150 AachenerInnen trugen den Protest gegen Solanas Ehrung vor das Rathaus

Pressebericht in: Linke Zeitung, 18.05.2007

Populär ist der Karlspreisträger des Jahres 2007 der Hohe Kommissar und designierte Außenminister der Europäischen Union, Javier Solana, in Aachen nicht. Zu viele AachenerInnen haben in Erinnerung behalten, dass er 1999 als Nato-Generalsekretär maßgeblich für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Jugoslawien verantwortlich war. Mehr als 600 AachenerInnen hatten in den Wochen vor der Preisverleihung den Aufruf „Kein Karlspreis an Solana" unterzeichnet. Am Vorabend der Karlspreisverleihung fand in Aachen eine gut besuchte Podiumsdiskussion „Vom Jugoslawienkrieg zur Militarisierung der EU" statt. Reinhard Voß, Pax Christi, Harald Kampffmeyer, „Nato-Kriegsopfer klagen auf Schadenersatz" und Tobias Pflüger MdEP, „Informationsstelle Militarisierung" beleuchteten die zentrale Rolle Solanas bei der Militarisierung der EU.

Am Rande der traditionellen Preisverleihung am Himmelfahrtstag im Aachener Rathaus dominierte dann auch der lautstarke Protest. Mehr als 150 friedensbewegte und linke BürgerInnen sowie einige UnterstützerInnen aus dem Bundesgebiet, unter Ihnen der Europaabgeordnete Tobias Pflüger, skandierten „Kriegstreiber, Kriegstreiber!". Für sie ist Solana Symbol, Architekt und Umsetzer der Militarisierung Europas. Sie waren nicht nur bis in den Festsaal zu hören, sondern führten auch das „Puppenkommando", eine aussagekräftige Kollage des niederländischen Aktionskünstlers Ullrich Mies, und zahlreiche Schilder mit Protestparolen mit sich. Die Aachener Bevölkerung war trotz guten Wetters und Übertragung des Festaktes per Großbildschirm auf den Rathausvorplatz dem traditionellen Volksfest überwiegend fern geblieben. Die Protestierenden stellten die deutliche Mehrheit der Anwesenden.
Gegen den friedlichen Bürgerprotest waren Hundertschaften Polizei aufgeboten worden, die zunächst versuchten, die Demonstrierenden vom Betreten des Rathausvorplatzes abzuhalten. An den Absperrungen versuchte die Polizei bekannte UnterzeichnerInnen des Aufrufs „Kein Karlspreis an Solana" und BürgerInnen, die Pappschilder mit Protestparolen mit sich führten, zurück zu halten. Dabei argumentierte eine Beamtin, schon der Ruf „Solana, Du Pisser!" eines Teilnehmers sei eine ernstzunehmende Störung der öffentlichen Ordnung. Die Einsatzleitung der Polizei stellte sich auf den Standpunkt, dass eine angemeldete Protestkundgebung einige Straßen weiter, die einzige legale Form des Protestes an diesem Tag sei. Erst nach zähen Verhandlungen erreichten die protestierenden BürgerInnen den Zugang zum Markt.

Misstrauen und Repression richteten sich auch gegen den linken Ratsherrn der Stadt Aachen Horst Schnitzler, der sein Recht als Gast die Preisverleihung im Saal zu erleben, geltend machte. Als einziges Mitglied des Aachener Stadtrates musste er vor der Veranstaltung eine Erklärung abgeben, dass er die Veranstaltung nicht stören werden. Begründet wurde sies damit, dass er die Erklärung „Kein Karlspreis an Solana" unterzeichnet habe. Zudem wurde ihm untersagt, eine Person seiner Wahl als Begleitung mitzubringen. Einem weiteren linken Ratsmitglied der Stadt Aachen, Marc Treude wurde unter dem Vorwand seine Anmeldung sei zu spät eingetroffen, die Teilnahme am Festakt verweigert. Auch für Horst Schnitzler waren mit der Abgabe der Erklärung die Zumutungen nicht beendet. Vor Betreten des Saales sollten sich seine Begleiterin und er als einzige geladene Gäste einer Leibesvisitation unterziehen. Erst sein Protest gegen diese Sonderbehandlung in Anwesenheit der Medien führte dazu, dass er von dem Leiter des Aachener Ordnungsamtes persönlich in den Saal geleitet wurde. Im Festsaal wurde ihm und seiner Begleiterin dann Sitzplätze direkt neben dem Leiter des Ordnungsamtes zugewiesen. Hinter den beiden „Verdächtigen" nahmen zusätzlich zwei Mitarbeiter des Ordnungsamtes Platz.

Die Zunahme der Repression gegen den friedlichen Bürgerprotest zeigt, dass die Militarisierung nach außen mit einer Entrechtung nach innen Hand in Hand geht, so wie dies historisch immer gewesen sei, betonte in der anschließenden Protestkundgebung die Vertreterin des Netzwerk Linke Opposition, Edith Bartelmus-Scholich, in einem Redebeitrag. Dies sowie die Zusammenhänge zu dem Abbau sozialer Errungenschaften bestätigte Martin Behrsing als Sprecher des Erwerbslosenforum Deutschland. Tobias Pflüger MdEP arbeitete noch einmal klar heraus, dass Solana als „guter Umsetzer" eines Gesamtkonzeptes von ökonomischem und militärischem Machtzuwachs beim Aufbau der EU zur zweiten imperialen Weltmacht noch keinesfalls im Zenit seiner Macht angekommen sei. Alle RednerInnen waren sich einig, dass der Aachener Aktion Vorbildcharakter beim Kampf gegen diese EU Strategie zukomme und dass eine Kampagne unter Einbeziehung der anderen sozialen Bewegungen notwendig sei.

Edith Bartelmus-Scholich, 18.5.07

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