Internierte über Nacht ausgeflogen - Massenabschiebungen von der italienischen Insel Lampedusa kurz vor Ankunft von linken EU-Abgeordneten

Pressebericht in: junge Welt - 30.06.2005 - Christoph Marischka

Kurz vor Ankunft einer Delegation der Linksfraktion des EU-Parlaments (GUE/NGL) am Dienstag wurden mehr als 800 Flüchtlinge in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus dem Internierungslager von der italienischen Insel Lampedusa nach Nordafrika abgeschoben. Offensichtlich wurde das Lager für den Besuch präpariert. Zumindest liegen Gusto Catania, sizilianischer Europaabgeordneter der Rifondazione Comunista, entsprechende Berichte vor. »Es ging den Verantwortlichen nur darum, einen möglichst günstigen Eindruck zu erwecken«, erklärte EU-Abgeordneter Tobias Pflüger auf Lampedusa. In Gesprächen mit Offiziellen sei klargeworden, daß hier gegen den internationalen Flüchtlingsschutz verstoßen wird und radikal Massenabschiebungen ausgeführt werden.

Auf Lampedusa sind die Folgen der EU-Abschottungspolitik am deutlichsten sichtbar. Das von den EU-Abgeordneten besuchte Flüchtlingslager »Airport Zone CPTA« (Centri di Permanenza Temporanea e Assistenza) könnte als Modell für zukünftige Internierungslager in Nordafrika dienen. Es wurde 1998 als Auffanglager für Flüchtlinge eingerichtet, die auf der Insel zwischen Tunesien und Sizilien ankommen. Die Überfahrt dorthin ist gefährlich. Schätzungen zufolge ertrinken 500 afrikanische Migranten jährlich beim Versuch, Italien zu erreichen.

Im Oktober 2004 landeten in einer Woche 1 787 Flüchtlinge in Lampedusa. Erst eine Woche später konnten Vertreter des UN-Hilfswerks für Flüchtlinge (UNHCR) das Lager betreten. In der Zwischenzeit waren von den italienischen Behörden bereits über 1000 Menschen in libysche Lager ausgeflogen worden. Wohin genau, wurde dem UNHCR nicht mitgeteilt. Ähnliches ereignete sich, nachdem Mitte März dieses Jahres 1 235 Flüchtlinge die Insel erreichten: Dem UNHCR wurde erst Zutritt gewährt, als nur noch 80 Flüchtlinge da waren. In dem überfüllten Lager, das in Hütten und Containern über Platz für 190 Menschen verfügt, mußten viele tagelang ohne Matratzen und teilweise ohne Decken schlafen. Durch die mangelnden Kapazitäten produzieren die Behörden einen »Ausnahmezustand«, der »Airport Zone CPTA« zum rechtsfreien Raum für entrechtete Menschen macht. Die meisten von ihnen werden nach Libyen ausgeflogen, wo die EU keine Verantwortung für deren Behandlung übernehmen muß.

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