Presse-Berichte

Berührung ohne Verführung - OFFENER BRIEF*Außerparlamentarische Gruppen fordern die Linkspartei zu stärkerem antirassistischem Engagement auf

Pressebericht in: Freitag: Die Ost-West-Wochenzeitung 29 - 22.07.05 - Steffen Vogel

Links von der SPD tut sich derzeit einiges. Die Betriebsamkeit und das Aufsehen um die Linkspartei sind auch an der außerparlamentarischen Linken nicht spurlos vorüber gegangen. Über 200 Einzelpersonen und Gruppen haben einen "Offenen Brief sozialer und politischer Basisorganisationen" unterschrieben, der am vergangenen Sonntag auf dem PDS-Parteitag in Berlin verteilt wurde. Die Kooperation von Die Linke.PDS und WASG bei der Bundestagswahl wird dort goutiert, da sie einen generellen Auftrieb für linke Politik bedeuten kann. Parteien und soziale Bewegungen agierten zwar in "unterschiedlichen Realitäten", doch könne eine starke Präsenz im Bundestag auch das Handeln außerparlamentarischer Gruppen erleichtern. Übereinstimmungen zur Linkspartei sehen die Unterzeichner in der Sozialpolitik, etwa bei der Ablehnung von Hartz IV oder beim Konzept eines angemessenen Grundeinkommens. Gleichzeitig dürfe "die Thematisierung der sozialen Frage ... auf keinen Fall auf dem Rücken anderer ausgetragen werden. Rassistische, diskriminierende und nationalistische Untertöne haben in linken Parteien keinen Platz". Deswegen halten es die Unterzeicher für geboten, dass sich die beiden Parteien intensiver für Flüchtlingsrechte engagieren. So sollen sie sich unter anderem gegen die Ausbürgerung von über 100.000 Menschen einsetzen, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, sich gegen Abschiebungen und für illegal in Deutschland lebende Menschen stark machen.

Angestoßen wurde der Brief von den Berliner Gruppen Für eine linke Strömung (FelS) und der Antifaschistischen Linken (ALB), die seit Jahren zu den kreativsten außerparlamentarischen Kräften der Hauptstadt zählen. Der Text hatte ein wahrnehmbares Echo. Zu den Unterzeichnern zählen höchst unterschiedliche Gruppen und Personen aus dem gesamten Bundesgebiet: von diversen Antifa-Gruppen, flüchtlingspolitischen und globalisierungskritischen Initiativen bis hin zu linken Christen sowie zahlreichen Wissenschaftlern und Publizisten. Neben einzelnen Gewerkschaftern wie dem Vorstandsmitglied der hessischen DGB-Landesjugend Kolja Möller finden sich auch Mitglieder und Untergliederungen von Die Linke.PDS und WASG bei den Unterstützern, darunter Tobias Pflüger, der als parteiloser Kandidat für die PDS ins Europaparlament eingezogen ist, sowie der Bundessprecherrat des Jugendverbands [´solid].

Die große öffentliche Aufmerksamkeit, die der Linkspartei zuteil wird, soll genutzt werden, um antirassistische Positionen in den Wahlkampf zu tragen. Doch stellt der Brief keine unmittelbare Reaktion auf Lafontaines "Fremdarbeiter"-Äußerung dar, wie Ingo Stützle von FelS erklärt. Vielmehr habe man den Brief schon vor dem so heiß diskutierten Auftritt des Saarländers in Chemnitz schreiben wollen. Jenen Kräften bei PDS und WASG, die sich besonders gegen Rassismus und für die Rechte der Migranten einsetzen, wolle man "den Rücken stärken". Diese Botschaft scheint angekommen zu sein. Zuspruch habe der Vorstoß auf dem jüngsten PDS-Parteitag - so berichtet Stützle - beispielsweise bei Parteimitgliedern gefunden, die in Ostdeutschland antirassistisch engagiert sind oder sich in Sachsen mit einer erstarkten NPD herumschlagen müssen. Die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping habe sogar versucht, der Initiative Rederecht einzuräumen, was allerdings am straffen Zeitplan gescheitert sei. Bei der Linkspartei befinde sich momentan "relativ viel im Fluss", wie Stützle sagt, so dass es nicht gänzlich unrealistisch erscheine, einzelne Punkte auch im Programm zu verankern. Stützle verweist auf Nichi Vendola, der bei den jüngsten italienischen Kommunalwahlen im Frühjahr als Kandidat der Rifondazione Comunista zum Präsident der Region Apulien gewählt wurde. Vendola sorgte Anfang Juli für Aufsehen, als er für die bedingungslose und sofortige Schließung aller so genannten "Zentren für temporären Aufenthalt" - zu Deutsch: Flüchtlingslager - eintrat. Dieses Verlangen will Vendola nun zusammen mit den Präsidenten anderer Regionen im Wahlprogramm des für die Parlamentswahlen 2006 geplanten Mitte-Links-Bündnisses verankern.

Was sonst aus dem Offenen Brief der außerparlamentarischen Gruppen folgt, ist unklar. Für seine Gruppe schließt Stützle eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei außerhalb lokaler Bündnisse aus. Das gelte aber nicht zwangsläufig für den gesamten Kreis der Unterzeichner, schließlich sei dieser ziemlich groß. Für die Linkspartei stellt ein solcher Vorstoß in jedem Fall eine Herausforderung dar. Denn in den vergangenen Wochen haben führende Vertreter sowohl von PDS als auch von WASG wiederholt erklärt, eine noch zu gründende vereinigte Linkspartei solle Raum für die gesamte Linke bieten. Der Jugendverband [´solid] hat den Ball schon angenommen: "Für eine Fraktion, die sich als parlamentarischer Ausdruck von sozialen Bewegungen begreifen sollte, ist ... der Dialog, die Unterstützung und der Rückhalt in sozialen Bewegungen unabdingbar; mindestens genauso wichtig ist eine kritische Begleitung parlamentarischer Arbeit und eine aktive Einflussnahme von sozialen und politischen Basisorganisationen."

Für außerparlamentarische Linke besteht in der Initiative eine Chance und eine Gefahr zugleich. Nur wenige ihrer Gruppen arbeiten kontinuierlich bundesweit, wie etwa Attac und die Bundeskoordination Internationalismus. Viele Kampagnen werden hingegen von oft nur lose vernetzten lokalen Bündnissen und Gruppen getragen. Parteien wie Die Linke.PDS verfügen über eine erheblich stärkere Infrastruktur - hauptamtliche Aktive, ausgeprägte Angebote bei der politischen Bildung, professionalisierte Kampagnen - und werden in den Medien anders wahrgenommen. Außerparlamentarische Projekte können also von möglichen Kooperationen profitieren. Zugleich ist Parteinähe für soziale Bewegungen immer mit dem Risiko verbunden, die eigene Autonomie zugunsten einer übertriebenen Rücksichtnahme - etwa im Wahlkampf - aufzugeben. So bestand vor dem Kosovo-Krieg ein folgenreicher Fehler der Friedensbewegung in ihrer zu engen Tuchfühlung mit den Bündnisgrünen.

http://www.offener-brief-an-linkspartei.de

EU hält an militärischen Planungen fest - 2007 soll die erste „Battle Group“ der Union einsatzbereit sein

Pressebericht in: Neues Deutschland - 13.07.05 - Rainer Rupp

Im Verteidigungsunterausschuss des EU-Parlaments wurde über die militärischen Planziele der EU debattiert. Dabei soll der Aufbau schnell einsatzbereiter Kampfeinheiten im Vordergrund stehen.

„Es dauert sehr lange, schlagkräftige militärische Einheiten aufzubauen“, erklärte am Montagabend der Verteidigungsexperte der britischen EU-Vertretung, Sandy Johnston, im Verteidigungsunterausschuss des Brüsseler Europäischen Parlamentes. Grund für die Erklärung war die Frage des lettischen Abgeordneten Girts Kristovskis, warum der Aufbau der EU-Armee nicht so recht vom Fleck komme. Flugzeuge, Schiffe, Panzer und Soldaten seien zwar vorhanden, ergänzte der Brite, aber das Problem liege woanders: „Früher haben wir nur unsere Grenzen verteigt. Heute verteidigen wir unsere Interessen und unsere Sicherheit weit weg von unseren Grenzen.“

Johnston räumte ein, dass die „Militärischen Planziele 2010“ der EU seit ihrer Konzenption im Vertrag von Nizza eine Veränderung durchlaufen hätten. Zwar habe man das Ziel 60.000 Soldaten jederzeit rund um den Globus einsetzen zu können, und dafür eine EU-Armee von insgesamt 180.000 Soldaten aufzubauen, nicht aufgegeben. Doch in der Praxis sei man auf drei größere Hindernisse gestoßen: die mangelnde Fähigkeit zum Zusammenwirken der Waffen- und Kommunikationssysteme, die ungenügenden logistischen Fähigkeiten, die Truppen an weitentfernte Einsatzorte zu bringen, und die Schwierigkeiten, die kämpfende Truppe mit Essen und Munition zu versorgen.

Daher habe man sich für das mittelfristig Machbare entschieden: die Schaffung von rund zwölf je 1500 Mann starken Kampfeinheiten. Bereits 2007 soll die erste dieser „Battle Groups“ einsatzbereit sein. Parallel dazu arbeitet die EU im Rahmen ihres „Zivilen Planzieles 2008“ an nicht militärischen „Krisenmanagment-Paketen“, zu denen Polizeikräfte,
Beobachter, Juristen und Koordinatoren für Hilfeleistungen gehören sollen.

Die EU fasst nach Angaben Johnstons auch die Schaffung einer „Ziv-Mil-Zelle“ ins Auge, in der die militärischen und zivilen Pakete der EU im so genannten Krisenfall kombiniert zum Einsatz kämen. Weder die NATO noch die USA hätten so etwas, weshalb derartige Interventionen auch nur von einem EU-Operationszentrum – das sich im Aufbau befinden – geführt werden könnten. Damit dürfte die EU einen eleganten Weg gefunden haben, um die von USA und NATO immer wieder erhobenen Führungsansprüche bei Interventionen auszuhebeln.

Die Zeitspanne von der politischen Entscheidung der EU bis zur militärischen Intervention dürfte höchstens
fünf Tage dauern. Als Vorbild für die EU-Kampfeinheiten diene das britische „Spear Head Batallion“, das innerhalb von 24 Stunden weltweit einsatzbereit sei.

Den Einwand des Vertreters der Linksfraktion, Tobias Pflüger, dass in der Bundesrepublik zuerst das Parlament einem solchen Einsatz zustimmen müsse, wischte Johnston vom Tisch. Auch die deutschen Parlamentarier bekämen ausreichend Zeit, sagte er. Auf die Frage ob die EU-Interventionen nach USA-Vorbild „auch präventiv“ ausfallen könnten, räumte Johnston ein, dass die EU Präventiveingriffe „weder aus- noch einschließt“. Daher würden sich auch in Zukunft Koalitionen der „Willigen“ bilden, um präventiv zuzuschlagen. Pflüger wollte auch wissen, ob die „Fähigkeit, in zwei Krisenherden gleichzeitig Krieg zu führen“, Ziel der EU bleibe. „Ja“ antwortete der Brite, „aber nur im Falle von
Krisenmanagment“. Schließlich werde „die EU keine Kriege führen“.

Die WASG droht – und Maurer gewinnt - PDS setzt den früheren SPD-Landesvorsitzenden auf Platz eins ihrer Wahlliste

Pressebericht in: Stuttgarter Zeitung - 18.07.05 - Matthias Schiermeyer

Ulrich Maurer ist der Spitzenkandidat des Linksbündnisses im Südwesten. Ein Triumph gelang ihm nicht: Auf dem Parteitag der PDS, jetzt Linkspartei, erhielt er lediglich 57,8 Prozent der Stimmen.

Am späten Nachmittag wird es in der Untertürkheimer Sängerhalle doch noch spannend. Plötzlich ist Ulrich Maurer nicht mehr der einzige ernst zu nehmende Kandidat, der für den Spitzenplatz auf der offenen Liste der Linkspartei – der bisherigen PDS – antritt. Carsten Labudda, Andreas Hauß und Michael Moos wagen es, den Politprofi herauszufordern. Dabei war dieser eigens in die WASG eingetreten, um das Linksbündnis an vorderster Stelle zu repräsentieren. Mit Zählkandidaten ist in der PDS stets zu rechnen, aber dass ausgerechnet Michael Moos, der in der Partei einen guten Ruf genießt, Maurer den Kampf ansagt, überraschte die Parteitagsstrategen.

Dabei haben es sich die führenden Köpfe von WASG und PDS so schön ausgedacht, um die Frauen und die WASG zu ihrem Recht kommen zu lassen: Maurer soll für Platz eins kandidieren und die Tübinger Attac-Vorkämpferin Heike Hänsel, die Karlsruher DGBVorsitzende Karin Binder sowie der Freiburger Strafverteidiger Michael Moos für die Plätze zwei bis vier. Mehr Abgeordnete, so rechnet man, seien kaum in den Bundestag zu bringen. Doch Moos durchbricht das „Denkmodell“, und Maurer, der klare Favorit der WASG, muss heftig für sich werben.

Wer hat das Sagen auf einer gemeinsamen Liste, die aus wahlrechtlichen Gründen von der PDS aufgestellt werden muss? Gut 1100 Mitglieder hat die baden-württembergische WASG, gut 500 die Linkspartei, also die PDS. Es sei doch verständlich, wenn sich die größere Organisation nicht auf Platz vier der Liste wiederfinden wolle, mahnt Maurer. Viele PDSler haben Probleme mit seiner sozialdemokratischen Vergangenheit. Landessprecher Bernhard Strasdeit stellt knapp fest: „Es gibt politische Unterschiede“ – gemeint sind die Bereiche Friedens- und Flüchtlingspolitik. Strasdeit unterstützt Maurer dennoch. Der Europaabgeordnete Tobias Pflüger stellt sich an die Spitze der Kritiker: „Eine ganze Reihe von Personen haben sich die Frage gestellt, warum Ulrich Maurer für Platz eins antritt.“ Es sei nicht gut, dass die Delegierten dies „einfach so akzeptieren müssen“. Auch inhaltlich habe er damit „enorme Schwierigkeiten“. Sogar Michael Moos redet Tacheles: „Wir können nicht die innerparteiliche Demokratie bei anderen kritisieren, wenn wir selbst die Kandidaten nach Proporz aufstellen“, mahnt er. Das sei ein fatales Signal. Die Stuttgarter Stadträtin Ulrike Küstler gibt zu bedenken, dass das Linksbündnis die Unterstützung außerparlamentarischer Gruppen brauche und plädiert für Moos.

Als die Stimmung zu kippen droht, wirft sich WASG-Landessprecher Bernd Riexinger ins Zeug: Wenn Maurer auf Platz vier antreten müsse, „wäre das Bündnis in Baden-Württemberg gescheitert“. Die Delegierten dürften den Erfolg nicht durch unvernünftige Entscheidungen gefährden. „Wir müssen nach diesem Tag noch zusammenarbeiten.“ Am Ende gewinnt Maurer mit 63 von 109 Stimmen vor Moos (29), Labudda (11) und Hauß (3). Er verspricht: „Um die, die mir ihr Vertrauen nicht gegeben haben, werde ich mich kümmern.“ Auf Platz zwei und drei werden, wie angedacht, Hänsel und Binder gewählt, während Moos auf eine zweite Kandidatur verzichtet. In einer Stichwahl um Platz vier setzt sich nach etwa acht Stunden Landesparteitag der Stuttgarter Manfred Hammel durch. Die weiteren Listenplätze werden am nächsten Sonntag ausgelobt.

Karlsruhe kassiert EU-Haftbefehl - Auslieferung soll dem Rechtsstaat angemessen erfolgen / Deutsch-syrischer Kläger frei

Pressebericht in: Neues Deutschland - 19.07.05

Das Bundesverfassungsgericht hat das deutsche Gesetz zum Europäischen Haftbefehl am Montag für nichtig erklärt. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) kündigte einen neuen Entwurf in vier bis sechs Wochen an.
Berlin (Agenturen/ND). Mutmaßliche Straftäter mit deutschem Pass dürfen vorerst nicht mehr an andere EU-Staaten ausgeliefert werden. Damit gab der Zweite Senat der Verfassungsbeschwerde des Deutsch-Syrers Mamoun Darkazanli statt, der nach Spanien ausgeliefert werden sollte. Die Auslieferung Deutscher ist nicht mehr möglich, solange der Bundestag kein neues Gesetz erlässt. Darkazanli wurde am Montag auf freien Fuß gesetzt. Auch in Hessen wurde ein Verdächtiger entlassen. Der mutmaßliche Drogenhändler sollte nach Polen ausgeliefert werden. Nach Angaben der Bundesregierung waren bisher 19 Deutsche von Auslieferungsverfahren betroffen.

Nach Ansicht der Verfassungshüter kann der im Grundgesetz geregelte Schutz Deutscher vor Auslieferung zwar prinzipiell eingeschränkt werden, wie es die EU-Kommission beschlossen hatte, jedoch hätte der EU-Rahmenbeschluss »schonend« umgesetzt werden müssen. Die Grundrechtseinschränkungen der Verfolgten müssten verhältnismäßig bleiben. Deutsche dürften nicht ausgeliefert werden, wenn ihre Taten einen maßgeblichen Inlandsbezug haben. Nur wer sich überwiegend im Ausland strafbar gemacht hat, muss damit rechnen, sich einem ihm fremden Straf- und Prozessrecht unterwerfen zu müssen. Dem Gericht zufolge muss nun künftig auch in jedem Einzelfall durch ein Gericht geprüft werden, ob bei einer Auslieferung die Rechte des Verfolgten gewahrt werden.

Bei Taten mit »maßgeblichem Auslandsbezug« könnten – ein neues Gesetz vorausgesetzt – auch Verdächtige mit deutschem Pass ans EU-Ausland überstellt werden. Wer in einer anderen Rechtsordnung handle, müsse damit rechnen, dort zur Verantwortung gezogen zu werden. Das gelte beispielsweise auch für den internationalen Terrorismus oder den organisierten Drogen- oder Menschenhandel.

Die Karlsruher Richter mahnten zudem einen stärkeren Rechtsschutz gegen Auslieferungsentscheidungen an. Drei der acht Richter des Senats formulierten abweichende Meinungen und forderten teils einen stärkeren Auslieferungsschutz, teils votierten sie gegen die Nichtigkeit des Gesetzes.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) reagierte verärgert. Das Urteil sei »ein weiterer Rückschlag für die Bundesregierung bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus«, sagte die Ministerin in Karlsruhe. Es werde zu einer Bürokratisierung des gerade erst vereinfachten Verfahrens führen. Das Gesetz war im August 2004 in Kraft getreten.

Nach den Worten des SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz jedoch muss der Bundestag sich vorhalten lassen, unkritisch europäische Vorgaben übernommen zu haben. »Ich finde, dass der Gesetzgeber nicht eine seiner besten Leistungen abgeliefert hat«, sagte er dem »Kölner Stadtanzeiger«. Der Rechtsexperte der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, tat gar kund, dass das Gericht »unsere Überzeugung« gestärkt habe, dass der Bundestag nicht nur der Notar der Europäischen Union ist«. Die FDP sah sich durch das Urteil in ihren Bedenken gegen den EU-Haftbefehl bestätigt. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) forderte den Bundestag auf, künftig selbstbewusster mit dem europäischen Recht umzugehen. Das Parlament müsse seine Kontroll- und Gesetzgebungsaufgabe bei der Umsetzung der Brüsseler Bestimmungen wahrnehmen.

Die EU-Abgeordnete der am Wochenende umbenannten Linkspartei und EU-Parlamentsvizepräsidentin Sylvia-Yvonne Kaufmann nannte das Urteil eine »schallende Ohrfeige« für den Bundestag. Ihr Fraktionskollege Tobias Pflüger erinnerte daran, dass Jerzy Montag nach Verabschiedung des Gesetzes den Haftbefehl als »weiteren Baustein des europäischen Raums der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts« gelobt hatte. Vielmehr, so Pflüger, seien die Bundestagsparteien bereit gewesen, »Freiheitsgarantien und rechtsstaatliche Sicherungen abzubauen«.

Karlsruhe kassiert EU-Haftbefehl -Auslieferung soll dem Rechtsstaat angemessen erfolgen / Deutsch-syrischer Kläger frei

Pressebericht in: Neues Deutschland - 19.07.05

Das Bundesverfassungsgericht hat das deutsche Gesetz zum Europäischen Haftbefehl am Montag für nichtig erklärt. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) kündigte einen neuen Entwurf in vier bis sechs Wochen an.
Berlin (Agenturen/ND). Mutmaßliche Straftäter mit deutschem Pass dürfen vorerst nicht mehr an andere EU-Staaten ausgeliefert werden. Damit gab der Zweite Senat der Verfassungsbeschwerde des Deutsch-Syrers Mamoun Darkazanli statt, der nach Spanien ausgeliefert werden sollte. Die Auslieferung Deutscher ist nicht mehr möglich, solange der Bundestag kein neues Gesetz erlässt. Darkazanli wurde am Montag auf freien Fuß gesetzt. Auch in Hessen wurde ein Verdächtiger entlassen. Der mutmaßliche Drogenhändler sollte nach Polen ausgeliefert werden. Nach Angaben der Bundesregierung waren bisher 19 Deutsche von Auslieferungsverfahren betroffen.

Nach Ansicht der Verfassungshüter kann der im Grundgesetz geregelte Schutz Deutscher vor Auslieferung zwar prinzipiell eingeschränkt werden, wie es die EU-Kommission beschlossen hatte, jedoch hätte der EU-Rahmenbeschluss »schonend« umgesetzt werden müssen. Die Grundrechtseinschränkungen der Verfolgten müssten verhältnismäßig bleiben. Deutsche dürften nicht ausgeliefert werden, wenn ihre Taten einen maßgeblichen Inlandsbezug haben. Nur wer sich überwiegend im Ausland strafbar gemacht hat, muss damit rechnen, sich einem ihm fremden Straf- und Prozessrecht unterwerfen zu müssen. Dem Gericht zufolge muss nun künftig auch in jedem Einzelfall durch ein Gericht geprüft werden, ob bei einer Auslieferung die Rechte des Verfolgten gewahrt werden.

Bei Taten mit »maßgeblichem Auslandsbezug« könnten – ein neues Gesetz vorausgesetzt – auch Verdächtige mit deutschem Pass ans EU-Ausland überstellt werden. Wer in einer anderen Rechtsordnung handle, müsse damit rechnen, dort zur Verantwortung gezogen zu werden. Das gelte beispielsweise auch für den internationalen Terrorismus oder den organisierten Drogen- oder Menschenhandel.

Die Karlsruher Richter mahnten zudem einen stärkeren Rechtsschutz gegen Auslieferungsentscheidungen an. Drei der acht Richter des Senats formulierten abweichende Meinungen und forderten teils einen stärkeren Auslieferungsschutz, teils votierten sie gegen die Nichtigkeit des Gesetzes.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) reagierte verärgert. Das Urteil sei »ein weiterer Rückschlag für die Bundesregierung bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus«, sagte die Ministerin in Karlsruhe. Es werde zu einer Bürokratisierung des gerade erst vereinfachten Verfahrens führen. Das Gesetz war im August 2004 in Kraft getreten.

Nach den Worten des SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz jedoch muss der Bundestag sich vorhalten lassen, unkritisch europäische Vorgaben übernommen zu haben. »Ich finde, dass der Gesetzgeber nicht eine seiner besten Leistungen abgeliefert hat«, sagte er dem »Kölner Stadtanzeiger«. Der Rechtsexperte der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, tat gar kund, dass das Gericht »unsere Überzeugung« gestärkt habe, dass der Bundestag nicht nur der Notar der Europäischen Union ist«. Die FDP sah sich durch das Urteil in ihren Bedenken gegen den EU-Haftbefehl bestätigt. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) forderte den Bundestag auf, künftig selbstbewusster mit dem europäischen Recht umzugehen. Das Parlament müsse seine Kontroll- und Gesetzgebungsaufgabe bei der Umsetzung der Brüsseler Bestimmungen wahrnehmen.

Die EU-Abgeordnete der am Wochenende umbenannten Linkspartei und EU-Parlamentsvizepräsidentin Sylvia-Yvonne Kaufmann nannte das Urteil eine »schallende Ohrfeige« für den Bundestag. Ihr Fraktionskollege Tobias Pflüger erinnerte daran, dass Jerzy Montag nach Verabschiedung des Gesetzes den Haftbefehl als »weiteren Baustein des europäischen Raums der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts« gelobt hatte. Vielmehr, so Pflüger, seien die Bundestagsparteien bereit gewesen, »Freiheitsgarantien und rechtsstaatliche Sicherungen abzubauen«.

Tote an Strucks Hindukusch

Interview in: Radio LORA München 92,4 MHz - 12.07.2005

Der afghanische Präsident Hamid Karsai ist weit davon entfernt, das Land unter Kontrolle zu halten. Vielmehr wird inzwischen sogar die Lage in Kabul immer unübersichtlicher. Der organisierte Widerstand gegen die ausländischen Besatzungstruppen, darunter Bundeswehreinheiten hat seit Mai diesen Jahres enorm zugenommen. Ein Hubschrauber mit 18 US-Soldaten wurde von Rebellen abgeschossen, eine US-Spezialeinheit wird seit Tagen vermißt, bei einem US-Angriff sind am Montag 17 Zivilisten getötet worden und nach Berichten der Internetnachrichtenseite „German-Foreign-Policy“ sollen bis zu 12 Bundeswehr-Soldaten des unter Geheimschutz operierenden „Kommando Spezialkräfte“ (kurz KSK) in Afghanistan den Tod gefunden haben. Wir wollten vom parteilosen Europaabgeordneten Tobias Pflüger wissen, ob er von ähnlichen Nachrichten schon gehört hat oder das für reine Spekulation hält?

weiter:
http://freie-radios.info/portal/content.php?id=9800

EU-Parlament macht Washington Freude - Irak-Resolution schont die Agressoren

Pressebericht in: Neues Deutschland - 07.07.05 - Rainer Rupp

In seiner Rede vor der Vollversammlung des Europäischen Parlaments (EP) in Straßburg unterstrich der britische Außenminister Jack Straw am Mittwoch, dass die „Koalitionsstreitkräfte auf Einladung der irakischen Regierung dort sind“, und begrüßte die zur Abstimmung vorliegende Irak-Resolution des EP als „Zeichen des Engagements der Europäischen Union für den neuen Irak.“

In der im Außenpolitischen Ausschuss des EP unter Vorsitz des rechtskonservativen Griechen Giorgos Dimitrakopoulos erarbeiteten Resolution dürfte Straw in der Tat eine weitgehende Bestätigung der britisch-amerikanischen Angriffskriegspolitik sehen. Kritik an der Irak-Kriegsallianz findet sich in dem Papier so gut wie überhaupt nicht. Lediglich die Einhaltung der Genfer Konventionen wird gefordert. Und die Hoffung ausgedrückt (ohne die USA als Adressaten zu nennen), „dass die Lehren aus dem Irak-Krieg in Zukunft zu einem mulilateralen demokratischeren und erfolgsorientierteren Konfliktmanagement“ führen.

Vorrangig ist die EU-Resolution aber bemüht, möglichst schnell alle Gräben zuzuschütten und den Weg freizumachen für ein verstärktes Engagement der EU-Politik und der Konzerne in Irak. Deshalb fordert sie dazu auf, alle ausländischen Streitkräfte durch eine UNO-geführte „Friedenstruppe“ zu ersetzen, wofür sich die EU-Regierungen bei der UNO einsetzen sollen.

In der Resolution, die am Mittwoch mit 345 zu 109 Stimmen bei 167 Enthaltungen angenommen wurde, wird die Völkerrechtswidrigkeit des Angriffskrieges mit keinem Wort mehr erwähnt. Auf telefonische Nachfrage bezeichnete der Vertreter der Linksfraktion im EP-Sicherheits- und Verteidigungsauschuss, der auf der Liste der PDS gewählte Abgeordnete Tobias Pflüger, es gegenüber ND als einen „Skandal“, dass die Mehrheit des EP „sich den offensichtlichen Tatsachen verweigert hat und jegliche Hinweise darauf, dass in Irak keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden und die Irak-Wahlen unter militärischer Besatzung stattgefunden haben, gestrichen hat.“

Um im Rahmen ihrer „Strategischen Partnerschaft für das Mittelmeer und den Mittleren Osten“ möglichst bald neben den US-Amerikanern in Irak Fuß fassen zu können, hat die EU-Kommission bereits im Februar ein neues Hilfspaket von 200 Millionen Euro und ein Programm für die Ausbildung irakischer Polizeieinheiten aufgelegt. Letzteres ist angesichts jüngster Enthüllungen über Abzweigung von Hilfsgeldern für irakische Polizeifolterkommandos besonders pikant. Mit großer Mehrheit angenommen wurde ein Änderungsantrag der belgischen Sozialistin Veronique de Keyser, die wegen der Korruption in Irak gefordert hatte, die EU-Hilfsgelder nicht länger in den USA-kontrollierten Weltbank-Fonds, sondern in UNO-geleitete Programme einzuzahlen.

Nur mit klaren antirassistischen Positionen - Der Tübinger EU-Abgeordnete Tobias Pflüger plädiert für unabhängige Linke auf PDS/WASG-Liste

Interview in: Schwäbisches Tagblatt - 08.07.05 - Volker Rekittke

TÜBINGEN / BRÜSSEL. Seit einem Jahr sitzt der parteilose Tübinger Friedensaktivist Tobias Pflüger im Brüsseler Europäischen Parlament. Wir sprachen mit ihm über das Linksbündnis aus PDS und WASG sowie die Krise der EU.

Wie stehen Sie als Parteiloser, der auf PDS-Ticket nach Brüssel kam, zu dem Bündnis aus PDS und der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG)?

Ein linkes Bündnis von mindestens drei Akteuren, der PDS, der WASG und vor allem auch Menschen aus sozialen Bewegungen, Friedensbewegung und weiteren unabhängigen Linken begrüße ich sehr. Die neoliberale Politik der Berliner Allparteienkoalition schreit geradezu nach organisierter Gegenbewegung. Aber es muss ein Bündnis mit einem klaren inhaltlichen linken Profil sein. Das heißt, neben einer wirklichen sozialen Politik insbesondere ein Kampf um Grundrechte für alle Menschen und klare friedenspolitische Positionen. Mein persönliches Engagement für das geplante Linksbündnis hängt – neben der Ablehnung von jeglichen Auslandseinsätzen der Bundeswehr – wesentlich davon ab, dass klare antirassistische Positionen vertreten werden. Das, was bisher von Oskar Lafontaine in dieWelt gesetzt wurde, ist inakzeptabel und muss endlich deutlich zurückgewiesen werden.

Warum sollte denn das PDS-WASG-Bündnis andere linke Gruppen und Personen einbeziehen?

Um etwa zu verhindern, dass beim ersten Einsatz der Bundeswehr, den eine neue Bundesregierung zur Abstimmung stellt, Abgeordnete des Linksbündnisses zustimmen und den Weg von SPD und Grünen gehen. Ich setze mich dafür ein, dass profilierte Personen aus der Friedensbewegung – die bereit sind, sich mit Militär und Rüstung zu beschäftigen – auf aussichtsreiche Listenplätze kommen. Veränderung beginnt mit Opposition, und die ist dringend notwendig gegen neoliberale und militarisierte Politik.

Die Franzosen haben mit ihrem „Non“ den Ratifizierungsprozess für die EU-Verfassung gestoppt. Um Präsident Chirac abzustrafen oder gar aus nationalistischen Gründen?

Alle Umfragen zeigen, dass der Wunsch nach einem sozialeren Europa die Hauptmotivation für das Nein bildete. Jetzt wollen einige in EU-Kommission und -Rat das Ergebnis umdeuten – als Zeichen gegen den Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten oder den künftigen Türkei-Beitritt. Das ist nicht nur unseriös, sondern falsch. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn stimmte mir darin im Auswärtigen Ausschuss ausdrücklich zu und widersprach damit seinen Kollegen Günther Verheugen und Benita Ferrero-Waldner.

Welches sind Ihre Hauptkritikpunkte an der EU-Verfassung?

Durch diesen EU-Verfassungsvertrag wird kein soziales, demokratisches und ziviles Europa geschaffen. Im Gegenteil:
Die Militarisierung der EU soll in der Verfassung verankert werden, außerdem ist vom neoliberalen Dogma der „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ die Rede. Die sozialen Grundrechte blieben leider nahezu wirkungslos und wurden durch zahlreiche Erläuterungen relativiert – so wird es ein grenzüberschreitendes Streikrechtweiterhin nicht geben.

Wie geht’s nun weiter?

Der Verfassungsvertrag ist leider noch nicht tot. Auch Blair hatte ihm ja zugestimmt: Er hat allen zuhause klar gemacht, dass ein soziales Europa nicht zu „befürchten“ ist. Die weitere Entwicklung hängt auch vom Referendum am 10. Juli in Luxemburg ab. Der Sieg des „Nein“ in den Referenden kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nun müssen alle Versuche abwehrt werden, die neoliberalen und militaristischen Teile des Verfassungsvertrags durch die Hintertür doch noch durchzusetzen.

Die Fragen stellte Volker Rekittke

Kongo-Kinshasa - Gewaltsames Vorgehen gegen Demonstranten

Pressebericht in: ngo-online - 01.07.05

(ngo) Mit Gewalt sind Armee und Polizei gestern in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa gegen Demonstranten vorgegangen, die einem Aufruf von Oppositionsparteien zu friedlichen Protesten gegen die Verschiebung der Wahlen gefolgt waren. Nach Augenzeugenberichten sollen mehre Menschen getötet worden sein. Zudem wurde der Ausnahmezustand verhängt. Tobias Pflüger, Koordinator der Linksfraktion GUE/NGL) im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung (SEDE) im EU-Parlament fordert eine unabhängige Untersuchung über die Rolle der im Land befindlichen EU-Militärberater und deren sofortigen Abzug.

Nach Angaben von Pflüger bildet die Europäische Union derzeit Polizeitruppen in Kinshasa aus. Seit dem 8. Juni seien außerdem EU-Militärberater im "Verteidigungsministerium" und im "Generalstab" tätig.

Pflüger fordert eine sofortige Untersuchung des Europäischen Parlaments, ob beim gewaltsamen Vorgehen gegen Oppositionelle gestern in Kinshasa auch von der EU ausgebildete Polizeitruppen beteiligt waren.

Zudem müssten jetzt nach der Verhängung des Ausnahmezustandes die EU-Militärberater abgezogen werden. Pflüger wörtlich: "Die EU darf sich nicht an der Etablierung einer Militärregierung im Kongo und an der Niederschlagung der demokratischen Proteste im Kongo beteiligen. Die europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben ein Recht darauf zu erfahren, ob ihre Steuern dafür verwendet werden, gegen Demonstrationen paramilitärisch vorzugehen, Menschen zu töten und ein Militärregime im Kongo abzusichern."

Alle Hemmungen beim Waffenexport abgelegt - Öffentliches Hearing linker EU-Parlamentarier in Strasbourg. Alternatives Sicherheitssystem gefordert

Pressebericht in: junge Welt - 01.07.05 - Rainer Rupp

Mit »Waffenexporten in der Europäischen Union« beschäftigten sich europäische Linke am Mittwoch in Strasbourg. Die Fakten stellte EU-Abgeordneter Tobias Pflüger vor. Demnach tätigten Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Schweden als die wichtigsten Waffenexporteure in der EU in den Jahren 1994–2001 ein Drittel aller weltweit abgeschlossenen Rüstungsgeschäfte. Mit der EU-Erweiterung sei inzwischen auch der Anteil am globalen Rüstungsexportmarkt gestiegen. Mittlerweile exportiere die EU mehr Waffen als die USA.

Während des öffentlichen Hearings, zu dem die Linksfraktion (GUE/NGL) im Europäischen Parlament eingeladen hatte, verwies Lühr Henken vom Kasseler Friedensratschlag auf die besondere deutsche Rolle beim Rüstungsexport. Zwar hätte dieser schon unter der Kohl-Regierung einen kräftigen Anschub bekommen, aber erst mit SPD und Grünen seien »alle Hemmungen« gefallen, besonders beim Export von Kleinwaffen, der sich seither fast verdoppelt habe. Einen Beitrag dazu leistet das deutsche Haushaltsgesetz. Demnach ist dem Staat »die Verschrottung von ausgemusterten Waffen« verboten. Zugleich sei vorgeschrieben, daß Waffen ebenso wie zivile Güter bei Ausmusterung vom Bund zum Verkauf angeboten werden müssen. Darauf wies Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) hin. Eine Revision des Haushaltsgesetzes wegen der »tödlichen Langzeitwirkung« von Waffenexporten sei also dringend geboten, schlußfolgerte Nassauer.

Nach Einschätzung des ehemaligen schwedischen EP-Abgeordneten Prof. Herman Schmid sind Waffenexporte in der EU heute weitgehend kommerzialisiert und kein Bestandteil der »traditionellen Sicherheitspolitik« mehr. Ausnahme sei Frankreich, weil dort die Rüstungsindustrie noch weitgehend unter Kontrolle des Staates steht. In allen übrigen Ländern würde die Förderung von Waffenexporten als ganz normale Industrieförderung gesehen. Der spanische Abgeordnete Willy Meyer fand, daß die Europäer mit den USA kaum noch durch »gemeinsame Werte« verbunden seien. Deswegen müßten die Europäer schleunigst ein »alternatives, entmilitarisiertes Sicherheitssystem« entwickeln und Schluß machen mit der »grenzenlose Aufrüstung«.

Das Hearing beschäftigte sich zudem insbesondere mit der Rolle der neuen europäischen Rüstungsagentur und der Formulierung eines gemeinsamen EU-Verhaltenskodexes für die Zukunft der EU-Waffenexporte. Christopher Steinmetz (BITS) ging dabei davon aus, daß der strukturelle Einfluß der Agentur auf die EU-Rüstungsindustrie »stark und nachhaltig« sein wird. Derweil verwies Pflüger darauf, daß die EU-Rüstungsagentur derzeit in einem »halb-rechtsfreien Raum« operiert. Der Chef der Agentur, Nick Witney, sei bisher allen Fragen nach der Rechtsgrundlage der Agentur ausgewichen.
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