Linke und ganz Linke

Pressebericht in: Junge Welt, 10.06.2006

Am Wochenende treffen sich Oppositionelle aus WASG und Linkspartei.PDS zur Beratung. Ungewißheit über Protestaktionen gegen Bush-Besuch

Jürgen Elsässer

Am Sonnabend wird ganz Deutschland im Fußball-Taumel sein: Himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt, je nach Ausgang des WM-Eröffnungsspiels der Klinsmann-Truppe gegen Costa Rica am Vorabend. Ganz Deutschland? Klassenkämpfer haben andere Schwerpunkte. Am Sonnabend trifft sich die »Antikapitalistische Linke« aus WASG und PDS in der Berliner Humboldt-Universität.

Das Timing ist geschickt. Man tagt just im selben Saal, in dem um 13 Uhr der Jugendverband solid die ewige Frage »Was ist links?« klären will. Zwei der Redner – die Europaabgeordneten Sahra Wagenknecht und Tobias Pflüger – gehören zu den Einladern der Strömungskonferenz, die um 15.30 Uhr eröffnet wird. Die Spekulation, daß ein Gutteil der Youngster sitzen bleiben wird, könnte aufgehen. Für den von solid ebenfalls eingeladenen Oskar Lafontaine wird das allerdings nicht zutreffen – er wird dann schon zum Pressefest des Neuen Deutschland weitergeeilt sein.

Die »Antikapitalistische Linke« hatte sich Anfang März über einen Aufruf konstituiert, der neben den erwähnten Europaparlamentariern von acht Bundestagsabgeordneten – Nele Hirsch, Eva Bulling-Schröter, Sevim Dagdelen, Lutz Heilmann, Ulla Jelpke, Heike Hänsel, Elke Reinke und Dorothée Menzner – sowie über 500 weiteren Mitgliedern beider Parteien unterzeichnet worden ist. Neben einem Bekenntnis zu einer grundsätzlichen gesellschaftlichen Alternative enthält er einen umfänglichen politischen Forderungskatalog, von dessen Erfüllung etwa die Beteiligung an Regierungskoalitionen abhängig gemacht werden soll.

Eigentlich könnte man hoffen, daß das Treffen am Sonnabend aus dieser Wundertüte einige Knaller herauszieht, mit der die Strömung politik- und kampagnenfähig wird. Doch es ist auch gut möglich, daß die Zusammenkunft chaotisch wird: Zur Teilnahme aufgerufen haben nämlich auch die Hardliner der Berliner WASG und ihre Satelliten aus dem Bundesgebiet, die gegen den Willen der großen Mehrheit der Bundespartei der Linkspartei an der Spree den Kampf angesagt haben. Dieses Fähnlein hat sich – typisch links, denkt Otto Normalverbraucher – um eine separate »Erklärung antikapitalistische Linke« konstituiert, deren Unterschiede zum »Aufruf« man mit Mühe suchen muß – außer daß er explizit für ein Berliner WASG-Solo beim Urnengang im Herbst plädiert. Noch undurchschaubarer wird das Kuddelmuddel, weil sich einige Fürsprecher einer Kampfkandidatur gegen die Linkspartei auch unter dem »Aufruf« finden – etwa die WASG-Vorständler Karsten Dörre aus Mecklenburg-Vorpommern und Edith Bartelmus-Scholich aus Nordrhein-Westfalen.

Die vernünftigen Antikapitalisten stehen (nicht nur) am Wochenende vor keiner leichten Aufgabe: Entweder sie zeigen den Wirrköpfen die rote Karte – dann hätte sich die Strömung, kaum konstituiert, schon wieder gespalten. Oder sie halten die Differenzen zu ihnen aus – dann aber wächst die Kluft zwischen Pflüger, Wagenknecht und Co. auf der einen sowie Lafontaine und dem WASG-Bundesvorstand auf der anderen Seite, die eigentlich Verbündete im Kampf gegen die neoliberale Kontamination der neuen Linken sind.

Gefahr droht auch aus Mecklenburg-Vorpommern: Eigentlich sollte die Demonstration gegen den Besuch von US-Präsident George W. Bush in Stralsund am 14. Juli die neue Linke als entschiedene Antikriegskraft profilieren, Pflüger und Lafontaine haben bereits als Redner zugesagt. Aber anscheinend gibt es im Landesverband der Linkspartei einige Bedenkenträger, die der Konfrontation mit dem Koalitionspartner SPD und der Landespolizei ausweichen und an jenem Tag nicht vor Ort demonstrieren, sondern fernab vom Schuß in Greifswald ein »Friedensfest« feiern wollen. Unsicher ist auch, ob die linken Minister Helmut Holter, Wolfgang Methling und Marianne Linke an jenem Tag gegen Bush marschieren – oder ihm beim offi-ziellen Empfang protokollgemäß die Hand geben werden. Näheres könnte sich ebenfalls am Sonnabend entscheiden – auf der Tagung des Landesvorstandes im ehemaligen Kulturhaus in Teterow. Die Sitzung beginnt um 10 Uhr und ist öffentlich.

Trackback URL:
https://tobiaspflueger.twoday.net/stories/2157787/modTrackback

logo
tobias pflueger DieLinke_RGB


Startseite
Über mich
Kontakt

Suche

 

RSS-Feed: Informationsstelle Militarisierung

Archiv

Status

Online seit 7180 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 2013/01/26 00:43

User Status

Du bist nicht angemeldet.