»Die Grundidee stimmt« Basis für konsequente Friedenspolitik: Das Programm der Linken soll jetzt mit Leben gefüllt werden. Ein Gespräch mit Tobias Pflüger

Claudia Wangerin

Tobias Pflüger ist Mitglied des Bundesvorstandes der Partei Die Linke und im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung Tübingen (IMI)

Die Partei Die Linke hat nach zähem Ringen ein Programm. Sie waren einerseits an der Erstellung des Leitantrags beteiligt, werden aber auch den »Radikalen« zugerechnet, die in einigen Punkten schärfere Formulierungen wollten. Entspricht der jetzt erzielte Kompromiß in den wichtigsten Punkten trotzdem Ihren Vorstellungen?

Das Programm ist mit einer Mehrheit von 96,9 Prozent beschlossen worden. Das ist nach den vielen Diskussionen ein großer Erfolg. Dieses Programm hat einen klaren antikapitalistischen Charakter und ist eine gute Basis für konsequente Friedenspolitik. Im für mich besonders wichtigen Bereich Frieden und internationale Politik haben wir unter anderem beschlossen, daß Die Linke die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen zurückholen will – und daß wir uns für eine Auflösung der NATO einsetzen. Wichtig ist hier, daß Die Linke unabhängig von jeder politischen Konstellation für den Austritt aus den militärischen Strukturen der NATO ist.

Trotzdem waren Sie dafür, Teile dieses Abschnitts im Programm zu ändern, der allerdings nicht zur Einzelabstimmung kam.

An zwei zentralen Stellen werden Auslandseinsätze der Bundeswehr abgelehnt, so auch in der Präambel. An zwei anderen Stellen ist die Rede von Kampfeinsätzen. So zum Beispiel in den »roten Haltelinien« für Regierungsbeteiligungen. Da hätten wir uns mehr Stringenz gewünscht, das heißt, daß überall der Begriff »Auslandseinsätze« auftaucht. Politisch haben wir aber absolut das erreicht, was wir wollten.

Inwiefern?

Oskar Lafontaine hat auf dem Parteitag eine Erklärung abgegeben, daß es mit ihm keine Schlupflöcher in der Frage von Militäreinsätzen im Ausland gibt.

Oskar Lafontaine ist Fraktionsvorsitzender im saarländischen Landtag, er bekleidet im Moment gar kein bundesweites Spitzenamt.

Seine Aussage hatte ja wohl einen doppelten Sinn: Einerseits ist es eine inhaltliche Garantie, auf der anderen Seite eine Ankündigung, daß mit ihm auf Bundesebene wieder zu rechnen ist.

Und Sie rechnen fest mit ihm?

Ja.

Was halten Sie von Lafontaines Vorschlag zur Gründung einer humanitären Einsatzgruppe mit dem Namen »Willy-Brandt-Korps«, der nun ins Parteiprogramm übernommen wurde?

Wichtig ist, daß es sich um eine zivile Institution handelt, die eine Alternative zur Bundeswehr sein soll. Der Name macht sicher nicht alle glücklich, aber die Grundidee stimmt.

Nach welcher historischen Person, die sich für Frieden und internationale Solidarität eingesetzt hat, würden Sie ein solches Korps am ehesten benennen?

Da muß es gar keinen Namen geben. Wichtig ist die Idee.

An welchen Stellen hätten Sie sich noch Präzisierungen im Programmentwurf gewünscht?

Im internationalen Bereich gab es sehr viele sinnvolle Anträge, die dem Programm gutgetan hätten. Zum Beispiel hätte man explizit schreiben können, daß das geforderte kollektive Sicherheitssystem ein ziviles ist. Aber das ist ja so gemeint.

Die Änderungsanträge im Abschnitt über den Nahostkonflikt, das Existenzrecht Israels und einen palästinensischen Staat sind in einer Blockabstimmung abgelehnt worden. Sind Sie mit dem jetzigen Kompromiß zufrieden?

Diesem Abschnitt hätte ein »in den Grenzen von 1967« gutgetan, aber das ist ja indirekt drin – durch den Verweis auf die UN-Resolutionen.

Was halten Sie grundsätzlich von solchen Blockabstimmungen?

Es war sicher eines der zentralen organisatorischen Probleme, wie man mehrere hundert Änderungsanträge in einem demokratisch einwandfreien Verfahren bewältigen soll. Ob diese Form der Blockabstimmung das Glücklichste war, weiß ich nicht.

Abschließend: Das Programm ist eine sehr gute Arbeitsgrundlage, die jetzt mit Leben gefüllt werden muß. Ich freue mich ausdrücklich über die hohe Zustimmung.

Trackback URL:
https://tobiaspflueger.twoday.net/stories/49592413/modTrackback

logo
tobias pflueger DieLinke_RGB


Startseite
Über mich
Kontakt

Suche

 

RSS-Feed: Informationsstelle Militarisierung

Aufrüstung unter dem Stern desSchengen-Beitritts
————————————–...
IMI - 2024/05/02 16:01
Aufrüstung und Grenzgewalt unter dem Stern des bulgarischen Schengen-Beitritts
Die türkisch-bulgarische Grenze gilt unter Nichtregierungsorganisatio nen...
IMI - 2024/05/02 13:57
Klaus Gestwa: Kein Wissenschaftspreis für Kriegspropaganda!
— Einer der vehementesten Fürsprecher für Waffenlieferungen...
IMI - 2024/04/30 11:07
Warnung vor einer Senkung der Hemmschwelle durch den Einsatz...
Expert:innen im Bereich unbemenschter Systeme fordern,...
IMI - 2024/04/29 09:55
Umschalten auf Kriegswirtschaft
Anfang März 2024 legte die Europäische Kommission zwei...
IMI - 2024/04/24 03:57

Archiv

Status

Online seit 7173 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 2013/01/26 00:43

User Status

Du bist nicht angemeldet.