»Das sind Killerwaffen in staatlicher Hand«

Interview in: Tageszeitung junge Welt, 26.01.2013 / Inland / Seite 2 / Peter Wolter

Bewaffnete Drohnen, wie die Bundeswehr sie haben will, müssen international geächtet werden. Ein Gespräch mit Tobias Pflüger

Tobias Pflüger ist Mitglied des Parteivorstandes der Partei Die Linke und des Vorstandes der Informationsstelle Militarisierung Tübingen (IMI)

Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion angekündigt, die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen ausrüsten zu wollen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, das zu verhindern?
Wir müssen in der Öffentlichkeit deutlich machen, daß Drohnen brutale Mörderwaffen sind. In der Friedensbewegung starten wir gerade eine Anti-Drohnen-Kampagne. Ein erster Schritt wäre, daß in Deutschland ein Moratorium beschlossen würde und keine bewaffneten und militärisch nutzbaren Drohnen angeschafft werden. Drohnen müssen als Waffen international geächtet werden. Das alles müssen wir einfordern.

Wie soll das denn geschehen?
Leider ist es so, daß die Bundesregierung voll darauf setzt, bewaffnete Drohnen für die Luftwaffe anzuschaffen – Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte schon vor Monaten angekündigt, was die Bundesregierung jetzt offiziell bestätigt hat. Interessanterweise ist mittlerweile auch die UN skeptisch geworden. Der Hohe Kommissar für Menschenrechte hat Untersuchungen darüber eingeleitet, in welchem Maße Zivilisten zum Opfer von Drohnenangriffen werden.

Mit diesen ferngelenkten Waffen kann man aus dem Büro heraus Krieg führen, kein deutscher Soldat wird ins Ausland geschickt. Senkt diese neue Technik nicht die Schwelle zur Kriegsbereitschaft?
Enorm. Es ist ja auch viel einfacher, Gegner zu töten, die man nicht sieht und nicht kennt. Und man entscheidet sich schneller für einen solchen Angriff als für eine Großinvasion mit Soldaten und Panzern.

Der Einsatz von Drohnen ist auch billiger. Hat bei dieser Entscheidung vielleicht auch der Wunsch nach betriebswirtschaftlicher Optimierung der Streitkräfte eine Rolle gespielt?
Das paßt in die Entwicklung, daß die Bundeswehr quantitativ zwar abrüstet, qualitativ aber aufrüstet.

Welche Rolle spielt die Industrie bei dieser Entscheidung? Rheinmetall zum Beispiel stellt solche Fluggeräte her und will sie sicher auch gern exportieren. Da winkt ein Milliardengeschäft.
Das ist im Moment ein spannendes Rennen zwischen den Anbietern. Zur Zeit hat die Bundeswehr einige Aufklärungsdrohnen »Heron« aus Israel im Einsatz – die Herstellerfirma will natürlich im Geschäft bleiben. Verschiedene europäische Rüstungsfirmen, darunter Rheinmetall und EADS, wollen auch zum Zuge kommen. Da läuft ein heftiges Wettrennen um die Aufträge, bei dem die deutschen Firmen ganz vorne mitspielen wollen.

Verändert nicht die Möglichkeit, über Drohnen zu verfügen, das militärische Denken?
Durch und durch – es werden ja keine Soldaten im direkten Kampf eingesetzt, man braucht keine Rücksicht auf eigene Verluste zu nehmen. Man erspart sich auch unangenehme Schlagzeilen in der Presse und damit Proteste zu Hause, wenn keine eigenen Opfer zu beklagen sind.

Muß das Vorhaben vom Bundestag abgesegnet werden, oder kann die Regierung das einfach beschließen?
Ich bin der Ansicht, daß der Bundestag mindestens beteiligt werden muß. Die Linksfraktion hat übrigens mehrfach darauf hingewiesen, daß der militärische Einsatz von Drohnen ausgeschlossen werden muß – es geht immerhin um eine Grundsatzentscheidung. Aber offensichtlich soll das wie eine »normale« Beschaffung behandelt werden.

Die SPD gibt sich kritisch und meldet Bedenken an: Die Beschaffung von Drohnen müsse ethisch diskutiert werden und in der EU abgestimmt sein. Wie verstehen Sie das?
Das läuft auf nichts anderes hinaus, als daß bewaffnete Drohnen nicht von Deutschland allein, sondern zugleich auch von anderen Staaten eingeführt werden. Und die Forderung nach ethischer Diskussion erinnert mich an den Knaller von de Maizière, der behauptete, Waffen seien für ihn »ethisch neutral«. Genau das Gegenteil ist doch der Fall: Das sind Tötungsinstrumente in staatlicher Hand, damit wird gemordet. Das einzig ethisch verantwortbare ist das Verbot der Killerwaffen Drohnen.

Läßt sich auf Europa-Ebene dagegen etwas unternehmen?
Das Europaparlament und der Europarat müßten Kriterien beschließen, die einen Einsatz solcher Waffensysteme verbieten.

Original unter: http://www.jungewelt.de/2013/01-26/017.php

Die Antwort auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion: http://www.andrej-hunko.de/start/download/doc_download/277-keine-drohnen-strategie-der-europaeischen-union-ohne-die-zivilgesellschaft

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