Presse-Berichte

Krieg im deutschen Sektor - Das »Kommando Spezialkräfte« der Bundeswehr soll in Afghanistan ihren bisher umfangreichsten Einsatz durchführen

Pressebericht in: junge Welt - 23.05.05 - Frank Brendle

Die Phase des Reue-Zeigens ist vorbei: Zwei Wochen nach dem 8. Mai dreht die deutsche Militärmaschinerie wieder richtig auf. Das »Kommando Spezialkräfte« (KSK) steht nach Berichten von Spiegel online kurz vor seinem »bisher umfangreichsten Einsatz«. Ein Voraustrupp des Elitekommandos sei bereits am Pfingstwochenende nach Afghanistan geflogen.

Die Ausweitung der deutschen Besatzungstätigkeit deutete Kriegsminister Peter Struck schon vor Wochen an. Noch in diesem Jahr solle die Bundeswehr mit der Ausbildung afghanischer Antidrogeneinheiten beginnen. Drogenbarone könnten das als Herausforderung betrachten, so der SPD-Politiker, so daß mit einer zunehmenden Gefährdung der deutschen Truppen zu rechnen sei. »Wir sind vorbereitet«, verkündete Struck in der Berliner Zeitung, ohne sich genauer auszulassen.

Im Hintergrund steht offenbar die wachsende Unzufriedenheit der amerikanischen »Führungsmacht« mit der afghanischen Regierung. Erst an diesem Wochenende berichtete die New York Times, die US-Regierung werfe der Regierung in Kabul vor, bei der Drogenbekämpfung mangelnde Bereitschaft und »keine starke Führung« zu zeigen. Auch deutsche Militärs in den von der Bundeswehr besetzten Stützpunkten im Norden des Landes forderten in der Vergangenheit ein entschiedeneres Vorgehen gegen den Drogenanbau. Eine Drogenbekämpfung nach US-Muster ist allerdings, wie das Beispiel Kolumbien zeigt, vorrangig eine militärische Auseinandersetzung, bei der die Zivilbevölkerung die Hauptopfer bringen muß, sich aber auch zur Wehr setzen könnte. Der Schwerpunkt des anstehenden Kampfauftrages soll nach Informationen von Spiegel online allerdings im Südosten Afghanistans liegen. Dort waren die deutschen Kämpfer bis zu ihrem vorübergehenden Abzug vor eineinhalb Jahren schon einmal, um sich an der Jagd auf Osama bin Laden zu beteiligen. Taliban-Kämpfer sind in dem Gebiet heute noch stark präsent, seit Wochen befinden sich die US-Besatzer dort unter verstärktem Beschuß und haben offensichtlich Verstärkung angefordert.

Auf eine offizielle Erläuterung des Einsatzes braucht man indes nicht zu warten. Das Kommando Spezialkräfte ist eine Elitetruppe, deren Einsätze als geheime Kommandosache behandelt werden – selbst gegenüber dem Bundestagsverteidigungsausschuß. Laut Spiegel sind die Obleute der Bundestagsfraktionen nur sehr grob über den Einsatz unterrichtet, ohne den genauen Auftrag und den militärischen Befehl zu kennen.

Daß es sich aber um nichts anderes als um einen »robusten« Kampfbefehl handeln kann, steht nicht zu bezweifeln: »Für etwas anderes ist diese Einheit gar nicht ausgebildet«, so der Europaabgeordnete Tobias Pflüger gegenüber junge Welt. Geheimgehalten wird auch die Stärke der entsendeten Kampftruppe. Falls sich Struck an den Bundestagsbeschluß zur Mission »Enduring Freedom« hält, kann er 100 Mann seiner »Spezialkräfte« nach Afghanistan schicken. Zu kontrollieren ist das nicht, wie auch die Zahl der Opfer, Erschossenen und Gefangenen Verschlußsache ist.

Die Rückkehr der deutschen Spezialkräfte auf den Kriegsschauplatz ist mit einer Kompetenzerweiterung verbunden: Fiel ihnen bei ihrem ersten Einsatz überwiegend die Rolle von Hilfstruppen der USA zu, so sollen sie nun nach Spiegel-Informationen einen eigenen Sektor erhalten, in dem sie selbst Feldherrenvollmachten ausüben können. Diese Anerkennung der militärischen »Qualifikation« durch die USA deutet darauf hin, daß die Bundeswehr auf ihrem Weg zur weltweit anerkannten Militärmacht wieder einen Schritt weiter gekommen ist.

Europa Macht Frieden - Friedenspolitische Konferenz der GEW

Pressebericht in: Erziehung und Wissenschaft - Zeitung der Bildungsgewerkschaft GEW - 5/2005

„Wer hat die Macht in Europa? Das Volk über die demokratisch gewählten Parlamente oder die Wirtschafts- und Rüstungslobby über den Weg der Brüsseler Bürokratie?“, fragte Eva-Maria Stange, die damalige GEWVorsitzende, zur Eröffnung der friedenspolitischen Konferenz ihrer Gewerkschaft. Der Vertragstext für die europäische Verfassung stand bei der Tagung, die am 18. und 19. März in Berlin stattgefunden hat, im Mittelpunkt.

Im Herbst 2005 soll die europäische Verfassung, Grundlage des künftigen Zusammenlebens in Europa, in Kraft treten. Veränderungen am Vertragswerk sind nicht mehr möglich – es kann von den Mitgliedsstaaten entweder angenommen oder abgelehnt werden. Der Ausgang des Referendums ist in Frankreich noch ungewiss.

EU-Parlament ausgehebelt?

Der einschlägige Artikel I-41,5 des Verfassungsentwurfs lasse vermuten, dass die Macht des gewählten EU-Parlaments ausgehebelt wird, befürchtet Eva-Maria Stange. Hier werde die Entscheidung über militärische Einsätze demnach allein dem Ministerrat ohne Beteiligung des EU-Parlaments übertragen. Wenn Fragen von Krieg und Frieden sowie der Menschenrechte tangiert sind, sollten Gewerkschafter und Pädagogen Stellung beziehen, appellierte die Ex-GEW-Chefin an die rund 120 Gäste. Doch die Einmischung setzt Kenntnis der Materie voraus: Und diese wird allein schon dadurch erschwert, dass das 400-seitige Gesetzeskonvolut von der EU nur gegen eine Gebühr von 25 Euro zu beziehen ist.

Macht Europa Frieden, wie der Titel der Konferenz verspricht? Tobias Pflüger, linker Europa-Abgeordneter und Rüstungskritiker, meldet Bedenken an, wenn die EU laut Artikel I-41 der neuen Verfassung zu „auf militärische Mittel gestützte Operationen“ befähigt werden soll. Solche Operationen schlössen die Bekämpfung des Terrorismus, und zwar auch in Drittstaaten, wie es im Abschnitt III, Artikel 309, heißt, mit ein. Der Militäreinsatz sei nicht mehr strikt
an die Verteidigung gebunden, wie etwa im deutschen Grundgesetz, bemängelt auch der Hamburger Staatsrechtler Norman Paech, und vor allem nicht mehr an einen Beschluss des EU-Parlaments.

Außerdem verpflichte die neue Verfassung die Mitgliedsstaaten, „ihre militärischen Fähigkeiten regelmäßig zu verbessern“, d. h. aufzurüsten. Darüber wachen soll die „europäische Verteidigungsagentur“. Pflügers Urteil: „Es geht um eine Militärverfassung.“ Bestärkt fühlt er sich in seiner Einschätzung durch den Verfassungsartikel, der ausdrücklich eine „ständige strukturierte Zusammenarbeit“ einzelner Mitgliedsstaaten auf militärischer Ebene vorsieht.

Damit werde ein Sonderbündnis eines kriegsbereiten Kerneuropas ermöglicht. Angelika Beer, für die Grünen im Europäischen Parlament, liest den Entwurf anders, und sie wird unterstützt von Prof. Jürgen Meyer, der als Vertreter des Deutschen Bundestags im Verfassungskonvent der EU mitgearbeitet hat: Friedliche Mittel zur Konfliktlösung seien, so Beer und Meyer, darin gleichberechtigt zu den militärischen verankert.

Die Charta der Grund- und Menschenrechte werde ausdrücklich anerkannt. Nach Beers Lesart: eine Friedensverfassung. In einer multilateralen Welt, so die Parlamentsabgeordnete, müsse die EU auch zu „militär-polizeilichen Aktionen“ wie im Kosovo fähig sein, sonst könne sie keine glaubwürdige Außenpolitik betreiben. Und wie solle die EU ihren Beistandsverpflichtungen nachkommen, auch im Rahmen der UNO, wenn sie keine effizienten militärischen Strukturen habe? Der Bundestag müsse nach wie vor die Entscheidung über Krieg und Frieden treffen können, das Grundgesetz werde in diesem Punkt nicht durch die EU-Verfassung außer Kraft gesetzt, hält Angelika Beer den Kritikern des Vertragswerks entgegen.

Doch auch die Gäste aus anderen europäischen Bildungsgewerkschaften bleiben skeptisch gegenüber dem Gesetzentwurf. Er erhebe die Förderung des freien Wettbewerbs zum Verfassungsziel, kritisiert z. B. Raol Alonso von der französischen Lehrergewerkschaft SNES. Während die Verfassungen etwa Frankreichs und Deutschlands Spielraum ließen für unterschiedliche Wirtschaftsformen, erhalte die neoliberale Wettbewerbsideologie in dem Brüsseler Vertragswerk Verfassungsrang, meint Alonso. Seine Gewerkschaft gebe zwar keine Empfehlung für das Referendum ab, aber die Ablehnung überwiege.

Frederico Mayor, ehemaliger Generalsekretär der UNESCO, jetzt Vorsitzender der Stiftung Kultur des Friedens, spart als Hauptreferent der Tagung ebenfalls nicht mit Kritik: „Die neoliberale Marktwirtschaft schafft sich ihre Verfassung“, stellt er fest. Die Unterwerfung von Kultur, Bildung und Medien unter die Bedingungen des Marktes führe dazu, so Mayors Einwand, dass Menschen bloß als Konsumenten betrachtet werden – dies stehe im Widerspruch zu einer Bildung, die ein sinnerfülltes Leben zum Ziel hat.

Skepsis auch im Ausland

Viele Fragen bleiben offen. Nicht zuletzt: Soll man mehr den friedenspolitischen Grundsätzen des Entwurfs trauen oder steckt der Pferdefuß im Kleingedruckten, in dem es heißt, dass die Entscheidung über Krieg und Frieden ausschließlich den Regierungen überantwortet wird? Und: Ist es ein Unglück, wenn die Verfassung an den Referenden*, etwa in Frankreich, scheitert oder kann man auch mit dem bisher geltenden Vertrag von Nizza weiterleben, bis ein akzeptablerer Verfassungsentwurf vorliegt? Die Zeit sei noch nicht reif für eine abschließende Stellungnahme, glaubt Stange. Sie will die Debatte im DGB und im Europäischen Gewerkschaftsbund weiter führen.

Karl-Heinz Heinemann

*Anm. der Red.: Neben Frankreich findet noch in acht weiteren Mitgliedsstaaten ein Referendum über den Verfassungsentwurf statt (darunter: Dänemark, Großbritannien, Spanien und die Niederlande). In den anderen EU-Staaten entscheidet das Parlament über den neuen Verfassungsvertrag. Wenn nur ein Staat den Entwurf ablehnt, ist das neue Vertragswerk geplatzt.
Umstritten: der Entwurf für eine neue europäische Verfassung. Gewinnen Wirtschafts- und Rüstungslobby mehr Einfluss in Brüssel?

EU global fatal?! – der Reader mit den Ergebnissen der Europa-Konferenz von attac Stuttgart im März 2005 ist erschienen. Er kommt genau zur rechten Zeit: Die heiße Phase der Auseinandersetzung um die EUVerfassung
hat begonnen und die so genannte Dienstleistungs-Richtlinie bewegt die Öffentlichkeit. Der Reader kostet 7,50 Euro
und kann bestellt werden unter: http://www.attac.de/stuttgart/dokumente/eu/eukonf_reader.htm

Die Texte der GEW-Konferenz in Berlin stehen ab Mitte Mai auf der GEW-Homepage: http://www.gew.de

Ten conscientious objectors detained

Pressebericht in: Turkish Daily News, 28. Mai 2005

Sivas Police yesterday detained and subsequently released 10 people out of a group of 28 who arrived in the city to attend a military court hearing, reported the Anatolia news agency. The group came to support Mehmet Tarhan, who appeared before a Sivas military court for refusing to perform his military service due to reasons of conscience. Tarhan is currently under arrest in a military prison in Sivas. A scuffle broke out in front of the prison between the group and security forces when police tried to detain two people from the group who had previously refused to register for military service. Police detained 10 people for refusing to hand over two of their friends to the security forces. The group told the Anatolia news agency that they were against military service.

European Parliament members express concern

Sixteen European Parliament members sent a letter to the Turkish president and governmental bodies in Turkey on May 25 to express their concern over the Tarhan case. "We, as members of the European Parliament, call for the immediate release of Mehmet Tarhan and for the exemption of Mehmet Tarhan from military service. As long as he is imprisoned, we fear for his health and call on you to ensure that he won't be mistreated," said the group in their letter. The group of parliamentarians also demanded constitutional recognition of the right to conscientious objection and said more signatures would be forthcoming.

Quelle: http://www.turkishdailynews.com.tr/article.php?enewsid=14382

Was spricht dafür und dagegen? - Das Unbehagen an der EU-Verfassung

Pressebericht in: tagesschau.de - 17.05.05

Der historische Text macht es einem nicht leicht. 448 Artikel umfasst die erste Verfassung der EU. Was in einem mehrjährigen Prozess von Vertretern der nationalen Parlamente, Regierungen und der Kommission erarbeitet wurde, durchschauen nur wenige Bürger. Nach einer Umfrage für die ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" fühlen sich viele Menschen nicht ausreichend informiert.

Vor allem in Frankreich, wo am 29. Mai die Bürger per Referendum abstimmen werden, bangen die Politiker vor einem Nein. Doch auch in Deutschland, wo der Bundestag am 12. Mai und der Bundesrat am 27. Mai mit einer Zweidrittel-Mehrheit die EU-Verfassung verabschieden soll, werden die Stimmen der Gegner lauter.

Die Argumente gehen dabei von der Kritik an der Festschreibung einer neoliberalen Wirtschaftspolitik durch den neuen EU-Vertrag über den Vorwurf der Militarisierung der EU-Politik bis hin zur Angst vor einer Schwächung der nationalen Parlamente.
Schwindender Einfluss deutscher Parlamente?

Die Kritik an dem Verfassungswerk reicht bis in die Bundestagsparteien hinein. Ein Teil der Unions-Fraktion beklagt, dass das Papier Brüssel noch mehr Kompetenzen zuordne. Zugleich, so der CSU-Abgeordnete Gerd Müller gegenüber tagesschau.de, werde die europäische Gesetzgebung entparlamentarisiert. Der Bundestag sei nicht mehr als Gesetzgeber tätig, während das Europaparlament nicht das Recht zur Gesetzesinitiative habe.

In einem von 118 Intellektuellen unterschriebenem Aufruf der globalisierungskritischen Bewegung Attac heißt es hierzu, "das parlamentarische Grundrecht auf eigene Gesetzesinitiativen bleibt den Abgeordneten weiterhin vorenthalten". Auch habe das Europaparlament, dessen Abgeordnete von den EU-Bürgern gewählt werden, kein Entscheidungsrecht in der Außen- und Sicherheitspolitik. In vielen Bereichen habe das Parlament lediglich Anhörungsrecht.

Die Unterstützer der Verfassung heben hingegen hervor, dass das Parlament künftig bei rund 80 Prozent der EU-Gesetzgebung ein Veto-Recht besitzt und gemeinsam mit dem Ministerrat als Gesetzgeber tätig sein wird.

Die Union will deshalb mit einem Begleitgesetz durchsetzen, dass der Bundestag etwa bei Beschlüssen zur Erweiterung der Union künftig vorher befragt werden muss. Deutsche Minister im Ministerrat sollten an ein Votum des Bundestags gebunden sein. Dies lehnt die Regierung ab.
Präambel ohne Gottesbezug

Viele Unions-Abgeordnete vermissen einen Gottesbezug in der EU-Verfassung, wie er etwa in der Präambel des Grundgesetzes vorkommt. Sie bemängeln, ohne Verweis auf die christlichen Traditionen sei die Verfassungs-Präambel wertfrei.

In allen Parteien gibt es Befürworter eine Volksbefragung zur Verfassung. Am energischsten hat sich hierfür die FDP eingesetzt, während sich für eine europaweite Abstimmung einsetzten. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler hat mit einer einstweiligen Verfügung versucht, die Ratifizierung ohne Volksabstimmung durch das Bundesverfassungsgericht stoppen zu lassen. Zwar scheiterte er in Karlsruhe, erhielt aber von den Richtern das Recht, nach der Ratifizierung erneut zu klagen. Gauweiler vertritt die Ansicht, die EU-Verfassung ersetze wesentliche Teile des Grundgesetzes und müsse deshalb dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden.
Verfassungsrang für neoliberale Wirtschaftspolitik

Insbesondere bei der Linken stößt die im dritten Teil des Verfassungsentwurfs festgelegte wirtschaftspolitische Ausrichtung auf Ablehnung. Dort wird der "Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" formuliert. Damit, so die Kritik, erhielten neoliberale Bestimmungen Verfassungsrang. Laut Artikel III-179 kann die Kommission eine Stellungnahme direkt an einen Mitgliedstaat richten, dessen Wirtschaftspolitik nicht diesen festgelegten Grundzügen entspricht. Die Beschäftigungs- und Sozialpolitik würde, so die Befürchtung der Verfassungsgegner, den wirtschafspolitischen Grundzügen untergeordnet.

Befürworter der EU-Verfassung verweisen auf die Grundrechte-Charta und den Artikel I-3, in dem sich die Union das Ziel der "Vollbeschäftigung" setzt. Gegner wie Unterzeichner des Attac-Aufrufs warnen dagegen vor einer "einseitigen Orientierung auf das vorrangige Ziel der Preisstabilität" und den "in Verfassungsrang erhobenen Stabilitätspakt".
Vorwurf der Militarisierung der Außenpolitik

Der Verfassungstext präzisiert die Verteidigungspolitik, deren gemeinsame Entwicklung auch bislang möglich war, nun aber in der Verfahrensweise konkreter geregelt wird. In der Kritik der Gegner steht vor allem die programmatische Aufforderung der Mitgliedstaaten, "ihre militärischen Fähigkeiten zu verbessern" (I-40). Dies sei, so der PDS-Europaabgeordnete Tobias Pflüger, "nichts nderes als eine Aufrüstungsverpflichtung", mit dem Ziel, die EU militärisch als Gegenmacht zu den USA aufzubauen.

Dem Vorwurf der Militarisierung der EU-Außenpolitik und der Sorge vor einer europäischen Aufrüstung halten die Verfassungsbefürworter Artikel I-41 entgegen. Darin wird klargestellt, dass die EU ihre zivilen oder militärischen Operationen nur "in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen" tätigen darf. Die Selbstverpflichtung der EU, entsprechend dem UN-Gebot auf eine "mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt" zu verzichten, erhält damit Verfassungsrang. Zudem, so die Verfassungsverfechter, erhalte der Ausbau von zivilen Konfliktlösungen durch die Aufnahme der zivilen Option in den Verfassungstext eine wichtig Grundlage.

Allerdings verpflichten sich die EU-Staaten im Verfassungstext auch zu "Kampfeinsätzen als Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet" (Artikel III-210). Dem wiederum halten die Befürworter Artikel III-309 entgegen. Der beschreibt die Aufgaben von zivilen und militärischen Einsätzen als "gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen, humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, Aufgaben der militärischen Beratung und Unterstützung, Aufgaben der Konfliktverhütung und der Erhaltung des Friedens sowie Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung".
Gelegenheit für Denkzettel

Die Befürworter der EU-Verfassung müssen schließlich mit einem weiteren Problem kämpfen. Die Kritik an der Verfassung vermischt sich mancherorts mit einer grundlegenden Ablehnung der Europäischen Union in ihrem jetzigen Zustand. Da, wo die Bevölkerung das Wort hat, müssen die Regierungen zudem mit einem Denkzettel für ihre Politik insgesamt rechnen. So sind nach Meinungsumfragen gut zwei Drittel der Bevölkerung unzufrieden mit der Politik von Präsident Jacques Chirac. Dass ein Großteil der Bevölkerung sich über das abstrakte Thema schlecht informiert fühlt, könnte sich so für die Staatsmänner der EU noch als tragisch erweisen.

Stand: 17.05.2005 19:41 Uhr

Linker Aufbruch in Frankreich

Interview in: Tagblatt Anzeiger - 18.05.05

Während in Deutschland der Bundestag die EU-Verfassung abgesegnet hat, darf in Frankreich das Volk entscheiden. Am 29. Mai stimmen die Franzosen ab. Wir fragten den Tübinger EU-Parlamentarier Tobias Pflüger nach der Stimmung im Land.

TAGBLATT ANZEIGER: Am 29. Mai entscheiden die Franzosen über die EU-Verfassung. Wie ist die Stimmung?

Tobias Pflüger: Es gibt eine richtige soziale Aufbruchstimmung. Viele sehen eine Chance, den Verfassungsvertrag zu kippen. Dabei scheint auch eine neue Linke aus den sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, kommunistischer Partei, kritischen Grünen und Sozialisten, von Linksrepublikanern und Trotzkisten zu entstehen.

Warum sind diese so skeptisch?

Wenn man den Umfragen glauben darf, vor allem, weil sie die wirtschaftsliberalen Bestimmungen kritisch sehen. Ein Projekt, das sich darauf beschränkt, einen „Binnenmarkt mit freiem und unverfälschten Wettbewerb“ bereitzustellen, trifft in Frankreich gerade auch aufgrund der Verankerung des Sozialstaats in der französischen Verfassung auf große Skepsis.

Was können sie denn verlieren?

Vor allem die Perspektive eines sozialen Europas für die nächsten Jahrzehnte. Mit dem EU-Verfassungsvertrag werden ultraliberale Wirtschaftsprinzipien in Marmor gemeißelt. Wenn den Leuten erzählt wird, mit einer „freien Marktwirtschaft mit offenem Wettbewerb“ ließen sich die Sozialstandards verteidigen, betrügt man die Leute einfach nur. Wenn die EU-Politik auf dieser Grundlage fortgesetzt wird, war Hartz IV nur ein erster Vorgeschmack von dem, was uns in den nächsten Jahren erwartet.

Wurde die EU-Verfassung in Frankreich heftiger diskutiert?

Die deutsche Situation lässt sich so bilanzieren: Ohne Referendum keine Öffentlichkeit – und vor allem keine Debatte. Es ist beschämend, dass eine derart gravierende Veränderung den Menschen in diesem Lande nicht zur Entscheidung vorgelegt wurde. So wurde hier fast unbemerkt dem Vertrag am 12. Mai im Bundestag zugestimmt. Am 27. Mai wird der Bundesrat zustimmen. Selbst Oskar Lafontaine hat sich mit seinem Nein zur EU-Verfassung erst vor wenigen Tagen zu Wort gemeldet.

Wenn die Nachbarn Nein sagen...?

... dann ist der Verfassungsvertrag in der EU abgelehnt. Ein Plan B, von dem jetzt fabuliert wird, hat keine Zukunft. Mit dem Scheitern dieses Verfassungsvertrags in Frankreich ergibt sich die Möglichkeit einer Neuverhandlung. Und um einmal eine wichtige Änderungsmöglichkeit zu nennen: Statt einer strukturierten militärischen Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten – wie im Verfassungsvertrag vorgesehen, bei der viel Geld für Aufrüstung und die Herstellung globaler Kriegsführungsfähigkeit ausgegeben werden wird – könnte eine soziale und zivile „strukturierte“ Zusammenarbeit aus der Taufe gehoben werden, die in Frankreich und Deutschland gemeinsame soziale Mindeststandards vereinbart und umsetzt. Statt einer jahrzehntelangen Verhinderung eines sozialen Standards könnte so der Anfang für ein soziales Europa gemacht werden. Es steht also am 29. Mai viel auf dem Spiel. Wichtig ist, eine Verhinderung ist nur jetzt möglich, eine Veränderung bedarf der Zustimmung und Ratifizierung in allen dann 27 oder noch mehr EU-Mitgliedstaaten.

Wie wurde in Frankreich das deutsche Ja aufgenommen?

Trotz der Millionen Euro, die Bundesregierung und EU in eine einseitige Informationskampagne investiert haben, wurden die Stimmen in Deutschland gegen diesen Verfassungsvertrag auch in Frankreich hörbar. Der Ausgang der Abstimmung im Bundestag hat niemand wirklich verwundert.

Die Fragen stellte Manfred Hantke

Gebirgsjäger in der Tradition der Wehrmacht

Pressebericht in: de.indymedia.org - 17.05.2005 16:03 - von trojan tv

Tobias Pflüger spricht auf der Demonstration gegen das Treffen der Gebirgsjäger am 15. Mai 2005 in Mittenwald.
Redebeitrag T. Pflüger (mp3, 1min38, 773 kb): http://media.de.indymedia.org/media/2005/05/117063.mp3
Tobias Pflüger spricht über die Gebirgsjäger in der Bundeswehr, die sich in die Tradition der Wehrmacht stellen.

Quelle: http://de.indymedia.org/2005/05/117061.shtml

Ein wichtiges Signal - Europapolitiker fast aller Parteien begrüßen das Votum des Bundestags

Pressebericht in: Märkische Allgemeine - 13.05.2005 - Detlef Drewes

BRÜSSEL Soviel Harmonie ist selbst für Brüsseler Verhältnisse außergewöhnlich. Praktisch im Gleichklang würdigten die im europäischen Parlament vertretenen deutschen Abgeordneten die Zustimmung des Bundestages zur EU-Verfassung als "überwältigende Unterstützung für den europäischen Einigungsprozess". Hans-Gert Pöttering, Chef der christlich-konservativen EVP-Fraktion, sagte, dies sei "ein klares und positives Signal für den weiteren Ratifizierungsprozess und insbesondere das Referendum in Frankreich am 29. Mai". Schließlich bringe die Verfassung "die gemeinsamen Werte zum Ausdruck, auf denen die europäische Einigung" aufbaue.

Kritik kam lediglich von der PDS. Deren Abgeordneter Tobias Pflüger erklärte: "Dieser EU-Verfassungsvertrag meißelt eine neoliberale Wirtschaftspolitik in Marmor." Pflüger äußerte die Hoffnung, dass die Franzosen beim Referendum am 29. Mai Nein sagen.

Der Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Martin Schulz, sagte gegenüber der MAZ, das "deutsche Ja wird auch die Franzosen zu einem Ja ermutigen". Schulz erinnerte daran, dass bereits am Mittwoch auch das österreichische und das slowakische Parlament "praktisch einstimmig" die Verfassung angenommen hätten.

Für die Grünen erklärte deren Fraktionschef im Parlament, Daniel Cohn-Bendit, er begrüße "das Abstimmungsergebnis mit einem lachenden und einem weinenden Auge". Zwar wurde ein "wichtiger Schritt zur Ratifizierung" getan. "Wir bedauern aber", sagte Cohn-Bendit, "dass es in Deutschland zuvor keine umfassende öffentliche Debatte über die Europäische Verfassung und ihre Bedeutung für die Bürger gegeben" habe. Dies stehe in "starkem Kontrast zur lebhaften Diskussion in Frankreich".

Die Vize- Vorsitzende der liberalen Fraktion, Silvana Koch-Mehrin, sprach gar von einer "verlorenen Chance für Europa". Es sei zwar "gut, dass dem Verfassungsvertrag auch in Deutschland in einem ersten Schritt zugestimmt wurde". Allerdings wäre "ein Volksentscheid über die Verfassung wichtig gewesen.

Bundestag stimmt EU-Verfassung zu

Pressebericht in: Tagblatt Online, 12.05.2005

BERLIN (tol). Der Bundestag hat mit überwältigender Mehrheit der EU-Verfassung zugestimmt. 569 Abgeordnete stimmten für die Verfassung, 23 dagegen, zwei Abgeordnete enthielten sich. Die für die Ratifizierung notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit wurde damit erreicht.

"Dieser EU-Verfassungsvertrag meißelt eine neoliberale Wirtschaftspolitik in Marmor - indem er eine 'offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb' festschreibt", kritisiert der Tübinger Tobias Pflüger, der auf der Liste der PDS ins EU-Parlament gewählt wurde. "Eine Sozialbindung des Eigentums oder gar Sozialisierungsmöglichkeit sucht man vergeblich im Text. Stattdessen verpflichten sich die EU-Mitgliedstaaten 'ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern'. Zudem soll die EU mit dieser Verfassung vertraglich fit gemacht werden für eine globale Kriegsführungsfähigkeit. Damit geht es um Grundsatzfragen, nicht nur um Details."

Pflüger hofft, dass die Franzosen vor dem Referendum am 29. Mai diesen Text "detailversessener" unter die Lupe nehmen werden als Kanzler Schröder und dass sie so "kleinlich" sein werden einem Text, der die Militarisierung und Neoliberalismus mit Verfassungsrang festschreibt, ihre Zustimmung verweigern.

Das Votum im Bundestag war der erste Teil der Ratifizierung. Nun muss das die Verfassung noch vom Bundesrat abgesegnet werden.

EU-Verfassung: PDS sagt Nein, FDP sagt Ja

Pressebericht in: Tagblatt Online - 10.05.2005 - Manfred Hantke

Am Donnerstag wollen die Bundestagsabgeordneten die EU-Verfassung ratifizieren. Die Tübinger Abgeordneten Herta Däubler-Gmelin (siehe unten), Winfried Hermann und Annette Widmann-Mauz werden ihr zustimmen (mehr dazu am Mittwoch im TAGBLATT ANZEIGER). Entschiedener Gegner ist nach wie vor der Tübinger Europa-Abgeordnete Tobias Pflüger, der für die PDS in Straßburg und Brüssel sitzt.

Der außenpolitischer Sprecher des PDS-Parteivorstandes Wolfgang Gehrcke sagte am Dienstag, die PDS lehne den vorliegenden Verfassungsvertrag ab, weil die Bevölkerung in Deutschland von einer direkten Entscheidung über den Verfassungsvertrag ausgeschlossen ist. Gerade ein Regelwerk, das den Anspruch erhebe, historisch zu sein, bedürfe in allen europäischen Ländern der Legitimation durch die Bürgerinnen und Bürger.

Zwar erhalte der Verfassungsvertrag durchaus Aussagen für eine Stabilisierung Europas als Friedenszone und die Bedeutung der Charta der Vereinten Nationen, so Gehrcke weiter. Diese Absichtserklärung werde aber entwertet durch die Verfassungsverpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten, ihre militärischen Fähigkeiten zu verbessern, durch die Aufstellung von EU-Militärverbänden und eine faktische Verknüpfung mit der NATO. Aufrüstung als Verfassungsziel könne und werde nicht die Zustimmung demokratischer Sozialisten finden.

Franzosen ist die Last auferlegt

Außerdem sei im Unterschied zum Grundgesetz im Europäischen Verfassungsvertrag die Marktwirtschaft nicht organisch mit der Sozialbindung des Eigentums als Verfassungsziel verbunden, sagte Gehrcke. Freier Markt und freier Wettbewerb als Verfassungsziele könnten zur Legitimation von Sozial-Dumping und Privatisierung öffentlichen Eigentums genutzt werden.

Laut Gehrcke habe die PDS das Für und Wider zur EU-Verfassung abgewogen. Herausgekommen sei ein deutliches Übergewicht für ein Nein. Den Franzosen sei nun die Last auferlegt, für alle in der EU entscheiden zu müssen.

FDP gibt Union, SPD und Grünen den Schwarzen Peter

Dagegen hofft der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Ernst Burgbacher immer noch auf einen möglichst einstimmigen Ratifizierungsbeschluss des Bundestags. Im Gegensatz zu anderen Ländern finde eine Auseinandersetzung zum Thema EU-Verfassung in Deutschland nicht statt, sagte er in einer Pressemitteilung. Dies schade Deutschland und Europa gleichermaßen.

Schuld daran sei die große Mehrheit der Abgeordneten im Deutschen Bundestag, die den "Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 23) zur Einführung eines Volksentscheids über eine europäische Verfassung" der FDP-Bundestagsfraktion abgelehnt haben.

Nachdem die Skepsis innerhalb der Union gegenüber unmittelbarer Beteiligung der Bevölkerung bekannt ist, habe sich bei SPD und insbesondere den Grünen wieder einmal gezeigt, dass ihr Handeln zunehmend von ihren vollmundigen Ankündigungen abweiche. Die Europäische Verfassung soll jedoch vor allem eine Verfassung der Bürger sein. Nun jedoch bleiben die Bürger in Deutschland außen vor. So werde eine große Chance verspielt.

Siehe auch:
Herta Däubler-Gmelin: Neoliberale Schieflage ändern
http://www.tagblatt.de/index.php?artikel_id=678046

Tobias Pflüger: EU-Verfassung ist antisozial
http://www.tagblatt.de/index.php?artikel_id=497283

Quelle: http://www.tagblatt.de/?artikel_id=35553755

Dei Lenk: Ungewisse Zukunft

Pressebericht in: woxx 794, 22/04/2005, Ines Kurschat

Nach der Wahlniederlage im Juni 2004 sucht déi Lénk neue Wege, um linke Inhalte jenseits der Chamber unters Volk zu bringen. Das EU-Referendum könnte dabei helfen.

"Mama, mir spille Krich", so der begeisterte Ausruf eines kleinen Jungen im voll besetzten Konferenzsaal des Centser Kulturzentrum am vergangenen Sonntag. Für den Bruchteil einer Sekunde ist es still. Dann brechen die etwa 70 BesucherInnen in schallendes Gelächter aus. Viel mehr zu lachen, hatten die TeilnehmerInnen des vierten déi-Lénk-Kongresses aber nicht. Fast ein Jahr nach der Wahlniederlage steht der 1999 gegründeten linken Sammelbewegung, wie sich die Partei selbst nennt, eine weitere Nagelprobe bevor: die Gemeindewahlen im Herbst. Die Wahlkampagne war es auch, die neben zwei Tätigkeitsberichten den Schwerpunkt der Veranstaltung bildete.

"Statt Resignation und Demotivierung ist eine neue Dynamik entstanden", freut sich David Wagner von déi Lénk bei seiner Vorstellung des Tätigkeitsberichtes für die Jahre 2003 und 2004. Seit dem Sommer hätten sich neue, auch junge Leute bei déi Lénk engagiert; wohl prominentestes Beispiel ist Cléo Thoma, Radiomoderatorin beim 100,7, und neuerdings Kandidatin und Mitglied der Nationalen Koordination.

Diese gute Nachricht kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Luxemburgs Linke in einer Krise befindet. Für die Spaltung mit der Kommunistischen Partei (KP) bezahlte déi Lénk einen hohen Preis: von fünf Prozent im Juni 1999 (mit der KP) rutschte déi Lénk im vergangenen Jahr auf unter zwei Prozent. Der Chambersitz ist futsch - und mit ihm das Parteilokal sowie dringend benötigte Finanzmittel. Die überwiegende Mehrheit der Linken teilt deshalb die Einschätzung von Janine Frisch von der Nationalen Koordination: "Die Trennung hat uns sehr geschadet." Die Aufarbeitung der Ereignisse vom Frühjahr 2004 fällt offensichtlich immer noch schwer. Schuld daran ist ein taktisches Fehlverhalten der in PR eher ungeübten Organisation: Statt offensiv die Gründe für den Bruch mit den Kommunisten zu benennen, wich déi Lénk Presse-Nachfragen aus. Man habe damals "keine schmutzige Wäsche waschen wollen", versucht Guy W. Stoos, linkes Gemeinderatsmitglied der Stadt Luxemburg, eine Erklärung. "Ein schwerer Fehler", weiß er heute. Wie tief die Kluft zwischen den einstigen Weggefährten mittlerweile ist, hat die von déi Lénk organisierte, kritische Informationsveranstaltung zur EU-Verfassung Ende Januar dieses Jahres gezeigt. Trotz illustrer Gäste - der deutsche Europaabgeordnete Tobias Pflüger sowie der Franzose Francis Wurtz, Vorsitzender der Vereinigten Linken im Europaparlament - weigerte sich das KP-Presseorgan "Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek", eine bezahlte Werbung abzudrucken.

Das Wegfallen der "Zeitung" trifft die Bewegung nicht unerheblich. Auch wenn die Mitglieder nicht müde werden, ein entspanntes Verhältnis zu den heimischen Medien zu beschwören, Fakt ist: Linke Themen und Veranstaltungen finden weiterhin nur schwer den Weg in die großen Tageszeitungen.

Linke Erfolge

Dabei hat die Bewegung ihr Gespür und ihren Einsatz für gesellschaftlich wichtige Themen schon mehrfach unter Beweis gestellt. Es war der ehemalige déi-Lénk-Abgeordnete Serge Urbany, der im RTL-Fernsehen als erster die drastischen sozialen Folgen der "Bolkestein"-Dienstleistungsrichtlinie thematisierte und den Premierminister zu einer öffentlichen Stellungnahme zwang. Und es war die Internetzeitung goosch.lu, die als erstes Medium über die geplante, arbeitnehmerfeindliche Neufassung der EU-Arbeitszeitdirektive (woxx Nr. 792) informierte.

Auch auf nationaler Ebene konnte die Bewegung Akzente setzen. Die "Lex Greenpeace" von Justizminister Luc Frieden (CSV), welche die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit einschränken sollte, kam dank eines breiten Bündnisses zwischen déi Lénk, Déi Gréng und den Jungsozialisten vom Tisch.

Auf kommunaler und regionaler Ebene sind linke Erfolge allerdings nicht so offensichtlich. Mit André Hoffmann sitzt zwar ein déi-Lénk-Mitglied im Escher Schöffenrat. Doch das Kräfteverhältnis in der rot-rosa-grünen-Koalition macht linke Akzentsetzungen schwierig. Erfolge werden erfahrungsgemäß zudem eher dem stärksten Koalitionspartner zugerechnet. Misserfolge hingegen können, das hat auch die Diskussion um die von CSV und DP eingeführten Parkgebühren in der Hauptstadt gezeigt, auf den schwächeren oder medial weniger geschickt agierenden Partner abgewälzt werden. Die Liberalisierung des Escher Stromnetzes etwa hat déi Lénk nicht verhindern, sondern nur abmildern können - und damit einige WählerInnen vor den Kopf gestoßen. Gleichwohl wirbt die Organisation unter dem Motto "Esch bewegt sich" für ihre Erfolge in der Koalition: die Einführung des City-Busses und der Chancengleichstellungsstelle etwa, den behindertenfreundlichen Ausbau der Stadt oder den landesweit ersten kommunalen Sozialbericht. Über die Stromliberalisierung freilich schweigt sich déi Lénk aus.

Ob eine verbesserte Selbstdarstellung allein aber ausreichen wird, um an alte Wahlerfolge im Süden anzuknüpfen, ist fraglich. Immerhin stimmten im Jahr 2000 fast 13 Prozent der wahlberechtigten EscherInnen für die damals noch vereinigte Linke. Laut sagt es zwar keiner, aber damit, beide Sitze im Escher Gemeinderat halten zu können, rechnet in der Partei eigentlich niemand. Und auch um den Platz in Luxemburg-Stadt bangt so mancher.

"Wir müssen klare, erkennbare Themen setzen", betont Stoos und verweist auf Partizipation, Gemeindefinanzen, Transportpolitik und Wohnungsnot. Dass déi Lénk auf diesen Feldern etwas zu sagen hat, zeigt ihr vorläufiges Rahmenprogramm für die Gemeindewahlen. Darin stehen so konkrete Vorstellungen wie die (Selbst-)Verpflichtung, einen bestimmten Prozentsatz an Sozialwohnungen für Einkommensschwache bereitzustellen oder die Anhebung der Gemeindesteuern. Angesichts chronisch klammer Gemeindekassen wird Letzteres längst nicht mehr nur auf linker Seite diskutiert. Auch die verstärkte Einbindung von BürgerInnen in kommunale Entscheidungen, wie sie in der linken Vorzeigestadt Porto Alegre (Brasilien) praktiziert wird, steht in dem von André Hoffmann entworfenen Neun-Punkte-Papier. Allerdings: Von der portugiesischen Sprache einmal abgesehen ist von Porto Alegre in Esch nichts zu spüren.

Identitätssuche

Allen realpolitischen Zugeständnissen zum Trotz bleibt eine Grundschwierigkeit: Weil sich déi Lénk als "basisdemokratische linke Sammelbewegung" versteht, scheint das eigene Profil eher unscharf. Zudem wirken linke Slogans von außen häufig etwas verstaubt, manchmal gar beliebig. Was sagt der berühmte Porto-Alegre-Spruch "Eine andere Welt ist möglich" Menschen, die nicht aus der globalisierungskritischen Ecke kommen? Und wie unterscheidet sich das linke Nein zur Europäischen Verfassung von dem Nein von ADRlern oder, noch schlimmer, der extremen Rechten?

"Unser 'Nein' ist ein 'Nein' zur undemokratischen und unsozialen EU-Verfassung, keinesfalls zu Europa", präzisiert Justin Turpel. Dass zwischen rechtem und linkem Nein-Sagen Welten liegen, beweise die Ablehnung von déi Lénk gegenüber antidemokratischen, nationalistischen und rassistischen Ideen eindeutig.

Für ihn und seine GenossInnen ist klar: Die zukünftige Herausforderung für die Linke liegt darin, europäische Gesetze und ihre Auswirkungen für den Einzelnen präzise benennen zu können - und realistische Alternativen aufzuzeigen. "Das wird sicherlich nicht einfach", sagt auch Guy W. Stoos.

Den Kopf in den Sand stecken, wollen déi Lénk trotzdem nicht. Frankreichs Linke habe es schließlich vorgemacht, wie sich über eine kritische Analyse der Lissabon-Agenda viele Menschen für linke Ideen mobilisieren lassen. Während der Diskussion um die "Bolkestein"-Dienstleistungsdirektive im Februar dieses Jahres protestierten Hunderttausende Franzosen für klassisch linke Forderungen wie soziale Gerechtigkeit, Umverteilung, Arbeitszeitverkürzung. Dank "Bolkestein" scheint auch ein "Nein" beim französischen Referendum im Mai nicht mehr ausgeschlossen.
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