts so vieler Prominenter glaube ich, daß sich die Polizei fragt, ob sie es sich leisten kann, eine so große Gruppe von Menschen zu kriminalisieren.
F: Sie rechnen also damit, daß die Polizei Ihre Veranstaltung nicht besucht?
Wir wissen es nicht genau. Die Hatz auf Antifaschisten geht offensichtlich weiter, erst am Donnerstag gab es wieder eine Hausdurchsuchung, bei der sich ein Beamter des Landeskriminalamtes für unsere Gala ankündigte. Wir rechnen aber eher nicht damit, daß der SPD-Innensenator Ehrhart Körting die Polizei einsetzt. Er würde sich politisch lächerlich machen.
F: Waren Sie selbst Vorbild und haben Nazimüll eingesammelt?
Eigentlich habe ich schon immer Nazimüll unschädlich gemacht, wo ich ihn gefunden habe. Und zwar, seitdem ich politisch denken kann.
F: Wo in Berlin findet man Nazimaterial, mit dem man sich einen Freicocktail verdienen kann?
Nazimüll ist nicht nur in Form von Wahlplakaten zu finden, sondern auch als Aufkleber. Wenn man aufmerksam ist, wird man sicher einiges finden, gerade in den Berliner Ostbezirken, in denen die Zusammensetzung der Bevölkerung weniger von linker Subkultur geprägt ist. Wer ein herrenloses Plakat auf dem Pflaster oder im Straßengraben findet, kann es gefahrlos mitnehmen, um es zu entsorgen. Das ist nicht strafbar.
F: Die Linkspartei stellt in Berlin gemeinsam mit der SPD den Senat. Enttäuscht es Sie, daß sie die polizeifreundliche Haltung der Sozialdemokraten teilt?
Die Enttäuschung hält sich bei uns in Grenzen, wir erwarten nämlich nicht mehr mehr allzuviel von ihr. Die pragmatische Politik der Linkspartei hat ein erbärmliches Ergebnis gebracht.
F: Auch einige Vertreter der Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus laden zu der Gala ein. Kann man von denen nicht erwarten, daß sie etwas mehr Druck auf den Koalitionspartner SPD ausüben?
Die Ausflüchte sind immer dieselben. Da heißt es dann, der Spielraum sei begrenzt, es sei nur wenig möglich, der Koalitionspartner sperre sich. Es sind halt die üblichen Sprüche, die gebraucht werden, um zu verdecken, daß die Regierungsarbeit in Berlin neoliberale Politik ist. Das Erbärmliche ist, daß kein Profil mehr erkennbar ist. Es gibt bisher keinen einzigen Knackpunkt, an dem sich die Linkspartei durchgesetzt hätte.
F: Am Sonntag wird ein neuer Bundestag gewählt – für wen sollte man sich angesichts der von Ihnen geschilderten Erfahrungen entscheiden?
Radikale Linke tun sich immer schwer mit Wahlempfehlungen. Heimlich wählen sie natürlich trotzdem – und zwar die Linkspartei. Ich persönlich mache das natürlich auch. Das ändert aber nichts daran, daß unsere Skepsis gegenüber dem Parlamentarismus nach wie vor existiert.
* Antifa-Gala, heute, 21 Uhr, Berlin-Kreuzberg, Statthaus Böcklerpark, U-Bahnhof Prinzenstraße
Interview: Lars Jeschonnek
Interview
Antifaschistische Gala in Berlin. Ein Gratiscocktail pro mitgebrachtem NPD-Plakat. Polizei wird herausgefordert. Ein Gespräch mit Michael Kronewetter
* Dr. Michael Kronewetter ist Pressesprecher der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB). Informationen: www.antifa.de
F: Ende August ist die Berliner Polizei gegen eine Veranstaltung der Antifa vorgegangen, weil dort gegen Abgabe eines abgerissenen NPD-Plakates ein Gratiscocktail ausgeschenkt wurde. Heute abend wollen Sie die Polizei erneut herausfordern – und zwar mit einem antifaschistischen Gala-Abend. Mit wieviel Leuten rechnen Sie? Bekommen Sie Unterstützung?
Wir rechnen mit einem vollen Saal. Das Statthaus Böcklerpark in Berlin-Kreuzberg faßt 800 Menschen, und ich denke, wir werden den Laden voll bekommen. Inzwischen laden mehr als 200 Gruppen und Einzelpersonen zu dieser Veranstaltung ein. Darunter sind Persönlichkeiten wie der Europa-Abgeordnete Tobias Pflüger, die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, oder der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordetenhaus, Volker Ratzmann. Auch der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Hans-Christian Ströbele, hat sein Kommen angekündigt. Angesichts so vieler Prominenter glaube ich, daß sich die Polizei fragt, ob sie es sich leisten kann, eine so große Gruppe von Menschen zu kriminalisieren.
F: Sie rechnen also damit, daß die Polizei Ihre Veranstaltung nicht besucht?
Wir wissen es nicht genau. Die Hatz auf Antifaschisten geht offensichtlich weiter, erst am Donnerstag gab es wieder eine Hausdurchsuchung, bei der sich ein Beamter des Landeskriminalamtes für unsere Gala ankündigte. Wir rechnen aber eher nicht damit, daß der SPD-Innensenator Ehrhart Körting die Polizei einsetzt. Er würde sich politisch lächerlich machen.
F: Waren Sie selbst Vorbild und haben Nazimüll eingesammelt?
Eigentlich habe ich schon immer Nazimüll unschädlich gemacht, wo ich ihn gefunden habe. Und zwar, seitdem ich politisch denken kann.
F: Wo in Berlin findet man Nazimaterial, mit dem man sich einen Freicocktail verdienen kann?
Nazimüll ist nicht nur in Form von Wahlplakaten zu finden, sondern auch als Aufkleber. Wenn man aufmerksam ist, wird man sicher einiges finden, gerade in den Berliner Ostbezirken, in denen die Zusammensetzung der Bevölkerung weniger von linker Subkultur geprägt ist. Wer ein herrenloses Plakat auf dem Pflaster oder im Straßengraben findet, kann es gefahrlos mitnehmen, um es zu entsorgen. Das ist nicht strafbar.
F: Die Linkspartei stellt in Berlin gemeinsam mit der SPD den Senat. Enttäuscht es Sie, daß sie die polizeifreundliche Haltung der Sozialdemokraten teilt?
Die Enttäuschung hält sich bei uns in Grenzen, wir erwarten nämlich nicht mehr mehr allzuviel von ihr. Die pragmatische Politik der Linkspartei hat ein erbärmliches Ergebnis gebracht.
F: Auch einige Vertreter der Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus laden zu der Gala ein. Kann man von denen nicht erwarten, daß sie etwas mehr Druck auf den Koalitionspartner SPD ausüben?
Die Ausflüchte sind immer dieselben. Da heißt es dann, der Spielraum sei begrenzt, es sei nur wenig möglich, der Koalitionspartner sperre sich. Es sind halt die üblichen Sprüche, die gebraucht werden, um zu verdecken, daß die Regierungsarbeit in Berlin neoliberale Politik ist. Das Erbärmliche ist, daß kein Profil mehr erkennbar ist. Es gibt bisher keinen einzigen Knackpunkt, an dem sich die Linkspartei durchgesetzt hätte.
F: Am Sonntag wird ein neuer Bundestag gewählt – für wen sollte man sich angesichts der von Ihnen geschilderten Erfahrungen entscheiden?
Radikale Linke tun sich immer schwer mit Wahlempfehlungen. Heimlich wählen sie natürlich trotzdem – und zwar die Linkspartei. Ich persönlich mache das natürlich auch. Das ändert aber nichts daran, daß unsere Skepsis gegenüber dem Parlamentarismus nach wie vor existiert.
* Antifa-Gala, heute, 21 Uhr, Berlin-Kreuzberg, Statthaus Böcklerpark, U-Bahnhof Prinzenstraße
Interview: Lars Jeschonnek
Tobias Pflüger - 2005/09/16 14:12
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