»Im großen und ganzen bin ich zufrieden«

junge Welt vom 30.05.2011

Frank Brendle

Im Programmentwurf der Linkspartei sind aber einige friedenspolitische Passagen noch nachzubessern.
Ein Gespräch mit Tobias Pflüger

Tobias Pflüger ist Mitglied des Parteivorstandes der Partei Die Linke. und im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung

Die Position zu UN-Militäreinsätzen sorgt in der Linkspartei immer wieder für Streit. Was sagt der neue Programmentwurf dazu?

Die bisherige Beschlußlage wurde bekräftigt. Die wesentlichen Teile des Leitantrags für den Programmparteitag sind jetzt im Vorstand beschlossen worden, und darin sagt die Partei wieder nein zu Kriegseinsätzen und lehnt auch Einsätze nach Kapitel VII der UN-Charta ab.

An den Formulierungen zur UNO haben Sie dennoch Kritik?

Ja, zum Teil. Die Forderung nach einer besseren Legitimation des Sicherheitsrates ist mißverständlich und problematisch. Der UN-Sicherheitsrat legitimierte in einer noch nie dagewesenen Weise den Libyen-Krieg, die von der UN mitverantwortete Militär­intervention in der Elfenbeinküste war sehr parteiisch. Wir müssen dagegen eine UNO fordern, die demokratisiert und nicht militarisiert wird. Da findet der Parteitag sicher noch einen Konsens.

Der Entwurf wendet sich eindeutig gegen die Ausrichtung der Bundeswehr als Interventionsarmee. Es wird gefordert, die »kriegführungsfähigsten Teile« der Bundeswehr zuerst abzurüsten. Die Spezialkräfte werden zwar nicht direkt benannt, aber die Absicht ist eindeutig.

Zur NATO ist die Formulierung sehr klar: Bisher wurde ihre Auflösung und Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einschluß Rußlands gefordert. Das ist jetzt ergänzt worden durch die Forderung nach dem Austritt aus den militärischen Strukturen der NATO.

Warum wird nicht der komplette Austritt aus der NATO gefordert?

Ich fände eine Formulierung, wie sie die Linksjugend [’solid] fordert – also Auflösung der NATO und Austritt – auch besser. Aber mit der jetzigen Kompromißformel kann man umgehen.

Wie steht es mit der Europäischen Union, die schrittweise zur Militärmacht ausgebaut wird?

Da sind einige wichtige Punkte präzisiert, etwa die Ablehnung der Battle Groups, die zentral sind für die EU-Interventionsfähigkeit. Außerdem soll es einen Neustart der EU geben »mit einer vollständigen Revision jener primärrechtlichen Grundelemente der EU, die militaristisch, undemokratisch und neoliberal sind«. Besser wäre es gewesen, eine Generalrevision aller EU-Verträge zu fordern, das klappt aber vielleicht noch auf dem Parteitag.

Warum werden auch Auslandseinsätze der Polizei abgelehnt?

Das ist die konkrete Erfahrung aus der Praxis: Die Polizei wird immer häufiger zur Begleitung von Militäreinsätzen ins Ausland geschickt. Daß wir dem eine Absage erteilen, ist eine wichtige Ergänzung.

Der Entwurf lehnt Inlandseinsätze der Bundeswehr ab. Warum fehlt die Forderung, die dafür schon gebildeten Strukturen abzuschaffen?

Es ist richtig, daß hier eine Konkretisierung sinnvoll wäre, etwa, daß man die Verbindungskommandos der Bundeswehr in den Kommunen aufgelöst haben will. Ich kann mir vorstellen, daß wir das auf dem Parteitag einvernehmlich ergänzen.

Die Linke-Bundestagsfraktion hat gleichzeitig ein Papier zur Bundeswehrreform beschlossen, das erheblich weniger entschlossen wirkt. Dort werden weder UN-Einsätze noch Polizeimissionen angesprochen. Hinkt die Fraktion der Partei hinterher?

Das würde ich so nicht sagen. Eine der Voraussetzungen für das jetzt in der Fraktion beschlossene Papier war, daß man strittige Fragen, die im Programm geklärt werden, außen vor läßt.

Aber einige Abgeordnete könnten sich darauf berufen, daß sie nur an das eigene Papier, nicht an das Parteiprogramm, gebunden sind.

Es ist auch innerhalb der Fraktion klar, daß das Papier zur Bundeswehr im Rahmen des Programmentwurfs steht. Und darin sind diese Fragen ja eindeutig geklärt.

Wo steht die Linkspartei jetzt friedenspolitisch?

Man kann noch eine Reihe von Punkten konkretisieren und verbessern, wie etwa zur EU, zur Bundeswehr und vor allem zum UN-Sicherheitsrat. Aber im Großen und Ganzen bin ich zufrieden. Der Entwurf ist ein ordentlicher Rahmen, innerhalb dessen man gute Friedenspolitik machen kann.

Original unter: http://www.jungewelt.de/2011/05-30/055.php (Nur lesbar mit Online-Abo der jungen Welt)

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