Presse-Berichte

Höhlt die EU das Asylrecht aus? - Tobias Pflüger zu den Menschenrechten im Flüchtlingslager Lampedusa

Interview in: Neues Deutschland - 30. Juni 2005 - Fragen: Martin Ling

Sie haben am Dienstag das Flüchtlingslager in Lampedusa besucht. Wie war Ihr Eindruck?

Wir haben im Grunde genommen eine völlig skurrile Situation erlebt. Bevor die Delegation aus zwölf Europaparlamentariern nach Lampedusa in das Abschiebelager gekommen ist, haben die Verantwortlichen rund 800 bis 900 Leute aus dem Lager abgeschoben. Als wir aufgetaucht sind, waren nur noch 190 Menschen dort, was der offiziellen Kapazität entspricht – die Woche zuvor sollen es noch über 1000 gewesen sein.

Wohin wurde der Rest gebracht?

Sie wurden offensichtlich in andere italienische Lager verlegt oder nach Libyen abgeschoben und es verblieben nur die Marokkaner, die Iraker und die Palästinenser.

War es dann überhaupt möglich, sich einen realistischen Eindruck über die Zustände im Lager zu machen?

Das war dennoch möglich, auch wenn das Lager extra vorher gesäubert und alle Häuser und Unterkünfte geputzt wurden. Es ist ein sehr, sehr niedriger Standard. Ein Großteil der Menschen musste auf dem freien Boden zum Teil ohne Decken schlafen. Die Sanitäreinrichtungen sind völlig unzureichend. Das Lager befindet sich direkt am Flugplatz, weil so besser abgeschoben werden kann. Aber das bedeutet gleichzeitig einen enormen Lärm. Es sind völlig unmenschliche und inakzeptable Bedingungen, die klar den Genfer Flüchtlingskonventionen widersprechen.

Wie viele Flüchtlinge kommen denn im Schnitt so an? Gibt es Zahlen?

Wir haben versucht, diese Zahlen herauszubekommen. Von den Offiziellen, mit denen wir gesprochen haben, werden keine konkreten Zahlen genannt. Hilfsorganisationen oder Gruppen, die sich um die Flüchtlinge kümmern, nennen Zahlen. Demnach kommen zum Teil in einzelnen Wochen dreistellige Zahlen von Flüchtlingen an, insbesondere in den Sommermonaten. Die italienische Lagerverwaltung macht es wohl so, dass sie von da aus die Flüchtlinge relativ schnell weiterverteilen lässt oder direkt ohne Prüfung abschiebt.

Auf welcher Grundlage?

Es gibt das so genannte Geheimabkommen zwischen Italien und Libyen und nun frisch auch zwischen der EU und Libyen , worin sich Libyen bereit erklärt hat, die Flüchtlinge wieder aufzunehmen. Flüchtlinge werden abgeschoben, ohne dass eine Asylantragsprüfung überhaupt stattfindet.

Es findet keine Asylantragsüberprüfung statt, obwohl das Italien beim letzten EU-Innenministerratstreffen zugesagt hat?

Richtig. Der verantwortliche Polizeioffizier sagte, es gäbe gar keine Asylanträge. Selbstverständlich werden die Leute Asyl beantragen wollen, aber offensichtlich wird ihnen gar nicht die Gelegenheit dazu gegeben.

Ist denn etwas über die Aufnahmepraxis in Libyen bekannt?

Das war eine unserer Fragen. Wir haben dazu keine Antwort bekommen. In der Fraktion habe ich den Vorschlag gemacht, dass wir als nächstes auch in Libyen versuchen müssen, die dortigen mit EU-Hilfe gebauten Lager zu inspizieren, weil es ganz offensichtlich so ist, dass da völlig im rechtsfreien Raum agiert wird.

Das Asylrecht in der EU wird also immer mehr ausgehöhlt?

Genau. Es ist so, dass nicht mal die Grundstandards der Genfer Flüchtlingskonventionen in Lampedusa eingehalten werden. Ich befürchte, dass exterritoriale Lager, wie vom deutschen Innenminister Otto Schily angedacht, künftig zur allgemeinen EU- Praxis werden . Diese Lager müssen alle geschlossen werden. Und es muss die Frage gestellt werden, warum die Menschen eigentlich fliehen.

Internierte über Nacht ausgeflogen - Massenabschiebungen von der italienischen Insel Lampedusa kurz vor Ankunft von linken EU-Abgeordneten

Pressebericht in: junge Welt - 30.06.2005 - Christoph Marischka

Kurz vor Ankunft einer Delegation der Linksfraktion des EU-Parlaments (GUE/NGL) am Dienstag wurden mehr als 800 Flüchtlinge in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus dem Internierungslager von der italienischen Insel Lampedusa nach Nordafrika abgeschoben. Offensichtlich wurde das Lager für den Besuch präpariert. Zumindest liegen Gusto Catania, sizilianischer Europaabgeordneter der Rifondazione Comunista, entsprechende Berichte vor. »Es ging den Verantwortlichen nur darum, einen möglichst günstigen Eindruck zu erwecken«, erklärte EU-Abgeordneter Tobias Pflüger auf Lampedusa. In Gesprächen mit Offiziellen sei klargeworden, daß hier gegen den internationalen Flüchtlingsschutz verstoßen wird und radikal Massenabschiebungen ausgeführt werden.

Auf Lampedusa sind die Folgen der EU-Abschottungspolitik am deutlichsten sichtbar. Das von den EU-Abgeordneten besuchte Flüchtlingslager »Airport Zone CPTA« (Centri di Permanenza Temporanea e Assistenza) könnte als Modell für zukünftige Internierungslager in Nordafrika dienen. Es wurde 1998 als Auffanglager für Flüchtlinge eingerichtet, die auf der Insel zwischen Tunesien und Sizilien ankommen. Die Überfahrt dorthin ist gefährlich. Schätzungen zufolge ertrinken 500 afrikanische Migranten jährlich beim Versuch, Italien zu erreichen.

Im Oktober 2004 landeten in einer Woche 1 787 Flüchtlinge in Lampedusa. Erst eine Woche später konnten Vertreter des UN-Hilfswerks für Flüchtlinge (UNHCR) das Lager betreten. In der Zwischenzeit waren von den italienischen Behörden bereits über 1000 Menschen in libysche Lager ausgeflogen worden. Wohin genau, wurde dem UNHCR nicht mitgeteilt. Ähnliches ereignete sich, nachdem Mitte März dieses Jahres 1 235 Flüchtlinge die Insel erreichten: Dem UNHCR wurde erst Zutritt gewährt, als nur noch 80 Flüchtlinge da waren. In dem überfüllten Lager, das in Hütten und Containern über Platz für 190 Menschen verfügt, mußten viele tagelang ohne Matratzen und teilweise ohne Decken schlafen. Durch die mangelnden Kapazitäten produzieren die Behörden einen »Ausnahmezustand«, der »Airport Zone CPTA« zum rechtsfreien Raum für entrechtete Menschen macht. Die meisten von ihnen werden nach Libyen ausgeflogen, wo die EU keine Verantwortung für deren Behandlung übernehmen muß.

Konflikt in Chiapas - Basis der Zapatistas entscheidet sich für den politischen Weg

Pressebericht in: ngo online, 29.06.2005

(ngo) In einer Befragung ihrer Basis haben die mexikanischen Zapatista-Guerilleros in den letzten Tagen entschieden, dem militärischen Kampf abzuschwören und "eine politische Initiative nationalen und internationalen Charakters" zu starten. Dies teilte Subcommandante Marcos gestern Nacht im "Sechsten Brief aus der Selva Lacandona" mit. Die Entscheidung fiel in einer Zeit, in der die Zahl der mexikanischen Soldaten in Chiapas erhöht wurde, was sowohl AktivstInnen sozialer Bewegungen wie auch Kirchenvertreter in Mexiko und weltweit mit Sorge erfüllte. Auch der auf der PDS-Liste gewählte Europaparlamentarier Tobias Pflüger beklagte die Militarisierung in Chiapas.

Im südmexianischen Bundesstaat Chiapas herrscht derzeit eine nervöse Unruhe. In den vergangenen zwei Tagen kam es zu einer zusätzlichen Verlegung von rund 1500 Soldaten hin zum Militärstützpunkt Rancho Nuevo, unweit der Hauptstadt des Bundesstaates San Cristóbal de las Casas. Mexikanische soziale Bewegungen und Kirchenvertreter kritisierten diese Maßnahme umgehend. Für Tobias Pflüger sieht es so aus, "dass sich das Mexikanische Militär nicht zurückzieht, sondern im Gegenteil reaktiviert wird und dies als eine offensive Taktik in einer fortgeführten militärischen Strategie gesehen werden kann". Diese Vorgehensweise gefährde den Weg, den die Zapatisten eingeschlagen hätten.

Tatsächlich haben die Zapatisten, die 1994 ihren Aufstand für Demokratie und die Rechte der indigenen Bevölkerungsmehrheit begannen, eine Entscheidung darüber getroffen, wie sie künftig weiterarbeiten wollen. Die militärische Option wurde endgültig ad acta gelegt. Dies erklärte Subcommandante in einem offenen Brief. Die Befragung der Basis und der Sympathisanten ergab gestern, dass 98 Prozent den Start einer "neuen politischen Initiative nationalen und internationalen Charakters" befürworteten. Weitere Informationen sollen in den nächsten Tagen folgen.

Unbegrenzte Rüstung - EU-Parlamentarier sprachen sich für einheitlichen Markt für militärische Güter aus. Selbst Vertretern der Waffenschmieden ging das zu weit

Pressebericht in: junge Welt - 25.06.2005 - Rainer Rupp

Die Beschaffung von Verteidigungsgütern auf dem Binnenmarkt« lautete – politisch korrekt – der Titel der öffentliche Anhörung am Donnerstag im Europäischen Parlament (EP) in Brüssel. Teilgenommen hatte eine Reihe hochkarätiger Persönlichkeiten aus der europäischen Rüstungsindustrie. Mit etwas Mühe waren im Bildhintergrund des Posters, das die Anhörung ankündigte, Schnürstiefel zu erkennen. Diese sollten wohl die Harmlosigkeit der »Verteidigungsgüter« demonstrieren, über die der Ausschuß für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und der Unterausschuß für Sicherheit und Verteidigung diskutieren wollten. Nur die im Saal ausgelegten Hochglanzbroschüren ließen erahnen, worum es tatsächlich ging. Sie enthielten Fotos neuester Panzer, Kampfhubschrauber und Raketen. Mit diesen, so der Begleittext der Rüstungsabteilung (DGA) des französischen Verteidigungsministeriums, solle »die zukünftige europäische strategische Autonomie« geschaffen werden.

Lukrative Geschäfte

Begeistert sprach Arturo Morino, Vertreter der neuen EU-Rüstungsagentur (EDA), denn auch davon, daß es darum gehe, »militärische Kapazitäten zu schaffen«, um weiter »festzustellen, wo die Lücken sind«. Diese sollten dann »mit neuen Aufträgen« gefüllt werden. Auf die Frage des einzigen Vertreters der europäischen Linksfraktion im Unterausschuß für Sicherheit und Verteidigung, Tobias Pflüger, warum das Budget der EDA außerhalb jeglicher parlamentarischer Kontrolle steht, gab es nur eine ausweichende Antwort.

Die Vertreterin der Grünen-Fraktion im Sicherheitsausschuß, Angelika Beer, forciert die EP-Initiative. Als eine von zwei Berichterstattern forderte sie den einheitlichen Markt für die »Beschaffung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial« und deshalb die »Abschaffung der rüstungspolitischen Besonderheiten« von Artikel 296 des EG-Vertrags. Dieser Artikel gewährt den 25 EU-Mitgliedsländern im Fall des Vorliegens von nationalen »essentiellen Sicherheitsinteressen« bei der Beschaffung von Rüstungsmaterial ein Schlupfloch. Anders als bei zivilen Gütern, bei denen eine EU-weite Ausschreibung vorgeschrieben ist, kann jede Regierung bei Rüstungsgütern dort kaufen, wo sie will. Daher wurde Artikel 296 für die mangelnde Transparenz und den ausbleibenden Wettbewerb auf dem europäischen Rüstungsmarkt ebenso verantwortlich gemacht wie für doppelte industrielle Rüstungskapazitäten und die daraus resultierenden erhöhten Preisen für Waffensysteme.

Durch die vielfache Zerstückelung des europäischen Rüstungsmarktes, der vom französischen Rüstungsdirektor Francois Lureau auf 44 Milliarden Euro plus zwölf Milliarden Euro für militärische Forschung geschätzt wird, habe die europäische Rüstungsindustrie weder die »Vorteile von Großserien« noch den Hauch einer Chance, mit den USA auf diesem Gebiet zu konkurrieren. »Wir (Europäer) müssen unser Territorium auf dem Weltrüstungsmarkt abstecken« forderte denn auch der Vertreter der britischen Rüstungsindustrie, Jeremy Miles.

Gewerkschafter im Boot

Deshalb rief Burghard Schmidt vom EU-finanzierten »Institut für Sicherheitsstudien« in Paris ganz militärisch die Parlamentarier »zum Sturmangriff« auf Artikel 296 auf. Dabei wurde er von gewerkschaftlicher Seite unterstützt. Ohne Sinn und Zweck der massiven EU-Aufrüstung zu hinterfragen, forderte Hardy Koch vom Europäischen Metallgewerkschaftsbund in dem zu erwartenden Umstrukturierungsprozeß der Rüstungsindustrie lediglich die soziale Absicherung für die dort Beschäftigten.

Die allseits geforderte Abschaffung von Artikel 296 ging den anwesenden Vertretern der Rüstungsindustrie letztlich aber doch zu weit. Denn dies würde den europäischen Rüstungsmarkt, auch für sogenannte sensible Waffensysteme, notgedrungen US-amerikanischen Produkten öffnen, warnte z. B. Timm Meyer von der Industrievereinigung UNICE. Ohnehin zeigte er sich bezüglich der EP-Initiative reichlich skeptisch. Seit 35 Jahren sei er nun bereits in dem Geschäft und habe schon viele derartige Initiativen verfolgt. Sie seien alle gescheitert. Auf diesem Gebiet werde »zwar gern und oft europäisch geredet, aber national gehandelt«, so der Rüstungslobbyist.

Rüstung - EU will ab 2007 jährlich eine Milliarde Euro für "Sicherheitsforschung" ausgeben

Pressebericht in: ngo-online - 23.06.2005

(ngo) Der Ko-Präsident der Intergruppe Friedensinitiativen des Europäischen Parlaments, Tobias Pflüger (Linksfraktion, GUE/NGL) kritisiert scharf, dass die EU in Zukunft über eine Milliarde Euro für Rüstungsforschung ausgeben soll. Die EU-Kommission hatte die Initiative ergriffen, um ein so genanntes Europäisches Sicherheitsforschungsprogramm ab 2007 auf den Weg zu bringen. Der am Donnerstag im Europäischen Parlament von einer großen Mehrheit der Europaabgeordneten befürwortete Bericht KLICH will sogar noch mehr Geld für dieses Programm ausgeben.

Tobias Pflüger, der Koordinator der Linksfraktion (GUE/NGL) im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments, erklärt: "Er ist wirklich kein Fortschritt zum Frieden, dass sich dieser Bericht dafür ausspricht, künftig mindestens eine Milliarde Euro jährlich für Rüstungs- und so genannte Sicherheitsforschung auszugeben. Die Parlamentsresolution ist in dieser Hinsicht sogar noch schlimmer als der Kommissionsvorschlag." Er fügte hinzu: "Es ist wirklich gespenstisch, wenn jetzt versucht werden soll, die Lücke bei der Rüstungsforschung zwischen der EU und den USA zu schließen. Das würde bedeuten, dass die EU jedes Jahr noch mehr Geld für Rüstungsforschung ausgeben müsste. Als Begründung müssen nicht einmal mehr Terrorgefahren herhalten, sondern lediglich der Wille mit den USA gleichziehen zu wollen."

Pflüger weiter: "Die EU wird mehr und mehr militarisiert. Die eine Milliarde Euro jährlichen zusätzlichen Aussagen für Rüstungsforschung sind ein weiterer Schritt in diese Richtung. Dabei haben die Bevölkerungen in Frankreich und den Niederlanden, indem sie dem EU-Verfassungsvertrag ihre Zustimmung verweigerten, auch die Militarisierung der EU zurückgewiesen. Es ist einfach skandalös, dass diejenigen Politikerinnen und Politiker, die die Militarisierung der EU vorantreiben, einfach so weitermachen wie bisher. Anstatt vorzutäuschen mit diesem Programm der Rüstungsforschung Arbeitsplätze zu schaffen, sollte die EU einfach mehr Geld für zivile Forschungsvorhaben ausgeben. Sowohl in die Fußstapfen der USA zu treten und als auch Aufrüstungen mit weiterem Sozialbau zu verknüpfen, darf nicht die Zukunft der EU bestimmen."

Kein Ende der Krise in der Europäischen Union - Ratlosigkeit und Streit prägten den mit Spannung erwarteten EU-Gipfel in Brüssel / Zähes Feilschen um Finanzen / Verfassungsprozess auf Eis gelegt

Pressebericht in: Neues Deutschland - 18.06.05 - Olaf Standke

Eine vertagte Verfassungskrise und Streit um die künftigen Finanzen – statt Aufbruch droht der EU nach dem Gipfel in Brüssel der Verlust der politischen Handlungsfähigkeit.

Ein guter Tag für Europa sei die Einigung über den britischen Beitragsrabatt – auch ein Gipfelsatz, aber fast genau 21 Jahre alt und in Fontainebleau bei Paris gesprochen. Gestern wurde in Brüssel heftig um diese Sonderregel gestritten, und fast alle Mitgliedstaaten wollen sie kippen – der »eiserne« Tony Blair natürlich nicht. Und der britische Premier ging geschickt in die Vorwärtsverteidigung: Man wolle ja durchaus verhandeln, wenn zugleich an eine grundlegende Reform des EU-Haushalts von 2007 bis 2013 gedacht ist. Schließlich sei es die »verzerrte Struktur« des Budgets, die den Beitragsnachlass für London erst notwendig mache.

Gemeint sind die überdimensionierten Agrarausgaben, die vor allem Frankreich zu Gute kommen. Aber das Argument, dass die EU wenig zukunftsorientiert viel mehr Geld für die Landwirtschaft als für Forschung und Entwicklung ausgibt, ist jenseits allen nationalen Feilschens um Beiträge und Subventionen nicht vom Tisch zu wischen. Das hatte Jan Peter Balkenende gestern jedoch nicht im Auge. Der Regierungschef des »Nettozahlers« Niederlande braucht nach dem verlorenen Verfassungsreferendum ein Signal für zu Hause und drohte deshalb mit einem Veto, sollte sein Land nicht um eine Milliarde Euro bei den Zahlungen in die EU-Kasse entlastet werden.

EU-Rats- und Gipfelpräsident Jean-Claude Juncker bot nur 460 Millionen Euro an. Da half es ihm nur wenig, dass vor allem die Vertreter der neuen Mitgliedstaaten aus Osteuropa seinen in letzter Minute vorgelegten Finanzkompromiss unterstützten. Nicht nur Irlands Ministerpräsident Bertie Ahern warnte davor, die Budgetverhandlungen etwa den Briten zu überlassen, die ab Juli den EU-Ratsvorsitz innehaben. »Dann kommen wir in eine Krise.«

Aber in der steckt die Union längst. Am ersten Gipfelabend hatten die Staats- und Regierungschefs die EU-Verfassung nur acht Monate nach der feierlichen Unterzeichnung in Rom auf Eis gelegt. Um weitere Pleiten wie jüngst bei den Referenden in Frankreich und in den Niederlanden zu verhindern, wurde der Ratifizierungsprozess bis Mitte 2007 verlängert. Neuverhandlungen über die stark kritisierte Verfassung schloss Juncker jedoch noch einmal aus. In welche Richtung in der verordneten »Denkpause« die Überlegungen aber gehen sollen, bleibt offen. Es liegt in der Hand jedes Landes, ob es mit der Ratifizierung fortfährt oder sie aussetzt. Erst im Juni 2006 soll unter österreichischer Präsidentschaft beraten werden, wie es mit der Verfassung weitergeht. Bis auf Luxemburg, wo die Stimmberechtigten schon am 10. Juli zum Votum an die Wahlurnen gerufen werden, und Polen, das bei seinem Oktobertermin bleibt, wurden alle geplanten Referenden von den jeweiligen Regierungen erst einmal verschoben.
Während sich Junker optimistisch zeigte, dass man die Bevölkerung in den EU-Ländern noch vom Wert des ersten gemeinsamen Grundgesetzes der Union überzeugen könne, fällt das Urteil in vielen europäischen Zeitungen verheerend aus. Der konservative Pariser »Figaro« spricht von einer »surrealistischen Lösung in Brüssel«, die römische Zeitung »La Repubblica« sieht »Europa im Koma«.

Es sei völlig unverständlich, so Tobias Pflüger, wie die große Mehrheit der linken GUE/NGL-Fraktion im Europarlament strikt gegen die Verfassung, wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder und die EU jetzt nur weiter machen wollten wie bisher. Aber auch eine Verfassungsbefürworterin wie die PDS-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann meint, dass eine »Auszeit allein nicht reicht«, und fordert einen »Politikwechsel in der EU«. Die Menschen könnten für das Projekt Europa nur dann zurückgewonnen werden, »wenn die EU zu einer gemeinsamen Kraft entwickelt wird, die zur sozialen Bändigung der Globalisierung willens und fähig ist.« Zu ersten konkreten Schritten müssten daher die endgültige Beerdigung der Bolkestein-Richtlinie und die Stärkung der öffentlichen Daseinsfürsorge gehören.

Trotz aller Verfassungsprobleme soll der für 2007 geplante Beitritt von Rumänien und Bulgarien aber nicht verzögert werden. Der Aufnahme der Türkei wird in der Schlusserklärung des Gipfel nur wenig Raum eingeräumt; die ausdrückliche Begrüßung der Beitrittsverhandlungen ab 3. Oktober war schon in der Gipfelvorbereitung dem Rotstift der EU-Außenminister zum Opfer gefallen.

Bombodrom auf Brüsseler Tagesordnung - Intergruppe für Friedensinitiativen diskutierte über Militärbasen in Europa

Pressebericht in: Neues Deutschland - 16.06.05 - Rainer Rupp

Während einer Anhörung im Europäischen Parlament (EP) diskutierte die Intergruppe für Friedensinitiativen am Dienstag in Brüssel auch das Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide.

Der Vorsitzende der Intergruppe, der parteilose, auf PDS-Liste gewählte EP-Abgeordnete Tobias Pflüger, hatte auf die Tagesordnung einer Konferenz zum Thema »Militärbasen in Europa: Worum geht es wirklich?« neben den Stützpunkten der USA in Europa und denen der Briten auf Zypern auch das Bombodrom in Brandenburg auf die Tagesordnung gesetzt. Laut Pflüger ist dies der erste Schritt, um »eine ganze Reihe von Resolutionen gegen Militärbasen in Europa in die Wege zu leiten«. Denn diese lieferten die Infrastruktur für Kriege.

Zugleich solle die Aufmerksamkeit der Friedensbewegung auf die zunehmend gefährlichen und global ausgerichteten militärischen Aktivitäten der EU gelenkt werden. Daher stünden die britischen Stützpunkte auf Zypern und das Bombodrom der Bundeswehr in der Heide in einer Reihe mit den USA-Militärbasen in Europa. »Nach ihrer Funktion und Struktur dienen sie alle der Vorbereitung zukünftiger Angriffskriege«, erläuterte Pflüger.

Zur Vorbereitung eben solcher Angriffe diene auch die von der Bundeswehr für »unverzichtbar« erklärte Wiederaufnahme der Übungseinsätze durch die Luftwaffen verschiedener NATO- und EU-Staaten über dem Bombenabwurfplatz von Kyritz-Wittstock-Ruppin. Dies wies der Experte Hans-Peter Richter anhand des vom Bundesminister für Verteidigung im Juli 2003 vorgelegten Betriebskonzepts nach. Zugleich ging Richter, der Mitglied der »Achse des Friedens« und Herausgeber des Magazins »PAX REPORT« ist, ausführlich auf die Probleme ein, die der örtlichen Bevölkerung durch das Bombodrom entstehen.

Parallelen zu Vorgängen in seiner Heimat entdeckte der Vorsitzende der Bauernvereinigung aus dem nordirischen South Armagh, Damian McGenity. Auch dort werde eine landschaftlich bezaubernde Region durch Übermilitarisierung zerstört. McGenity forderte er alle Anwesenden zu noch engerer Zusammenarbeit auf.
Großes Erstaunen löste der Vortrag von Stepanos Stephanou vom zyprischen Friedensrat aus, der darlegte, dass »Europa« am Zaun der beiden britischen Militärstützpunkte in seinem Land aufhört. Obwohl Großbritannien und Zypern Mitglieder der EU sind, hatte London bei seinem Beitritt zur damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durchgesetzt, dass seine Basen auf Zypern nicht zum EU-Gebiet gehören. Wie auf der USA-Basis Guantanamo auf Kuba herrscht auch auf den Basen in Zypern ausschließlich Militärrecht. Durch eine entsprechende Klausel in der EU-Verfassung sollte dieser Zustand festgeschrieben werden.

Auch in Deutschland gibt es noch 74 USA-Militärstützpunkte, zwei davon mit Nuklearwaffen. Die USA-Basen sind »de facto exterritoriale Gebiete«, erklärte Hans-Peter Richter und zitierte dazu den USA-Experten Chalmers Johnson: »Amerikas 703 offiziell anerkannte militärische Enklaven im Ausland sind, obwohl sie sich strukturell, legal und konzeptionell von Kolonien unterscheiden, doch wie Mikrokolonien, da sie jeglicher Gerichtsbarkeit des okkupierten Landes entzogen sind.«

Keiner glaubt an ein Scheitern - Doch die WASG-Basis diskutiert noch heftig über das Bündnis / SPD-Linke will mehr soziales Profil

Pressebericht in: Schwäbisches Tagblatt - 15.06.2005 - Volker Rekittke

TÜBINGEN. Noch ist das Linksbündnis zwischen PDS und der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) nicht geschmiedet. Noch wird heftig gerungen, auch in der Region. Dabei geht es oft weniger um Inhalte als um einen Namen und die Strukturen. Derweil bemühen sich Teile der SPD, das Ausfransen ihres linken Randes zu verhindern. „Wir müssen jetzt ein deutliches Signal setzen“, fordert die Tübinger Landtagsabgeordnete Rita Haller-Haid.

Wie stark sich das neue Linksbündnis wird etablieren können, hängt für Rita Haller-Haid vor allem davon ab, „wohin die SPD jetzt steuert“. Dass es überhaupt soweit kommen konnte, hat für die Parteilinke mit sozialen Ungerechtigkeiten in den HartzIV-Gesetzen zu tun, aber auch mit der „fast schon diktatorischen Art, wie die Agenda 2010 der Partei von Oben aufgedrückt wurde“. Haller-Haid erwartet von dem Wahlmanifest, an dem die Genossen derzeit basteln, vor allem diese Botschaft: „Wir haben das jetzt kapiert und werden umsteuern.“ Nach dem Verlust fast aller Bundesländer an die Union – und einem Viertel der Mitglieder – rät Haller-Haid ihrer Partei dringend, „dass da nicht nur Sprechblasen drin stehen“.

Derzeit hält sich die Landtagsabgeordnete mit ihrer Fraktion zur Klausur in Berlin auf. „Viele wollen wissen, was in dem Wahlmanifest steht“, beschreibt sie die Stimmung unter den Abgeordneten. Doch das Papier soll der Partei erst am 27. Juni vorgestellt und bereits am 4. Juli auf einem kleinen Parteitag verabschiedet werden. Für die Parteibasis, befürchtet Haller-Haid, bleibe da kaum Zeit zu diskutieren. Das Problem: „Wer sich im Manifest nicht wiederfindet, lässt sich hinterher auch nicht für den Wahlkampf mobilisieren.“

„Man darf die WASG politisch nicht überbewerten“, findet der SPD-Kreisvorsitzende Martin Rosemann. Zwar habe es wegen der Agenda 2010 auch in Tübingen Parteiaustritte gegeben, doch sei keiner der Kritiker zur WASG gewechselt. Rosemann warnt vor einem radikalen Kurswechsel seiner Partei: „Bloß keine Schnellschüsse!“ Größere Änderungen bei HartzIV sind seiner Meinung nach derzeit nicht notwendig: „Wir sollten abwarten, bis genauere Ergebnisse da sind“.

Sie wolle sich nicht an „Spekulationen“ über mögliche Folgen für die SPD beteiligen, sagte gestern die Tübinger Bundestagsabgeordnete Herta Däubler-Gmelin. Zum geplanten Zusammengehen von PDS und WASG war ihr nur so viel zu entlocken: „Das ist ein freies Land.“

„Ein klares Votum gegen Militäreinsätze“ fordert Tobias Pflüger von dem neuen Linksbündnis. „Aber bislang wurde ja kaum über gemeinsame Inhalte diskutiert“, so der parteilose Tübinger Europaabgeordnete, der auf PDS-Ticket nach Brüssel zog. Im Gegensatz zur PDS sei die WASG „programmatisch noch nicht gefestigt“. Das Bündnis sollte nach Pflügers Ansicht nicht nur aus PDS und WASG bestehen, sondern auch Menschen aus den sozialen Bewegungen – etwa aus antirassistischen Gruppen, Friedensbewegung oder dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac – einbeziehen.

Eine Vorstellung, die der Tübinger PDS-Landessprecher Bernhard Strasdeit symphatisch findet: Auf einer offenen Liste könnten neben WASG-Kandidaten auch Parteilose, etwa von Attac, kandidieren. Trotz der derzeitigen Namens-Querelen, trotz der bei Teilen der Basis verbreiteten Skepsis – die Tübinger WASG hatte am vergangenen Mittwoch (wie berichtet) gegen die Kooperation votiert – glaubt er an eine Einigung beider Seiten: Bei der sozialen Frage und beim Antimilitarismus gebe es „ausreichend Gemeinsamkeiten“. Sorgen bereitet ihm vor allem eines: „Es wird zeitlich eng.“

Auch die WASG-Landessprecherin Claudia Mrosek aus Kirchentellinsfurt ist sicher, dass beide Parteien sich einigen werden – auch wenn nach wie vor ein Riss durch die WASG gehe. Mrosek: „Die Basis diskutiert.“ Und nicht nur die. Auch von Nichtmitgliedern kämen viele E-Mails: „Da draußen warten eine ganze Menge Leute, dass wir dieses Bündnis machen.“ Sollte das nicht klappen und deshalb weder PDS noch WASG der Einzug ins Parlament gelingen, befürchtet sie, dass es die SPD in der Opposition wieder schaffen könnte, sich „einen sozialen Anstrich zu geben“. Doch auch innerhalb ihrer Partei, so Mrosek, scheine sich die Stimmung langsam zu verändern: „Es kommt ein gewisser Pragmatismus auf.“

Der Tübinger WASG-Kreisvorsitzende und Einigungskritiker Rüdiger Nierlein wünscht sich zwar ebenfalls „ein breites Bündnis gegen die neoliberale Politik“ von Rot-Grün wie von Schwarz-Gelb. Doch Nierlein findet das Tempo des Zusammenschlusses zu hoch und vor allem: „Vor den Strukturen sollten wir erst mal die gemeinsamen Inhalte klären.“ Viele Leute an der Basis, die eigentlich für das Bündnis seien, fühlten sich von den Beschlüssen der WASG-Gremien überrollt – am Sonntag hatten in Kassel die Bundesvorstände, Landesräte und Vorstände einem Wahlbündnis mit der PDS grundsätzlich zugestimmt. Trotzdem glaubt Nierlein nicht an ein Platzen der Gespräche: „Das hat längst eine Eigendynamik entwickelt.“

Krieg für Menschenrechte nicht ausgeschlossen - EU Parlamentarier wendet sich gegen Präventivkriege auch mit UN-Mandat

Pressebericht in: ngo-online - 09.06.2005

(ngo) Die heutige Entschließung des EU-Parlaments über UN-Reformen (Entschließungsantrag Laschet, B6‑0328/2005) befürwortet besorgniserregende Fehlentwicklungen auf der Ebene der Vereinten Nationen, stellt das Mitglied des EU-Parlaments, Tobias Pflüger, fest. So fordere die Resolution z.B., dass die Möglichkeit zu so genannten militärischen "humanitären Interventionen" in das Völkerrecht eingeführt wird. Am gravierendsten sei jedoch, dass in der Resolution die Tür für die Mandatierung von Präventivkriegen durch den UN-Sicherheitsrat geöffnet wird.

Tobias Pflüger, Koordinator für die Linksfraktion (GUE/NGL) im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung des EU-Parlaments, erklärt: "Wer Präventivkriege mit UN-Mandat für die Zukunft gutheißen möchte, tritt das Völkerrecht mit Füßen. Eine solche Reform der UN wird dazu führen, dass das Recht des Stärkeren auch noch mit den Weihen der Vereinten Nationen versehen wird. Mit einer solchen UN-'Reform' würde das gefährliche Präventivkriegskonzept unterstützt, eine solche 'Reform' ist ein regelrechtes Kriegsunterstützungsprogramm. Ich bin auch deshalb sehr froh, dass die Linksfraktion (GUE/NGL) diese Resolution abgelehnt hat."

Gegen »Piraterie des Kapitals« - VVN-BdA-Bundeskongreß: Konsequenter Antifaschismus aktueller denn je

Pressebericht in: junge Welt - 30.05.05 - Hans-Gerd Öfinger

»Von dem stark überalterten Verband gingen kaum noch außenwirksame Aktivitäten aus«. So beschreibt der Verfassungsschutz die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA). Am Wochenende tagte der Bundeskongreß der Organisation in Frankfurt am Main und präsentierte sich als lebendiger, aktionsfähiger und entschlossener Verband, dessen Aufgaben sich 60 Jahre nach dem Ende des faschistischen Deutschland als aktueller denn je erweisen.

Cornelia Kerth, Mitglied im alten Geschäftsführenden Vorstand, zog eine positive Bilanz. Nach der Vereinigung der beiden Verbände aus Ost und West im Jahre 2002 sei die Außenwirksamkeit gesteigert worden. So habe die neue Ausstellung über »Neofaschismus in Deutschland« bereits kurz nach ihrem Start ein starkes Echo gefunden und sei derzeit mit neun Exemplaren in Umlauf. Rüstige »Neunziger« und VVN-BdA-Aktivisten wie Kurt Julius Goldstein, Peter Gingold und Hans Lauter hätten als Zeitzeugen gerade in den vergangenen Wochen auf zahlreichen Veranstaltungen gesprochen und seien auch für die kommenden Monate »ausgebucht«. Sie waren es auch, die in engagierten Redebeiträgen dem Kongreß ihren Stempel aufdrückten. So herrschte gespannte Stille im Saal, als der Leipziger Hans Lauter daran erinnerte, daß er auf den Tag genau vor 70 Jahren als junger Kommunist vom Naziregime verhaftet worden war und erst 1945 wieder in Freiheit kam. Er sei in den letzten Wochen über 60mal als Zeitzeuge in sächsischen Schulen aufgetreten und werde sich weiter zur Verfügung stellen, um die »Geschichte jugendbezogen darzustellen und von Fragen auszugehen, wie sie die Jugendlichen heute stellen«.

Daß dem Verband trotz eines hohen Durchschnittsalters die Aufgaben nicht ausgehen, unterstrich auch der Stuttgarter Werner Pfennig, der am Sonntag neben dem Berliner Heinrich Fink zum gleichberechtigten Vorsitzenden gewählt wurde. Die Zielsetzung der Neonazis, das »Gleichheitsdenken zu zertrümmern« und Antifaschismus mitsamt Gedenkstätten aus Deutschland zu verbannen, unterstreiche ebenso die Notwendigkeit eines organisierten Antifaschismus wie die real rund 16.000 rechtsextremen Straftaten des vergangenen Jahres wie auch die 120 Todesopfer infolge neofaschistischer Gewalt, so Pfennig. Er begründete die Ablehnung des Entwurfs einer EU-Verfassung, weil diese im Gegensatz zum Grundgesetz explizit auf Neoliberalismus und Kapitalismus verpflichtet sei und eine Militarisierung fördere. Der parteilose Europaabgeordnete Tobias Pflüger bezeichnete die vom Europäischen Parlament in einer Resolution zum 8. Mai vorgenommene Gleichsetzung der Sowjetunion mit dem faschistischen Deutschland als »ekelhaft«. Der DKP-Vorsitzende Heinz Stehr erinnerte daran, daß 150000 KPD-Mitglieder politisch Verfolgte des Naziregimes waren und 28000 von ihnen ihr Engagement mit dem Leben bezahlt hätten.

Ein politisches »Highlight« der Tagung bildete der Vortrag des ehemaligen Leiters der IG-Metall-Zentralbibliothek, Peter Scherer, über den »neuen Absolutismus des Kapitals und die faschistische Gefahr«. Eine Wiederkehr einer faschistischen Diktatur vom Typus der deutschen zwischen 1933 und 1945 sei auf Generationen hinaus nicht möglich. Das Kapital sei noch nie so mächtig gewesen wie heute und setzte nun als Programm die Rücknahme aller Zugeständnisse und die Privatisierung aller Werte, die Profit versprechen, auf die Tagesordnung. Nirgendwo auf der Welt gebe es derzeit Arbeiterparteien, die der Herrschaft des Finanzkapitals gefährlich werden könnten. Wo es aber keine revolutionäre Bewegung gebe, da gebe es auch keinen Boden für eine konterrevolutionäre Diktatur. Insofern drohe heute nicht ein zweiter Hitlerismus, sondern die Piraterie des Kapitals und ein gewaltiger Lohnabbau. Angesichts verschärfter Angriffe auf die Gewerkschaften unter einer Regierung Merkel/Westerwelle rechnet Scherer allerdings auch mit wachsendem Widerstand.

Scherer löste mit seinen Denkanstößen eine engagierte Debatte aus. Während Heinrich Fink feststellte, daß Scherer »uns aus dem Herzen gesprochen« habe, lag einem anderen Delegierten Scherers These »schwer im Magen«, daß eine Wiederholung von 1933 heute ausgeschlossen sei. Diese Debatte soll nun auch Gegenstand von Wochenendseminaren sein.

Die Frage einer gemeinsamen Linkskandidatur für die anstehenden Bundestagswahlen spielte auf dem Kongreß eine Rolle und wurde von mehreren Rednern positiv aufgegriffen. Der Frankfurter Gewerkschafter Jürgen Hinzer sammelte zahlreiche Unterschriften von Delegierten für einen gemeinsamen Appell der ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Karl-Heinz Hansen, Manfred Coppik und Erich Meinecke an PDS und WASG für das Zustandekommen einer solchen gemeinsamen Kandidatur und verwies darauf, daß dieser Appell auch an seiner gewerkschaftlichen Basis starken Rückhalt finde.
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Zuletzt aktualisiert: 2013/01/26 00:43

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