Anwälte im Dauereinsatz

Pressebericht in: Norddeutsche Neueste Nachrichten, 5. Juni 2007

Notdienst betreut 300 Demonstranten / Interview mit Jurist Michael Hofmann

Seit den Randalen am Sonnabend haben auch die Mitarbeiter des anwaltlichen Notdienstes viel zu tun. Die Polizei behindere zum Teil ihre Arbeit, kritisieren die Juristen. NNN-Mitarbeiter Gregor Jungheim sprach dazu mit Rechtsanwalt Michael Hofmann.

Wie viele Fälle hatten Sie und Ihre Kollegen bislang zu bearbeiten?

Hofmann: Bis zum Mittag waren es 285 Ingewahrsamnahmen und neun richterliche Vorführungen mit Haftbefehl innerhalb von vier Tagen.

Worum geht es dabei?

Hofmann: Den meisten Demonstranten werden Verstöße gegen das Sicherheits- und Ordnungsgesetz vorgeworfen. Jene neun Inhaftierten stehen unter dem Verdacht des Landfriedensbruchs. Erfahrungsgemäß stellt sich später heraus, dass viele Ingewahrsamnahmen und Festnahmen rechtswidrig waren. Unser Maßstab für das Ausmaß der Krawalle sind daher erst die rechtskräftigen Verurteilungen.

Wie beurteilen Sie das Verhalten der Polizei gegenüber Rechtsanwälten?

Hofmann: Es gibt immer wieder Fälle, in denen Kollegen trotz der gelben „Legal-Team“-Weste und ihres Ausweises nicht zu den Demonstranten vorgelassen werden. Ein Anwalt wurde mit den Worten „Hau ab, du Arsch, oder du kriegst einen in die Fresse“ beleidigt. Mehrere meiner Kollegen wurden zudem bei verschiedenen Veranstaltungen zu Boden geworfen und erhielten mündliche Platzverweise. Zu einem sagte ein Beamter „Was seid ihr für Anwälte, dass ihr solche Leute verteidigt?“

Was ist Ihre Antwort darauf?

Hofmann: Auch die Steinewerfer haben einen vom Grundgesetz garantierten Anspruch auf anwaltliche Verteidigung. Ohne Zweifel gab es am Sonnabend Straftaten. Kann einem einzelnen Verdächtigen aber keine Tat nachgewiesen werden, ist er freizusprechen. Darauf müssen wir Anwälte achten.

Was sagen Sie zum Vorgehen der Polizei gegenüber den Demonstranten?

Hofmann: Es gibt offensichtlich Greifertrupps, die auch in friedliche Menschenmassen mit Schlagstöcken hineinstürmen. Sie wollen dabei Tatverdächtige ergreifen, die sie in der Menge vermuten. In den Gefangenen-Sammelstellen mussten die Insassen sieben bis neun Stunden auf ihre Anwälte warten. Erst auf Druck des Europa-Parlamentariers Tobias Pflüger wurde die Wartezeit reduziert. Nun gibt es einen Beschluss des Landgerichts Rostock, dass jede Ingewahrsamnahme, die länger als zweieinhalb Stunden dauert, rechtswidrig ist. Zudem wurden verletzte Demonstranten nicht ärztlich behandelt, andere haben Polizisten in menschenunwürdiger Weise abtransportiert, zum Beispiel eine Treppe hochgeschleift.

Gibt es Gespräche, um die Lage zu entschärfen?

Hofmann: Wir werden noch einmal versuchen, mit Kavala zu reden. Wird den Inhaftierten anwaltlicher Beistand verweigert, kann es passieren, dass die Untersuchungshaft aufgehoben wird. Das ist bestimmt nicht im Interesse der Polizei.

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